Science Fiction: Voyage to the Edge of Imagination
Ein Bericht.
Eine KI, die an Bord eines Raumschiffs die Mission verfolgt, sich ein Bild vom Wesen der Menschheit zu machen: Aufbauend auf dieser Ausgangslage hat das Science Museum London eine Ausstellung erdacht, die zum einen einen Überblick über die Entwicklung des Genres geben, zum anderen die Science in der Fiction näher beleuchten will.
Als ich in einem Tweet von Rachel Cardasco das erste Mal von der Ausstellung gelesen habe, hatte ich nicht erwartet, sie tatsächlich besuchen zu können. Kurzfristig hat sich nun aber doch die Gelegenheit ergeben, und so kann hier ein kurzer Bericht folgen:
Das Science Museum, direkt neben dem National History Museum gelegen, ist wie viele der öffentlichen Museen in London kostenfrei. Für Sonderausstellungen wie „Voyage to the Edge of Imagination“ muss man allerdings kostenpflichtige Zeitslot-Tickets kaufen; bei mir fielen dafür 15 £ an, es gibt jedoch Ermäßigungen für verschiedene Personengruppen und bei meinem Ticket waren noch 1,50 £ Spende ans Museum inkludiert.
Zu Anfang des Besuchs geht es ins Shuttle des Raumschiffs Azimuth. Hier wird man von der KI A.L.A.N.N. begrüßt, die einen ab sofort durch die Ausstellung begleitet. A.L.A.N.N. möchte mithilfe von Science-Fiction-Werken Erkenntnisse darüber erlangen, wie es um das Wesen der Menschheit und deren Zukunft steht.
Durch die reich ausgestalteten Ausstellungsräume hindurch kann man immer wieder kurze Clips anschauen, in denen A.L.A.N.N. in sechs verschiedene Themenfelder (bzw. human observations) einführt. Aber auch Videos mit Expert*innen kommen zum Einsatz, außerdem gibt es Requisiten und Repliken, ausgestellte Sachbücher, Romane und Comics, Filmausschnitte, Kunstperfomances und Illustrationen, die via Infoschild oder -grafik in den jeweiligen Kontext eingeordnet werden. Interaktives Herzstück jedes Raums sind Displays, an denen man z. B. Lichtgeschwindigkeit aktivieren, die eigene Cyborgisierung untersuchen oder aus Auswahlfeldern eine eigene CliFi-Handlung kreieren kann.
Anfangs werden vor allem Klassiker der SF als Beispiele herangezogen: H. G. Wells, Georges Méliès, Jules Verne, Star Trek, Alien, Gattaca. Anhand dieser wird gezeigt, wie in der Wissenschaft SF zur Inspiration genutzt wurde und wird, etwa wenn es um das Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit, aber auch um Torpor oder Human Enhancement geht. Mit Fortschreiten der Räume tauchen auch (hierzulande) unbekanntere Werke auf, z. B. von ostasiatischen oder indigenen Autor*innen und Künstler*innen. Mehrere Infotafeln widmen sich zudem Afrofuturismus bzw. Africanfuturismus, wobei der Begriff selbst glaube ich vermieden wird, was ebenso für andere Fachbegriffe, Subgenres u. Ä. gilt.
Die ersten Räume zeigen hübsche Stücke und sprechen spannende Themen von Anpassung im All bis hin zu Ethik und KI an, bleiben aber außerhalb einzelner Schlaglichter sehr oberflächlich. Das verspielte Design der Räume weckt den Anschein, als orientiere sich die Ausstellung eher an Kindern unter 14 Jahren als Zielgruppe; andererseits dürften die von den wissenschaftlichen Fakten schnell überfordert sein. Dieses Zielgruppen-Problem zieht sich durch die ganze Ausstellung, die insgesamt ein wenig überfordert wirkt von ihrem Anspruch, gemäß der Ausrichtung des Science Museum die wissenschaftlichen Hintergründe nicht zu kurz kommen zu lassen, andererseits aber eben auch einen Überblick zur SF zu geben – und das dann auch noch für alle Altersgruppen. Wer sich noch nie mit Science Fiction beschäftigt hat, könnte zudem vom Titel abgeschreckt sein, aber wer sich mit ihr näher auskennt, bekommt zunächst wenig Neues geboten.
Anfangs war ich also trotz hübscher Schauwerte etwas ernüchtert. Nach hinten hin gewinnt die Ausstellung aber deutlich: Hier geht es um vor allem um den Klimawandel, Klimaanpassung und damit in Zusammenhang stehende dystopische und utopische Visionen. Darstellungen aus Kunst, Film und Literatur werden hier ebenso erwähnt wie Überlegungen aus Architektur, Ethnologie oder Geologie. Nachdem es in der restlichen Ausstellung weitgehend menschenleer war, tummelten sich hier die Besucher. Diesen Themen wortwörtlich mehr Raum zu geben, wäre sicher sinnvoll gewesen.
Am Ende der Reise verabschiedet einen A.L.A.N.N., die KI, ohne zu einem eindeutigen Urteil über die Menschheit gelangt zu sein. „Good luck, humans!“, gibt sie einem noch mit auf den Weg, dann wirft man einen letzten Blick auf die Erde von oben, ehe man in den Museumsshop entlassen wird. In dem kann man sein Geld für Enterprise-Anstecknadeln, Wonder-Stories-Postkarten, Liam-Young-Poster und allerlei Sachbücher und Romane ausgeben – darunter auch für den schicken (und leider sehr schweren) Ausstellungskatalog.
Fazit
Die Ausstellung wirft Schlaglichter auf Themenfelder der Science Fiction und verbindet diese mit Erkenntnissen u. a. aus Naturwissenschaften und Philosophie. Visuell ist das ansprechend und stellenweise inhaltlich sehr spannend. Das Pendeln zwischen wissenschaftlicher Komplexität einerseits und verspielten Elementen andererseits ist dabei nicht ohne Charme, aber auch irritierend. In Sachen SF bemüht sich „Voyage to the Edge of Imagination“, nicht nur die üblichen Verdächtigen zu nennen, die neuen Erkenntnisse bleiben aber im Rahmen. Unterm Strich war der Besuch auf jeden Fall unterhaltsam. Extra nach London reisen muss man nicht, aber wenn man eh gerade da ist, lohnt es sich, vorbeizuschauen!
Hard Facts:
- Titel der Ausstellung: „Science Fiction: Voyage to the Edge of Imagination“
- Ort: Science Museum London (Exhibition Rd, South Kensington, London SW7 2DD); wir sind an der Haltestelle „South Kensington“ ausgestiegen, von da aus läuft man 5-10 Minuten
- Laufzeit: Auf den Plakaten steht zwar 4. Mai, aber die Ausstellung wurde offenbar bis 20. August 2023 verlängert.
- Preise: Standardmäßig 15 £, verschiedene Ermäßigungen, Kinder unter 7 Jahren kommen kostenlos rein
- Sonstiges: Das Science Museum bemüht sich sichtlich um Barrierefreiheit. Die Ausstellung hat allerdings viele sich überlagernde auditive Reize, das sollte man ggf. beachten. Infos dazu finden sich auf der unten verlinkten Website.
- Website
- Disclaimer: Unbezahlte Werbung
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