[Top 7] Schullektüren

[Top 7] Schullektüren

5. Juli 2018 23 Von FragmentAnsichten

Vor ein paar Wochen kam auf Twitter eine Diskussion über die aktuelle Schullektüre auf, die erstens vor allem im Deutsch-Unterricht sehr depressiv und zweitens extrem von männlichen Schriftstellern dominiert sei. Ich habe diese Diskussion nur am Rande verfolgt, im Stillen aber durchaus zugestimmt, dass Schullektüre nicht unbedingt die Leselust fördert. Insbesondere die im Deutsch-LK habe ich in ermüdender Erinnerung. Während der Grundkurs Joey Goebels „Vincent“ lesen durfte, quälten wir uns durch Lessing, Goethe, Goethe und noch mehr Goethe. Was bei „Faust“ ja noch in Ordnung ging, aber kommt schon, das Lesen von „Die Leiden des jungen Werther“ sollte man höchstens als Strafe für besonders böswillige Pausenschlägereien einsetzen. Die coolen Typen wie Schiller oder E. T. A. Hoffmann sind mir übrigens während meiner Schulzeit nie begegnet, dafür hat Goethe zu viel Platz eingenommen. (Sorry, ich hab eine ganz persönliche Abneigung gegen diesen Herrn entwickelt, „Faust“ hin oder her.)

Aber ich schweife ab. Und bei näherer Betrachtung der Bücher, die mir in 12,5 Jahren Schule begegnet sind, muss ich zugeben, dass die Auswahl eigentlich gar nicht so übel war, sobald es mal nicht um Goethe ging. In Ethik und Englisch kam eh gutes Zeuch aufs Pult, aber in der Mittelstufe konnten sich auch die Deutsch-Lektüren durchaus sehen lassen. Was vielleicht auch daran liegt, dass wir von Pausewang verschont blieben* und den zweiten Weltkrieg mit zwei statt zehn Büchern behandelten.**

Und um (noch mehr) ins Detail zu gehen, hier nun meine Top 7 an Schullektüre. Wobei ich selbst überrascht bin, wie viel wir doch gelesen haben und wie schwer die Auswahl angesichts dessen fiel …

Cover zu den Büchern "Someone like you" von Roald Dahl, "The Remains of the Day" von Kazuo Ishiguro, "Das Parfüm" von Patrick Süskind und "Blueprint" von Charlotte Kerner
Ein Teil meiner liebsten Schullektüren: Roald Dahls „Someone like you“, Kazuo Ishiguros „Remains of the Day“, Patrick Süßkinds „Das Parfüm“ und Charlotte Kerners „Blueprint / Blaupause“

1. „Farm der Tiere“ von George Orwell

Ich habe kürzlich von der Lektüre im Ethikunterricht geschwärmt, muss inzwischen allerdings zugeben, dass wir die meisten Bücher doch nur in Auszügen gelesen haben. Auch „1984“ haben wir in der 7. Klasse anhand eines Reclam-Sekundärheftchens behandelt. Die Komplettlektüre gab es stattdessen zu „Farm der Tiere“, und die dazu geführten Diskussionen rund um Kommunismus, Kapitalismus und Pressefreiheit waren für mich durchaus prägend.

2. „Blueprint – Blaupause“ von Charlotte Kerner

Die Bücher aus weiblicher Feder, die wir durchgenommen haben, lassen sich an einer Hand abzählen: Das waren „A Raisin in the Sun“ von Lorraine Hansberry, „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ von Judith Kerr, „Der rote Seidenschal“ von Federica de Cesco und eben „Blueprint“ von Charlotte Kerner. (Na, immerhin. Und mit Hansberry und Ishiguro waren auch zwei PoC-AutorInnen vertreten.)

Dass wir 2003 „Blueprint“ gelesen haben, ist wohl vor allem dem damaligen Trendthema „Klonen“ zu verdanken – und der gerade im Kino gelaufenen Verfilmung mit Franka Potente. Die Unterrichtseinheit, die sich weniger auf sprachliche Besonderheiten, sondern mehr auf Themen wie Gentechnik, Leben mit chronischen Krankheiten und sozioindividuelle Identität fokussierte, war nachhaltig beeindruckend. Die Handlung des Romans dreht sich um die schwer kranke Künstlerin Iris, die sich in der Hoffnung klonen lässt, ihr Mini-Me werde ihr Werk fortführen.

3. „Das Parfum“ von Patrick Süskind

In der vor (Goethe-)Lektüre überquillenden Deutsch-LK-Phase gab es zwei Bücher, die ich in wohlwollender Erinnerung behalten habe: Zum einen Thomas Manns „Tonio Kröger“, zum anderen Patrick Süßkinds „Das Parfum“, die fiktive Lebensgeschichte des mit einer äußerst feinen Riechnase ausgestatteten Mörders Grenouille. Die Einheit zum „Parfum“ hatten wir dabei wiederum der gerade angelaufenen Verfilmung von Tom Tykwer zu verdanken. Abseits des Kinobesuchs (die Orgienszene im Kursverband zu sehen – ein Träumchen!), haben wir allerdings nicht wirklich viel mit dem Buch gemacht. Vielleicht mit ein Grund, weshalb ich es in so positiver Erinnerung behalten habe.

