Herbstansichten 2024

Herbstansichten 2024

9. November 2024 0 Von FragmentAnsichten

Spät kommen die Herbstansichten. Denn ich habe sie schlicht vergessen. Ich habe zwar brav Links gesammelt, aber dass dazu auch ein Text folgen sollte, ist mir unter anderen Deadlines und meinem Geburtstag Ende Oktober untergegangen. Und dann kamen noch zwei Apokalypsen dazwischen, aber das hält mich heute nicht von der Beschäftigung mit Phantastik ab.

Mädchenfigur, von hinten zu sehen, in einem Herbstwald
Herbstliche Vibes heute von Kurumios
(„The Girl in the Mysterious Forest“ unter CC BY NC ND 3.0 von Kurumios via DeviantArt)

Die letzten drei Monate waren veranstaltungsreich. Für mich standen die Wetzlarer Tage der Phantastik, die Buchmesse in Frankfurt, der BuCon und vorletzten Sonntag noch die sehr erfolgreiche erste Ausgabe der Koblenzer Buchmesse auf dem Programm. Aber auch sonst fand einiges statt, etwa der WorldCon in Glasgow, der EuroCon in Rotterdam, die Dragon Days, die TimeLash, die Krähenfee, der Elstercon, die MagicCon u. v. m. Einige dieser Events gingen mit weiteren News einher: Auf dem ElsterCon wurden die bereits im Sommer bekanntgegebenen KLP-Preistragenden ausgezeichnet, auf dem WorldCon die Hugos verliehen, auf dem EuroCon die ESFS Awards. Die ESFS-Auszeichnung fürs Best Magazine ging dabei nach Deutschland, konkret an die phantastisch!. Die Delegiertenrolle, die für Deutschland zuletzt bei Robert Corvus lag, ist an Claudia Rapp weitergegeben worden, zugleich Mit-Organisatorin der Metropolcon, die 2026 EuroCon wird und das Event entsprechend nach Berlin holt.

Auf dem BuCon wiederum wurden neben den Con-eigenen Ehrenpreisen (u. a. an Ju Honisch fürs Lebenswerk) die Gewinnertitel der Literatur-Runde der vorerst letzten Ausgabe des Goldenen Stephans bekanntgegebn. Und auf der Frankfurter Buchmesse hat PAN e. V. noch die diesjährigen Gewinner*innen des Stipendiums ausgezeichnet, namentlich Juli Pieper (Debüt), Iris Leonard (Roman), Jacqueline Kayser (Kinder- und Jugendbuch) sowie Marcel Alber (Horror).

Verspätet wurden dann noch die Nominierungen für den diesjährigen Deutschen Science Fiction Preis (DSFP) bekanntgegeben: Für die Kurzgeschichten-Kategorie dürfen sich Christian Endres, Uwe Hermann, Michael Schneiberg, Lisa Jenny Krieg, Karsten Lorenz, Sarah Mann, Aiki Mira, Jol Rosenberg, Yvonne Tunnat und Charline Winter mit ihren Texten Hoffnungen machen. Für „Bester Deutschsprachiger Roman“ sind Emma Braslavsky („Erdling“), Sven Haupt („Niemandes Schlaf“), Ralph Alexander Neumüller („Das Stoffuniversum“), Phillip P. Peterson („Janus“) , Lena Richter („Dies ist mein letztes Lied“), Mark Taler („Omniworld“) und Tom Turtschi („Die blauen Hunde von Lop Nor“) im Rennen. Und last but not least sei erwähnt, dass auch die diesjährige Longlist der SF-Lit Awards aufgestellt wurde.

Weniger schöne Neuigkeiten gibt es aus der Verlagswelt: Hier hat Grit von Art Skript Phantastik verkündet, den Verlag aus gesundheitlichen Gründen zum Ende des Jahres zu schließen. Eine verständliche Entscheidung, aber der Verlag wird eine Lücke hinterlassen. Indem hier 2013 mein Debütroman „Vor meiner Ewigkeit“ veröffentlicht wurde, war Art Skript Phantastik für mich ein wichtiger Wegbereiter in die Verlagswelt, und auch vielen anderen Schreibenden wie z. B. Markus Cremer oder Katharina Fiona Bode bot er die Möglichkeit für den sprichwörtlichen Fuß in der Veröffentlichungstür. Grit selbst bleibt der Szene aber erhalten: U. a. ist sie weiterhin Teil des Orgateams der MetropolCon.

