Kulturflimmern 2023
So langsam aber sicher nähert sich das Jahresende, womit es Zeit wird für meine Medien-Jahresrückblicke. Der Buchbeitrag wird vermutlich erst knapp vor Ende kommen, aber ich kann mich ja schon mal dem kulturellen Flimmern in Sachen Games, Filmen, Serien, Theaterstücken, Museen und Musik widmen.
Vorsicht, Rundumschlag inkl. Spoilern ahead!
Games: Athla bleibt noch immer Athla
In Sachen Games sind wir schnell durch: Meinem Steam-Rückblick nach hatte ich vierhundert Sessions zur „Age of Wonders 3“, zwei zu „Pillars of Eternity“ und das war’s. Gut, nicht miteinberechnet sind ein paar Casual Games, aber lasst uns nicht kleinlich sein. Bei mehr als 1x „Age of Wonders 3“ am Tag bleibt ohnehin nicht so viel Zeit für anderes. (Zu meiner Verteidigung: Wie ich auf die 400 komme, ist mir selbst ein Rätsel. Vielleicht erklärt sich das durch die Spielabstürze, durch die ich häufiger mal neu laden muss. Jedenfalls gibt es durchaus Wochen, in denen ich gar nichts spiele …)
Viel zu kurz kamen 2023 leider erneut die Brett- und Kartenspiele, was ich sehr schade finde.
Serien: Umtriebige Raumschiffe und glückliche Traumländler
Auch in Sachen Filmen und Serien war ich nicht allzu experimentier- und konsumfreudig. Während der Corona-Hoch-Zeit hat sich eine Online-Watchgroup formiert, mit der ich nach wie vor (fast) jeden Mittwoch etwas aus dem Star Trek-Universum schaue. 2023 war vornehmlich „Star Trek: The Original Series“ nebst darauf aufbauenden Filmen an der Reihe. Das war teils etwas dröge, aber ich habe das Figurenensemble bzw. deren Zusammenspiel im Laufe der Zeit zu schätzen gelernt. Inzwischen sind wie bei „Star Trek: The Next Generation“ angelangt, worin ich die Figuren noch nicht so zu schätzen weiß, aber man versichert mir, es werde besser. Mein Star Trek-Favoriten bleiben bisher jedenfalls „Star Trek: Enterprise“ und das Kelvinverse (ja).
Dass es sich lohne, am Ball zu bleiben, versicherte man mir auch in Sachen „The Orville“ und hier gebe ich entsprechenden Stimmen Recht. Schon in der ersten Staffel gab es einige Folgen und Stellen, die mir gut gefallen haben, z. B. „Sondervorstellung / Command Performance“ oder „Mehrheitsprinzip / Majority Rule“, aber selbst die waren durchbrochen von langen Sequenzen, in denen ich vor lauter Fremdscham nicht weiter schauen wollte. Die zweite Staffel bekommt die Balance zwischen Humor und ernstzunehmender + für sich stehender Space Opera deutlich besser hin. Zudem gefällt mir, wie übergreifende Handlungsbögen und Monster of the Week verwoben werden. Das wertet auch Episoden auf, die mir für sich genommen nicht so gut gefallen haben (z. B. einige der Moclus-Episoden oder die Claire/Isaac-Romanze), die aber im Gesamtkontext definitiv ihre Daseinsberechtigung haben. Ebenso werden Themen unseres Hier und Jetzt einigermaßen zeitgemäß behandelt (aber gib doch mal jemand Kelly ein Haargummi!) und wiederum ist mir die Crew ans Herz gewachsen.
Ansonsten war mein Serienjahr überschaubar: Komplett habe ich mir glaube ich nur die finale Staffel von „Disenchantment“ angeschaut. Das klassische und bemerkenswert versöhnliche Ende hat mich überrascht; aber irgendwo ist das wieder konsequent für eine Serie, die vor allem eins war, nämlich unvorhersehbar. Stellenweise war das alles ganz schön wirr und auf ein paar Figuren (Elfo) hätte ich verzichten können. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, die Serie irgendwann erneut anzuschauen. Sie lebt vom Witz in den Details und in der Hinsicht habe ich beim ersten Gucken sicher vieles übersehen.
Darüber hinaus habe ich vieles angefangen: „Queen Charlotte: Eine Bridgerton-Geschichte“, die finale „Downton Abbey“-Staffel, die aktuelle Staffel von „Dragon Prince“, … Will ich alles irgendwann noch zu Ende gucken, es eilt aber nicht. Ebenso hatte ich mich an „Star Wars: Obi Wan Kenobi“ probiert, nach zwei Folgen aber abgebrochen. War nicht schlecht, aber irgendwie ist das Star Wars-Universum außerhalb der Kinofilme nicht meine Welt, mit Ausnahme höchstens von „The Mandalorian“. Ich empfand Star Wars immer als licht und auf nette Art belanglos. Der oft düstere oder dreckigere Touch jüngerer Veröffentlichungen packt mich hier nicht recht.