4. „The Remains of the Day“ von Kazuo Ishiguro

Während die anderen Englisch-LKs „The Picture of Dorian Gray“ oder „1984“ (dieses Mal wirklich) lesen durften, bekamen wir „The Remains of the Day“ vorgesetzt. Die Freude über dieses epische Werk, das die Politikgeschichte des 20. Jahrhunderts im Mikrokosmos eines englischen Herrenhauses zeigt, hielt sich zunächst in Grenzen. Mit der Zeit habe ich aber Gefallen an diesem sehr vielschichtigen Werk und auch an dessen gelungener Verfilmung mit Anthony Hopkins gefunden. Es wäre eigentlich mal wieder an der Zeit für einen Ishiguro …

5. „Achtung, Zeitfalle!“ von Andreas Schlüter

In der Mittelstufe durften wir uns in Deutsch zweimal selbst aussuchen, welches Buch wir behandeln wollten. Beim ersten Mal schlug ich „London, 13. Juli“ von Käthe Recheis vor, einen Roman um eine Gruppe jugendlicher IRA-Kämpfer, beim zweiten Mal „Harriet“, die Tagebuchsammlung und Biographie der Sklavin Harriet Jacobs. Letzteres machte sogar das Rennen im Klassenvotum, aber die Lehrerin fand’s dann sprachlich nicht geeignet.

Egal, jedenfalls „verlor“ ich beim ersten Mal gegen „Achtung, Zeitfalle“, was rückblickend durchaus akzeptabel war. Das Buch lässt sich zusammenfassen als eine Art „Fünf Freunde“ im Cyberspace. Dass es sich bei „Achtung, Zeitfalle“ um den dritten Band der „Level 4“-Reihe handelte, stellte ich wieder mal erst später fest. Ich hab die Vorgänger dann noch nachgeholt und eine Weile gehörten sie zu meinen Lieblingsbüchern. Obwohl ich zugeben muss, mich inzwischen nur noch an wenige Details erinnern zu können. Irgendwas war da mit Italien, Fußball und Cyberspace.

6. „Someone like you“ von Roald Dahl

In Englisch liest man halt schon die besten Kurzgeschichten. In der Oberstufe war meistens Edgar Allan Poe dran, weil unser Lehrer einen Narren an ihm gefressen hatte. In der 10. Klasse behandelten wir hingegen Roald Dahl, nachdem sich unser Lehrer sehr schockiert darüber gezeigt hatte, dass wir „Küsschen Küsschen“ nicht kannten. Klar, das ist bei einer Horde 15-Jähriger natürlich völlig unverständlich. Aber gut, wir haben dann also die skurrilen Geschichten aus „Someone like you“ gelesen und eine Creative-Writing-Einheit drangehängt, in der wir Storys im Dahl-Stil schreiben sollten. Leider ließ mich das glauben, ich sei begabt genug für den Englisch-LK, was rückblickend nicht die beste Idee gewesen war. Aber „Someone like you“ habe ich spätere Englisch-Misserfolge trotzdem nicht übel genommen.

7. „The Tempest“ von William Shakespeare

Eigentlich stand an dieser Stelle „Der rote Seidenschal“ von Federica de Cesco, aber ich bekam ein schlechtes Gewissen angesichts des Mangels an Klassikern in der Auflistung. Und auch wenn ich wie der Rest des Kurses enttäuscht war, dass wir von allen Shakespeare-Stücken ausgerechnet „The Tempest“ lesen sollten – letztlich waren Lektüre und Unterrichtseinheit ziemlich vergnüglich, und ohne sie hätte ich viele Caliban-Anspielungen in der Popkultur nicht verstanden.

***

Soweit zu meiner Schullektüre. Aus der Liste ausgenommen sind übrigens der Französisch- und Lateinunterricht. Ich weiß, dass wir in Latein Livius und Astérix hatten, und ich fand beide gut, aber irgendwie laufen die außer Konkurrenz. Und in Französisch haben wir glaub ich nie einen Roman gelesen, was mich gerade selbst etwas verwundert.

Wie war’s bei euch? Habt ihr auch ein Goethe-Traumata erlebt? Was war eure Lieblingslektüre? Habt ihr in Französisch Romane gelesen?


*Privat habe ich Pausewangs Romane gerne gelesen, aber hm, in der Schule wollte ich sie irgendwie ungerne durchnehmen. Vielleicht zu deprimierend. Ich guck mir auch traurige Filme ungern im Kino oder in einer Gruppe an.
**Der Zweite Weltkrieg wurde mit – wie sollte es anders sein – „Damals war es Friedrich“ (fand ich gut) und „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ (hm … bestimmt sehr wertvoll …) behandelt.