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Einer der Schwerpunkte des Verlags war Dark Fantasy im Sinne der Gothic Fantasy. Und der hat Mary Stormhouse kürzlich einen Artikel spendiert (indem Mary sie wiederum zur Dark Fantasy im Sinne des Grimdark abgrenzt). Zur Lage der Progressiven Phantastik machte sich derweil der Genderswapped-Podcast gleich mehrfach Gedanken (Blindempfehlung, muss die Folgen noch anhören).

Von mir sind genretechnisch drei Beiträge zu Climate Fiction und Solarpunk erschienen: Auf TOR Online gab es anlässlich der Veröffentlichung von Theresa Hannigs „Parts Per Million“ einen Überblick zu den unterschiedlichen Blickwinkeln auf Climate Fiction. Ich habe mich lange davor gedrückt, einen Genre-Beitrag zur Climate Fiction zu schreiben, weil hier ähnlich wie im Magischen Realismus das Verständnis der Spielart stark variiert, je nachdem ob man mit der Brille der Szene oder der allgemeinen Belletristik darauf schaut. Dass beides zusammenfließt, liegt sicher auch daran, dass sich Climate Fiction kaum mehr wie Phantastik anfühlt – was ebenfalls einer der Fokuspunkte des Artikels ist.

Zur 7. Ausgabe des Future Fiction Magazine habe ich zudem einen Übersichtsartikel zum Solarpunk beigetragen. Der Rest der Ausgabe widmet sich ebenfalls dem Solarpunk als Schwerpunktthema. Ich freue mich, dass auch S. B. Divyas „Auf Biegen ohne Brechen“ enthalten ist. Die Übersetzung nun habe ich noch nicht gelesen, das Original aus der „Cities of Light“-Anthologie halte ich aber für eines der empfehlenswertesten Beispiele des literarischen Solarpunk. Offen gestanden habe ich noch nicht allzu viele Solarpunk-Geschichten entdeckt, die mich im Gesamtpaket überzeugt hätten. Aber diese schafft es vergleichsweise gut, die ideellen Ansprüche mit einer Erzählung zu verbinden, und obwohl diese optimistisch ist, klammert sie nicht einhergehende Probleme aus.

In einer knappen Woche, am 16. November, findet in Bochum die aus dem Frühjahr verschobene Klimafiktionen-Tagung statt, wo ich mit Don Kringel ein Panel zur Solarpunk-Ästhetik bestreiten werde. Im Begleitband zur Veranstaltung ist eine weitere Solarpunk-Einführung enthalten, die kürzlich vorab auf Demokratischer Salon veröffentlicht wurde. Eine Menge Einführungen also …

Etwas tiefer in die Thematik bin ich Mitte des Jahres im Rahmen der „Near Future“-Ausgabe des PHANTAST (#29) eingestiegen, worin ich auch mehr auf meine bei allen Sympathien bestehende Kritik am (Far-Future-)Solarpunk eingehe. Chronologisch ist dieser Beitrag nach dem zu den Klimafiktionen entstanden, den ich bereits Ende letzten Jahres geschrieben hatte. 2024 hat sich die internationalen (Literatur-)Solarpunk-Community meinem Empfinden nach stärker der Selbstreflexion und -kritik geöffnet, was ich als Merkmal einer lebendigen Bewegung auffasse.

Noch mehr Solarpunk gefällig? Einen Blog zur Bewegung hat kürzlich @lex@floe.earth eröffnet, eine der wohl umtriebigsten Stimmen der deutschsprachigen Community auf Mastodon.

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Ansonsten: Jasper Nicolaisen machte sich Gedanken über Fantasy, Sprache und Genre. Auf Skalpell & Katzenklaue widmet sich Peter aktuell in noch epischerer Breite als sonst dem Film „Valerie und ihre Woche der Wunder“. Weitere Epik – in drei Teilen – findet sich auf TOR Online, wo sich Markus Mäurer den Stand der Epic Fantasy besah. Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet ein Dossier zu Politik und Gesellschaft im Fantasyfilm. Bree Bridges schrieb über Dragon Romances. Und Utah hat verschiedene Phantastik-Titel aus Schulbüchereien verbannt, womit wir dann auch zurück in der Realität wären.

Ich hoffe mich einigen anderen Themen noch mal ausführlicher widmen zu können, aber seien wir ehrlich, aktuell stehen Ideen und Umsetzung mal wieder in einem wenig ausgeglichenen Verhältnis. Parallel versuche ich den Blog außerdem umzuziehen, da mich die Einschränkungen durch wordpress[.]com zunehmend nerven. Aktuell ist das noch eine große Baustelle, mal sehen, wann es soweit ist und ob ich es hinbekomme, dass die alten Links nicht im Nirvana landen. Stay tuned …

Man liest sich.