Filme: Kleider und Drachen
Apropos „packt mich nicht recht“: Auch beim MCU habe ich inzwischen den Anschluss verloren. 2023 habe ich noch ein paar Phase-4-Titel nachgeholt, die gut („Black Panther 2“) bis mittelmäßig („No Way Home“) waren, und mich dann mit „Guardians of the Galaxy 3“ im Kino gelangweilt. Sorry, aber für mich ersetzen traurig in die Kamera guckende CGI-Tierchen keine Handlung.
Ein weitaus lebendigerer Kinobesuch war „Im Taxi mit Madeleine“ im Open-Air-Kino am Koblenzer Moselufer. Sicher trägt das Ambiente hier eine Mitschuld dafür, dass mir der Abend in so guter Erinnerung geblieben ist, aber so oder so ist der kurzweilige und überraschend ernste Film eine Empfehlung wert!
Gut gefallen haben mir darüber hinaus „Oppenheimer“, der herrlich abstruse „Asteroid City“, und auch „Dungeons and Dragons: Ehre unter Dieben“, was den marvelschen Spagat zwischen Selbstironie und ernstzunehmenden Figuren gut gemeistert hat. Zur Vorbereitung hatte ich mir zuvor die ersten drei D&D-Filmversuche mit Skalpell und Katzenklaue-Peter zur Gemüte geführt. So mies wie ihren Ruf finde ich höchstens den dritten Teil; der erste hat nostalgischen Trash-Charme, und der zweite funktioniert als Abenteuer-Buddy-Low-Budget-Filmchen ohnehin ganz gut.
Außerhalb des Kinos konnte ich Filmen mit immensen Kleidern in Regenlandschaft viel abgewinnen: „Sinn und Sinnlichkeit“ bietet alles, was man sich von der Kombination aus Ang Lee und Jane Austen nur wünschen kann, und „Little Women“ stimmt mich stets aufs Neue nachdenklich.
In eine ganz andere Richtung ging Mark Mylods „The Menu“ aus 2022, was ich mir an Halloween angeschaut habe. Sehr stylischer Film mit originellem Setting und überzeugender Besetzung, dem ein paar Szenen weniger gleichwohl gut getan hätten. Style, eine überzeugende Besetzung und darüber hinaus eine ansprechende Bildaufteilung bot ähnlich Kenneth Branaghs „Tod auf dem Nil“. Bisher gefallen mir Branaghs Neuinterpretationen gut, ich hoffe demnächst „A Haunting in Venice“ nachholen zu können.
Aus „zeitgeistiger Sicht“ erwähnenswert finde ich auch die Netflix-Romanverfilmung „Purple Hearts“, weil sie den Versuch gewagt hat, Diversity-Themen und eine Militärromanze in Einklang zu bringen und daran gescheitert ist. Nicht haushoch – der Film ist recht unterhaltsam. Aber irgendwie ist er ein unfreiwillig unangenehmes Vergnügen, weil er sich so bemüht, alles richtig zu machen, und sich dabei selbst im Weg steht. Sinnvoller wäre es gewesen, sich auf ein oder zwei Themen zu beschränken, anstatt den Film so zu überfrachten. Beispielsweise wurde die chronische Erkrankung (Diabetes) der weiblichen Hauptfigur ausgewogen in die Handlung integriert, während ihr Hardcore-Feminismus oder die Suchterkrankung der männlichen Hauptfigur lustlos „draufgeklatscht“ wirkten. Was letztlich weder dem Film noch den Themen hilft.
Noch mehr Film-bezogenes findet ihr in meiner Besprechung zu „I’m (Endless Like the Space)“ aus dem Januar. Morgen gehe ich voraussichtlich noch in „Wonka“, woran ich bisher schlicht gar keine Erwartungen stelle. Ich weiß nur, dass er was mit „Charlie und die Schokoladenfabrik“ zu tun hat, dass Timothée Chalamet mitspielt und es ein Musical ist. Und in Sachen Musical können wir dann prima überleiten zum …
Theater: Woody Allen und Musicals
In London habe ich mir im Frühjahr „The Phantom of the Opera“ angeschaut. Darauf habe ich seit 25 Jahren gewartet und in der Zeit hat sich einiges an Erwartungsdruck aufgebaut. Dem hat die Aufführung standgehalten, aber da ich die Lieder in- und auswendig kenne und das Musical eine Dauerproduktion ist bzw. war, war der Abend auch überraschungsarm.
Gänzlich ohne Erwartungen bin ich hingegen in den Ballettabend „BWV 1052 / Le Sacre du Printemps“ (Theater Koblenz) gegangen, der viel Raum für Interpretation bot. Mein Highlight war jedoch im Januar die humor- und ideenreiche Woody-Allen-Aufführung „Broadway Danny Rose“ im Staatstheater Saarbrücken. Inhaltlich in eine ähnliche Richtung geht das Sondheim-Musical „Company“, das noch bis Mai 2024 im Theater Koblenz läuft. Den Witz von „Broadway Danny Rose“ erreicht es aber nicht und die episodenhafte Geschichte hat einige Längen. Kudos jedoch fürs Bühnenbild!
