Novemberansichten 2015

30. November 2015 5 Von FragmentAnsichten

Ich hatte erwartet, der November würde ruhig werden in Sachen Phantastik. Ein nicht unerheblicher Teil der Autorenschaft war schließlich mit dem Zählen von Wörtern und gelegentlichen Nervenzusammenbrüchen beschäftigt, die Wochenenden haben mit zahlreichen Cons und Messen gelockt und wenn man davon mal absieht, gab es diesen Monat ja auch anderes, was die Köpfe der Leute beherrscht hat.

Aber nun, ich habe mich geirrt. Vielleicht liegt es an den Jahresende-Blockbustern oder daran, dass diverse Blogs aufholen mussten, nachdem der Oktober für FraBu* und BuCon geblockt war. Jedenfalls sind mir so viele diskutierenswerte Artikel über den Weg gelaufen, dass ich dieses Mal nicht alle erwähnen kann, die ich eigentlich für die Monatsansichten gesammelt hatte. Vieles würde auch eigene Blogbeiträge rechtfertigen, aber es besteht so eine *leichte* Divergenz zwischen geplanten und tatsächlich veröffentlichten Posts, also … höre ich auf, um den heißen Brei drumrum zu reden und fange an.

Viel ConKurrenz vor dem Winterschlaf

Bevor sich die Consaison in den Winterschlaf verabschiedet, hat der November noch einmal einiges aufgefahren. Gleich zu Anfang stand die RingCon, die für sich in Anspruch nahm, Europas größte Fantasy-Convention zu sein.** Tjoa, nun soll allerdings erst einmal Schluss sein. Trösten können sich die Fans des Gerüchten zufolge sehr (zu?) familiären Events aber ja noch mit HobbitCon, Comic Con Germany und FedCon. (So schlecht kann es nicht um den deutschen Fandom stehen, wenn sich drei von diesen MediaCons lohnen.)

Und was das Ende der einen, ist die Geburt der anderen Veranstaltung: Am 21. November fand nämlich erstmals die Kitty Moan Convention in Langenfeld statt.

Konkurrenz gab es weiter südlich durch den allseits beliebten DreieichCon, bevor eine Woche später die Buch Berlin ihre Tore öffnete. Da habe ich samstags sogar für drei Stündchen vorbeigeschaut, spare mir aber ausnahmsweise den Event-Bericht und mache es kurz: Schöne Location, leider mies ausgeschildert und die Raumaufteilung hatte auch ihre Tücken (die armen Verlage im Erdgeschoss!). Wie schon letztes Jahr erschien mir die Messe aber überdurchschnittlich gut besucht. Hatte leider auch zur Folge, dass es stellenweise recht eng war, aber hey, ich hab auch die FraBu überlebt. Auf menschlicher Ebene war’s eh knorke, ich durfte Bücher signieren (Egopush!) und man konnte die ersten E-Coupons für Spielende Götter kaufen. Schöne Veranstaltung also und doller Berlin-Trip.

Bissl weiter weg, drüben im Bundesstaat New York, fand Anfang des Monats außerdem die World Fantasy Convention 2015 statt, auf der wie üblich die World Fantasy Awards verliehen wurden. Irgendwie war das aber eher Nebensache angesichts der Neuigkeit, das sich die Gewinner in Zukunft keinen Lovecraft-Kopf mehr in die Vitrine stellen können. Damit reagierten die Veranstalter auf die anhaltende Kritik angesichts Lovecrafts rassistischer Tendenzen. Da mein Wissen über dessen Werke eher gering ist, verweise ich an dieser Stelle auf Peter Schmitts Artikel zum Thema.

Abseits des ConSums*** ging außerdem die Ausstellung Star Wars Identities zu Ende, um sich gen Wien zu begeben. Meinen Bericht dazu findet ihr hier. Und ich widerstehe der Versuchung, noch ein wenig auf die aktuelle Star Wars-Manie einzugehen. Dieser Post droht ohnehin schon ziemlich lang zu werden.

