Storytelling-Spiele (1): Mangaka

Storytelling-Spiele (1): Mangaka

7. Juni 2017 3 Von FragmentAnsichten

Geschichten erfinden ist ja ganz toll und so – aber manchmal halt auch recht einsam, wenn man dabei ständig allein vorm Rechner sitzt. Kein Wunder also, dass gerade der geneigte Phantastik-Autor seine Zeit gerne beim Rollenspiel verbringt, wo er nicht allein durchs Dungeon hetzen muss. Aber auch abseits von Pen&Paper & Co. gibt es jede Menge Spiele, die sich zum gemeinsamen Storytelling eignen und dabei nicht gleich ein ganzes Wochenende brauchen, um durchgespielt zu werden. Das über Crowdfunding zustandegekommene „Mangaka“ von Jason Bradley Thompson ist eines davon und zu Unrecht hierzulande noch recht unbekannt. Zeit also, es mal vorzustellen – was, falls der Beitrag ankommt, Auftakt einer Reihe zum Thema soll.*

Na gut, probieren wir es mal. Worum geht es denn?

Du magst keine Mangas? Hey, lauf nicht weg! Auch, wenn du mit Kulleraugen und Lolita-Style nichts anfangen kannst, solltest du nicht gleich reißaus nehmen, nur weil das Spiel „Mangaka“ heißt. Ja, es kommt aus der Manga/Anime-Szene und ja, das merkt man dem Spiel zuweilen an (s. u.). Trotzdem ist es am Spieler selbst, was er aus dem Spiel macht. Daher ist es grundsätzlich für alle interessant, die es schätzen, sich Geschichten auszudenken und diese zeichnerisch darzustellen – unabhängig davon, wie viel Talent für das eine oder andere vorhanden ist.

Mangaka_Cover

Die Box in voller Pracht

Aufgabe des Spiels ist es, ein Comic von zwanzig Panels in vier Runden zu zeichnen. Die erste Stufe beginnt mit zwei Panels, die zweite hat schon vier, die dritte sechs, die vierte acht. Gemeinsam sollen sie eine zusammenhängende Story ergeben. Der Witz dabei: Die vier Runden müssen erstens in einer bestimmten Zeitspanne gezeichnet werden – je nach Schwierigkeitsgrad hat man also 5, 6 oder 8 Minuten pro Runde Zeit, die Panels zu füllen.  Zweitens müssen die Spieler Karten beachten, die ihnen Themen der Handlung und Motive einzelner Panels vorgeben.

Apokalypse im Schwimmbad?

Dafür zieht jeder Spieler zunächst drei Karten. Diese zeigen die obsessions an, die Themen, die sich durch die ganze Handlung ziehen sollen. Im Beispiel muss ich also irgendwie „swimming“, „disasters or apocalypses“ und „fairy tales“ zu einem stimmigen Ganzen verbinden. In der ersten Runde gelingt mir das, außerdem habe ich nur eine Sprechblase und beide Panels sind bemalt. Dafür gibt es fünf Ruhmespunkte (fame).

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Feenfluch_mangaka

Schon Runde 1 enthüllt mein ausgeprägtes zeichnerisches Talent.

Die nächsten drei Runden sind schwieriger. Hier werden zusätzlich zwei bis fünf trends gezogen, Trendthemen, die der Comicautor von heute einbringen sollte, wenn seine Handlung auch Leser finden soll. Teils handelt es sich dabei wie bei den obsessions wirklich nur um Themen oder Motive, die einbezogen werden sollen, teilweise auch um komplette Handlungsanweisungen. Im Beispiel muss ich also in der zweiten Runde die trends „beauty“ und „violence“ einbringen. Je nachdem, wie konsequent ich den Karten folge, gibt es dafür mehr oder weniger fame. Theoretisch kann man die trends auch komplett ignorieren, aber dann bleibt man in der Logik des Spiels halt unbekannt und hat keinen zusätzlichen Ruhm. Nach diesem Ablauf geht es über die vier Runden weiter, wobei es bei Bedarf auch noch Modifikationen gibt. Am Ende gewinnt der Künstler mit dem meisten fame.

trends_mangaka

Nur keine Trends vernachlässigen!

[Btw: Ich habe eingangs gesagt, es sei egal, wie viel Zeichentalent man bei dem Spiel mitbringt. An dieser Stelle muss ich allerdings zugeben, dass es einigermaßen zermürbend ist, vor den zeichnerisch hochbegabten Mitspielern zu argumentieren, weshalb es sich bei dem komischen ovalen Ding im Bild tatsächlich um das geforderte Schwert handeln soll und nicht um eine Aubergine. Je nachdem, wie hart die Mitspieler mit einem ins Gericht gehen, sorgen also auch nicht so ausgeprägte Zeichen- oder  Erzählkünste für weniger fame.]

Generisch, wenn man es zulässt

Anhand einiger trends und obsessions wird schon klar, weshalb das Spiel „Mangaka“ heißt. Viele der (zudem im Manga-Stil gezeichneten) Karten  sind formatspezifisch, wenn es etwa um „maid or butler uniforms“ oder Schuluniformen geht. Andererseits gibt es auch viele Karten, die besonders für Phantastik-Autoren spannend sind. Und selbst, wer das ganze Spiel so realitätsnah wie möglich durchziehen möchte, hat noch genug Karten übrig. Letztlich ist es an den Spielern, in welche Richtung sie gehen wollen, da man Karten bei Bedarf natürlich auch einfach aus dem Spiel rausnehmen kann. Aber ehrlich – am meisten Spaß macht es, wenn man alle drin behält.

Themen_Mangaka

Von Bogenschießen bis Kunst: Alles dabei.

Fazit

Wenn man Spaß am Zeichnen und Erfinden von Geschichten hat, kann man mit „Mangaka“ eigentlich nicht viel falsch machen. Mit einer Spieldauer von maximal 40-50 Minuten lässt es sich gut zwischendurch spielen, man muss nicht gleich einen ganzen Spieleabend dafür reservieren. Die obsessions und ironisch gehaltenen trends machen „Mangaka“ auch bei mehrmaligem Spielen abwechslungsreich, und da es bis zu acht Spieler in Angriff nehmen können,  muss auch selten jemand zugucken.** Sind gerade keine Mitspieler zur Hand, kann man sich sogar alleine im Zeichnen und Erzählen üben.

hard facts zum Abschluss

Bisher ist „Mangaka“ offenbar nur auf Englisch erhältlich, was aber selbst mit rudimentären Sprachkenntnissen kein Problem darstellen sollte. Empfohlen ist es ab 12 Jahren und über die offiziell Webseite wird es für 40 $ verkauft. In Deutschland wird es immer mal auf Messen angeboten.


*Die im Grunde auch wieder nur ein Vorwand ist, diesen Blog endlich auch für Spielevorstellungen zu nutzen.
**Wenn man den beiliegenden Block nicht nutzt und den fame zur Not ohne Plaketten notiert, spricht eigentlich auch nichts dagegen, „Mangaka“ in einer noch größeren Gruppe zu spielen.