Juliansichten 2016

1. August 2016 5 Von FragmentAnsichten

Sind wir noch Träumer …

Es ist im Moment schon seltsam mit den Phantastik-Autoren. Auf der einen Seite haftet ihnen immer noch dieses Infantile, Eskapistische an. Geklagt wird viel über die damit einhergehenden Vorurteile – auch Autorin Bianca M. Riescher („Mitternachtsrot“) kann ein Lied davon singen. Anstatt sich aber in Selbstmitleid und der üblichen Überhöhung des Phantastischen zu suhlen, leistet sie seit einigen Wochen Aufklärungsarbeit, indem sie nach und nach das Genre und dessen Schubladen erklärt. Ob das allzu viele Externe lesen, sei mal dahingestellt, aber es schadet ja auch nicht den „Internen“, sich beispielsweise gemäß dem Juliartikel noch einmal zu Gemüte zu führen, was es mit Low Fantasy eigentlich auf sich hat.

… oder schon aufgewacht?

Auf der anderen Seite nehme ich eine zunehmende Tendenz dazu wahr, Phantautoren* zum politischen Weltgeschehen zu befragen. Vorausgesetzt, sie schreiben Science Fiction oder etwas, was sich irgendwie darunter fassen lässt. Oder sie sind Russen. Im Idealfall kommt beides zusammen und mit etwas Glück führt das dann sogar zu Erkenntnissen wie dieser, die einen noch nicht komplett am Verstand der Menschheit zweifeln lassen:

[…] inzwischen dient das Netz als Informationsumgebung nicht mehr der Verbreitung der Wahrheit. Das Gegenteil nimmt überhand: irrelevante, unbegründete, verrückte „Wahrheiten“ […]. Information kann überall entstehen […] Wenn es irgendwo um eine wichtige Frage geht, dann wird die Wahrheit mit alternativen, verschwörerischen Versionen regelrecht überladen.

Let’s talk about utopia

Und wo wir ja gerade irgendwie bei der dystopischen Seite von Sozialismus und Stuff sind, kommen wir noch zu dessen Utopie, dem Star Trek-Kommunismus. Star Trek ist mein blinder Geek-Fleck, aber ich habe mir erst vor wenigen Mails von einem Freund vom dortigen Wirtschaftssystem vorschwärmen lassen. Der Traum von einem funktionierenden Kommunismus ist ein schöner, gleich in welchem Universum er angesiedelt ist – aber ich traue der Menschheit derzeit ein so kosmopolitisches Denken nicht zu. Andererseits hat sie mich in den letzten Monaten oft genug negativ enttäuscht, dass ich langsam anfangen sollte, auch an die positiven Überraschungen zu glauben. Auf meine Einschätzungen ist offenbar kein Verlass mehr.

Zurück zur Realität

Kommen wir aber auf den Boden der Tatsachen zurück. Hier müssen sich Fantasy-Autoren zuweilen mit den Tücken ihres Genres auseinandersetzen, denen sich im letzten Monat Bruno E. Thyke gewidmet hat. Mein persönliches Highlight war da zuletzt die Frage, ob es überhaupt Sinn gibt, wenn im Space-Fantasy-Setting jemand ermahnt wird, kein Wasser zu verschwenden, obwohl dort gar keine bekannte Knappheit an dem Rohstoff besteht …

Im Juli gab außerdem das Nautilus-Magazin bekannt, nicht mehr an seiner Print-Ausgabe festzuhalten. Beständigkeit zeigte dafür wieder der FeenCon, der dieses Jahr zwar etwas abgespeckt und besucherarm daherkam, dadurch aber umso mehr wie ein phantastisches Familientreffen wirkte.**

Jörg Raddatz verstorben

Wie der Uhrwerk Verlag bekannt gegeben hat, ist am 15. Juli der Autor und Übersetzer Jörg Raddatz verstorben, der vor allem DSA-Lesern und -Spielern ein Begriff sein dürfte. Für die Romanreihe des Systems verfasste er mehrere Romane, teilweise gemeinsam mit seiner Ehefrau Heike Kamaris. Zudem war er lange als Chefredakteur der Myranor-Spiellinie tätig.

Mit den Juliansichten verabschiedet sich der Blog in eine kurze Pause, ehe es mit der nächsten Ausgabe von „Früher war alles anders“ weitergeht.


* Ich bin mir noch nicht sicher, ob sich dieser Begriff durchsetzten wird. Er klingt nach Limonadenwerbung oder Fanta4. Vielleicht besser Phautoren?
** An dieser Stelle sollten eigentlich Fotos der FeenCon folgen, aber … die werden nachgereicht.