Don’t judge a movie by its trailer?

Wenden wir uns stattdessen anderen Franchises zu. World of Warcraft zum Beispiel. Eigentlich sollte ja Ende des Jahres der erste Film zum MMORPG herauskommen, aber da die Konkurrenz hardcore gewesen wäre, wurde er auf nächsten Sommer verschoben. Der November hat uns aber zumindest schon einmal den ersten Trailer und die erneute Bestätigung gebracht, dass Computerspielverfilmungen irgendwie eine miese Idee sind. Nun, hoffen wir auf Assassin’s Creed. Ich sag nur – Michael Fassbender!

Um bei einem Trailer ungläubig lachen zu können, braucht es aber keine Computerspielverfilmung. Da reicht schon ein Fantasy-Mythen-WTF-Staraufmarsch im Stil von Gods of Egypt.

Nicht, dass man es einem millionenschweren Projekt nicht verzeihen könnte, wie ein B-Movie auf Pilzen daherzukommen. Nur – da ist ja noch diese Sache mit dem Whitewashing.

Whitewashing oder Was tun, wenn halt alle Stars weiß sind?

Dass selbst Rollen, deren „weiße“ Besetzung in historisch-geographischer Hinsicht wenig Sinn ergibt, mit weißen Schauspielern besetzt werden, ist kein neues Phänomen. Die Debatte dazu auch nicht, allerdings habe ich den Eindruck, dass sie in letzter Zeit wieder mehr Filme getroffen hat – beispielsweise Pan, Gods of Egypt oder sogar Stonewall.

Gerne zitiert wird in diesem Zusammenhang Ridley Scotts Reaktion auf die Whitewashing-Kritik an Exodus: Ohne bekannte Schauspieler wäre ihm eben nicht der Dreh mit dem benötigten Budget möglich gewesen. Und bekannte Schauspieler sind demnach offenbar alle weiß. Ein Kreislauf, an dem man natürlich unmöglich etwas ändern kann!

Wahrscheinlich hat Scott mit seiner Einschätzung sogar recht. Dass Whitewashing aber auch alles andere als ein Erfolgsgarant ist, zeigt eine tolle Auflistung, die ich an dieser Stelle verlinken wollte, beim besten Willen aber nicht mehr ergoogeln kann. Also – dass das kein Erfolgsgarant ist, zeigen gefloppte Blockbuster wie Pan, The Last Airbender oder Prince of Persia.**** Die Gründe für den jeweiligen Misserfolg sind sicher vielfältig und nicht auf die fehlende Diversität reduzierbar. Aber dass extremes Whitewashing in Zeiten des Internets nicht gerade zu positiver Publicity führt, sollte eigentlich inzwischen beim ein oder anderen Produzenten angekommen sein. Aber während sich Lionsgate noch entschuldigt, wird Ghost in the Shell weiterhin mit Scarlett Johansson in der Hauptrolle produziert.

Zurück zum Optimismus?

Bei Ghost in the Shell sind wir nicht weit vom Cyberpunk entfernt und bei diesem Stichwort kann ich geschickt Schleichwerbung einbauen. Heute erscheint nämlich mein Roman Spielende Götter bei ohneohren, der ein bisschen Richtung Cyberpunk und Dystopie geht.

Allerdings – brauchen wir überhaupt noch mehr Dystopien? Also, ich hoffe sehr, dass ihr zumindest diese braucht (und am besten auch noch die, die ich 2016 bei Amrûn veröffentliche), aber in einem eingehenden Artikel von The New Republic über Kim Stanley Robinson und das Genre des Solarpunks wird die Frage aufgeworfen, ob die Science Fiction nicht den Utopien mehr Raum geben sollte. Für Dystopien brauchen wir schließlich keine Fantasie mehr – gewissermaßen leben wir sie bereits jeden Tag, die Zeitungen sind voll von ihnen. Dystopien sind insofern „nur“ Wiedergabe und Verschriftlichung von Zeitgeist. Utopien sind da herausfordernder und vielleicht auch wünschenswerter. Denn „to build a better future we have to first imagine it“, so Jeet Heer, der Verfasser des Artikels.