Museen: Science Fiction und Pusteblumen
Ins Museum hat es mich 2023 nicht ganz so oft gezogen wie im Vorjahr, gleichwohl gab es wieder einiges zu sehen: In London habe ich die „Voyage to the Edge of Imagination“-Ausstellung im Science Museum besucht, außerdem war ich dort im Tate Modern und kurz zuvor im K21 in Düsseldorf. Das erwähne ich deshalb in einem Satz, weil hier wie dort gerade Jenny Holzer ausgestellt hat. In London durfte man sich auf ihre Skulptur-Bänke setzen, in Düsseldorf nicht. Trotzdem fand ich die Ausstellung in Düsseldorf bezogen auf Holzer stimmungsvoller, da die dunklen Hallen im Untergeschoss die Beklemmung besser getragen haben. Architektonisch war jedoch beides faszinierend, und im Tate gibt es natürlich noch viel mehr als Holzer zu sehen. Das K21 wiederum hat im Dach die Dauerinstallation „in orbit“ von Tomás Saraceno zu bieten, die für sich schon den Besuch wert ist.
Architektonisch bemerkenswert ist ebenso das Arp Museum im Bahnhof Rolandseck, das quasi auf mehreren Ebenen in den Berg hinein gebaut und durch Tunnel und Aufzüge verbunden ist. Die Dauerausstellung behandelt das Werk von Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, daneben gibt es meist mehrere Sonderausstellungen. Noch bis 21. Januar läuft z. B. eine zu Christiane Löhr, die organische Materialien wie Pusteblumen (!) für ihre abstrakten Werke nutzt. Sonder- wie Dauerausstellung sind den Besuch definitiv wert. Erwähnenswert sind darüber hinaus die explizit illustrierten Toiletten des ehemaligen Künstlerbahnhofs, die von Stephen McKenna gestaltet wurden. Diese befinden sich außerhalb des Museums im öffentlichen Bereich – falls also mal jemand mit der Mittelrheinbahn in Rolandseck strandet, unbedingt pinkeln gehen!
An die Toiletten der Kunsthalle Kiel habe ich keine spezifischen Erinnerungen, die dortige Ausstellung „Wildes, Wüstes, Wunderschönes“ hat mir aber die wunderbar detailreichen Gemälde von Anita Albus nähergebracht. Die „From Texture To Temptation“-Ausstellung in der Stadtgalerie Kiel bot keinen ganz so leichten Zugang, gleichwohl einige interessante Werke.
In gar offizieller Mission – ich hatte dort einen Arbeitstermin – hat es mich dieses Jahr außerdem nach Karlsruhe ins Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) verschlagen. Allzu viel Zeit blieb mir hier zwar nicht für die Ausstellungen, ich konnte aber einen kurzen Blick in die Kunst-trifft-auf-Wissenschaft-Schau „Renaissance 3.0“ (läuft bis 25.02.2024) und die Dauerausstellung „zkm_gameplay. The next level“ werfen. Letzteres wirft einen Blick auf die Entwicklung des Mediums Game und besticht vor allem dadurch, dass man hier viele Spiele selbst ausprobieren kann. Noch bis 7. Januar ist eine sehenswerte Ausstellung rund um Spiele und Architektur integriert.
Und schließlich darf in dieser Aufstellung die „Surreal Futures„-Ausstellung des Max Ernst Museums nicht fehlen, die noch bis 28. Januar 2024 besucht werden kann. Im Zentrum stehen hier digitale und mediale Kunstformen von dreißig verschiedenen Künstler*innen. Für Science-Fiction-Interessierte aus der Umgebung ist die Ausstellung quasi ein Muss, in die Tiefe geht sie jedoch nicht. Meine drei Favoriten aus der Ausstellung: Justine Emards Traumarchitekturen, Camilo Sandovals immersive Rauminstallation „Desert Future Knowledge“ und das VR-Werk „Terraforming CIR“.
Konzerte: Pink Floyd und Dark Wave
Abschließend noch der Blick auf mein nicht sehr ausgeprägtes Konzertleben: Im Frühjahr war ich als Begleitung auf einem Konzert der Pink-Floyd-Coverband Interstellar Overdrive. Ich bin zwar kein erklärter Pink-Floyd-Fan, aber allein für die knappe halbe Stunde „Echoes“ hat sich der Besuch schon gelohnt.
Im Juli habe ich es dann endlich mal aufs Amphi Festival geschafft, wenngleich „nur“ mit einer Tageskarte für den Samstag (wodurch ich leider sowohl Combichrist als auch Lord of the Lost verpasst habe). Ich war vornehmlich für Deine Lakaien dort, habe aber vor Ort Bands wie S.P.O.C.K. oder Vanguard für mich entdeckt. Ohnehin hat mir das Festival gut gefallen, dem Dauerregen zum Trotz (da macht man sich wochenlang Gedanken ums Outfit und geht am Ende im Regencape). Sicherlich war das nicht mein letzter Besuch dort.
Ob es schon 2024 wieder so weit ist, weiß ich allerdings noch nicht. Fest eingeplant sind bisher ein Blind-Guardian-Konzert und die Klimt-Multimedia-Ausstellung in Ludwigsburg. Ansonsten – schauen wir mal, was das Jahr so bereithält!