Eine schöne Idee, nicht wahr?  Auch Hollywood ist die Welt offenbar zu dystopisch geworden und hat daher bereits reagiert – meint jedenfalls völlig unabhängig vom New Republic-Artikel Alexander Matzkeit in einem Blogartikel, in dem er auch direkt einige Schwachstellen der „neue[n] Optimismuslobby“ herausstellt. U.a. verweist er dabei auf Henry Jenkins Überlegungen zum „Cyberpunk Moment“, die ja einige Monatsansichten früher hier auch schon mal erwähnt wurden.

Was Matzkeit kritisiert und meiner Meinung nach nicht mit Optimismus verwechselt werden sollte, ist die konservativ-romantische Naivität, die hinter manch utopischer Idee steht. Ich finde es großartig, wenn Menschen Literatur dazu nutzen, Utopien zu wagen. Scheiß egal, was Henry Jenkins glaubt, was die Aufgabe der Science Fiction sei – wenn ihr Solarpunk schreiben wollt, wenn ihr eine Idee habt, wie die Menschheit noch zu retten ist, dann her damit!

Aber bitte versinkt dabei nicht in konservativen Idealen. Träumt nicht davon, die Welt könne ein besserer Ort sein, wenn sie nur vom richtigen Mann oder der richtigen Frau regiert würde. Suggeriert nicht, eine intakte Familie könne jedes Problem heilen. Träumt nicht vom einen großen Richtig. Sonst kommt so ein Mist wie die letzte Szene aus der Mockingjay II-Verfilmung raus, die die Botschaft der Bücher zugunsten eines unnötigen Kitschendes verrät. Hollywood, ey. Sonst eigentlich eine gute Verfilmung und ein solides Finale. Wenn nur nicht … aaach. Ich schweife ab.
Macht einfach die Augen auf. Aber nicht zu weit, sonst kommt doch wieder eine Dystopie raus.

Die Worte zum Dezember

Ganz schön apokalyptisch ginge es auch zu, wenn es tatsächlich Vampire gäbe. Zumindest den meisten gängigen Untotenmodellen nach gäbe es dann nämlich ziemlich schnell keine Menschen mehr. Sagt jedenfalls die Mathematik. Simon Spiegel wiederum sagt, dass Interstellar misslungen sei. Kann man sich halt bei fragen, ob er die richtigen Erwartungen an einen Sci Fi-Blockbuster stellt, Nolan hin oder her (ich hatte mir aber auch mehr davon versprochen). Und Gail Z. Martin ist der Auffassung, der Autor der Zukunft werde sowohl Publikums-, als auch Kleinverlage und Selfpublishing für sich nutzen. Ich denke, da könnte er recht haben. Zuletzt noch der Hinweis zu Stefan Arbes‘ Stellungnahme angesichts der Aufregung über seinen Versuch, Steampunk als Wortmarke eintragen zu lassen. Lol.

Für eure Aufmerksamkeit bedankt sich Alessandra, die euch darüber hinaus einen schönen Hüpfer in den Dezember wünscht. Backt Plätzchen und passt auf die Kerzen auf!

* Hm, das gefällt mir. Können wir uns bitte auf diese Abkürzung einigen? Danke.
** Die RPC hat sich zeitweise wiederum als „weltweit größtes Fantasy-Event“ oder sowas in der Richtung bezeichnet. Mysteriös.
*** So viele schöne Wortspiele!
**** Find ich im Falle von Prince of Persia übrigens ziemlich schade. War eigentlich ein Beispiel für eine gelugene Gameverfilmung.