Veränderungen und Co. 6: Bernhard Stäber

Veränderungen und Co. 6: Bernhard Stäber

5. Januar 2022 3 Von FragmentAnsichten

Inzwischen ist es online sehr leicht geworden, andere Autor*innen kennenzulernen. 2008 sah das noch anders aus, und es war etwas besonderes, als sich in meinem damaligen Lieblingsforum fantasybuch.net drei Autoren anmeldeten, um Leserunden anzubieten. Einer der drei war ein gewisser Robin Gates, der seine Runland-Saga bewarb. Fast zehn Jahre später stellte mir jemand auf dem Galaktischen Forum einen gewissen Bernhard Stäber vor, und es dauerte etwas, bis mir dämmerte, dass es sich dabei um dieselbe Person wie Robin Gates handelte. In der Zwischenzeit war er nicht nur nach Norwegen ausgewandert, sondern hatte auch unter seinem Realnamen Thriller und Krimis veröffentlicht, bis heute sind einige mehr dazu gekommen. 2020/2021 folgte mit „Wächter der Weltenschlange 1+2“ seine jüngste Fantasy-Veröffentlichung, nun auch unter dem Namen Bernhard Stäber.

Es hat sich also einiges getan und entwickelt in Bernhards Autorenkarriere, und das ist ein guter Grund, ihn als Interviewpartner für den sechsten und vorletzten Teil der „Veränderungen und Co.“-Reihe auszuwählen.

AR: Lieber Bernhard, erst einmal vielen Dank, dass du dich zu diesem Interview bereiterklärt hast!
In Sachen Genre fällst du gegenüber den bisher in dieser Reihe vorgestellten Autor*innen etwas heraus: Gestartet hast du zwar mit Fantasyromanen, aber inzwischen hast du auch mehrere Krimis und Thriller in deinem Portfolio. Wie kam es dazu?

BS: Liebe Alessandra, danke dir für deine Anfrage!
Ich sehe mich gar nicht mal unbedingt als Krimiautor, sondern als Schriftsteller, der gern Spannungsliteratur schreibt. Die klassische „Wer ist der Täter?“-Frage aus Krimis stellen meine Thriller größtenteils zwar auch, sie steht aber nicht im Vordergrund. Was mich am meisten interessiert, ist das Spannungselement, das aus menschlichen Konflikten entsteht und daraus, dass die Figuren in extreme Situationen geraten und herausgefordert sind, ihre Einstellungen und ihr Handeln zu überdenken.

AR: Wo siehst du Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede, wenn du in den drei verschiedenen Genres Projekte entwickelst?

BS: Der rote Faden, der sich durch alle meine Geschichten zieht, egal in welcher Form und in welchem Genre, ist der reiche Schatz an Mythen und Volksüberlieferungen, die Menschen im Laufe ihrer Entwicklung in den unterschiedlichsten Kulturen angesammelt haben. Ich finde es unheimlich spannend, was für einen starken Einfluss diese ältesten Geschichten selbst im 21. Jahrhundert immer noch auf uns ausüben. Sie handeln von elementaren Dingen, die uns zu jeder Zeit beschäftigt haben: die Natur der menschlichen Existenz, Liebe, Gut und Böse, die eigene Identität und Sterblichkeit. Solche Themen sind zeitlos und verlieren niemals an Aktualität.

Die Unterschiede ergeben sich dann aus der Natur der verschiedenen Erzählgenres. Als ich 2012 nach Norwegen zog, schrieb ich zunächst mehrere Skandinavienthriller, weil ich so voll von all den Eigenheiten meiner neuen Heimat und ihrer Gesellschaft war, dass sie sich besser in einem Genre ohne konkrete fantastische Thematik erzählen ließen. Und passenderweise war dann auch die Hauptfigur dieser ersten drei Romane ein Halbnorweger, der Land und Leute aus der Sicht eines Einwanderers wahrnahm. Ich hätte auch ein humorvolles Buch über die Unterschiede zwischen Deutschen und Norwegern schreiben können, aber Spannungsliteratur mit starken Konflikten liegt mir einfach mehr. Mein aktueller Roman wiederum ist ein fantastischer Reiseroman durch Norwegen in zwei Bänden, und da wählte ich das Fantastikgenre, weil ich über Figuren aus der norwegischen Mythologie und den bis heute spürbaren Einfluss dieser Überlieferungen schreiben wollte. Zu manchen Themen habe ich einen besseren Zugang, wenn ich sie im Rahmen eines Thrillers erzähle, bei anderen habe ich sofort ein fantastisches Setting im Kopf, das diese Themen noch besser hervorstechen lässt.

AR: Lange hast du unter deinem Realnamen die Krimis und Thriller veröffentlicht, deine Fantasyromane hingegen unter dem Pseudonym „Robin Gates“. Inzwischen hast du dieses Pseudonym aber aufgegeben und veröffentlichst nur noch unter deinem Realnamen. Weshalb hast du dich dazu entschieden?

BS: Ich möchte meine Leser*innen dazu einladen, meine Bücher unabhängig vom Genre zu lesen. Auf Lesungen erlebe ich es wieder und wieder, dass Leute, die eigentlich wegen einer bestimmten Erzählform gekommen sind, Interesse an anderen Büchern von mir bekommen, und dann auch mal einen Thriller oder etwas Fantastisches von mir in die Hand nehmen, einfach, weil ihnen meine Art zu schreiben gefallen hat. Darum habe ich auch meinen aktuellen fantastischen Roman „Wächter der Weltenschlange“ unter meinem Klarnamen veröffentlicht.

Cover zu Bernhard Stäbers Romanen "Feuermuse" (als Robin Gates), "Kein guter Ort", "Dilmun. Suche nach dem ewigen Leben" (als Robin Gates) und "Wächter der Weltenschlange"
Auswahl der Werke von Bernhard Stäber: „Feuermuse“ (als Robin Gates), „Kein guter Ort“, „Dilmun. Suche nach dem ewigen Leben“ (als Robin Gates) und „Wächter der Weltenschlange“

AR: Ich habe gelesen, dass du vor deiner heutigen Karriere als Autor, Lektor und Übersetzer u. a. einige Jahre als Sozialarbeiter tätig warst.
Inwiefern hat das deine Geschichten beeinflusst? Kannst du uns ein paar Beispiele nennen, wo das z. B. deine Recherche vereinfacht hat?

BS: Die Arbeit im Sozialen Bereich (Familienhilfe, Betreutes Wohnen) war nicht nur hilfreich bei der Recherche für meine psychologischen Thriller, weil sie mir dabei half, meinen Psychologen Arne Eriksen authentisch zu schildern. Sie gab mir insgesamt eine Vielzahl von Einblicken in unterschiedliche Lebenswelten, von Patchworkfamilien über polyarmourösen Partnerschaften bis zu streng religiösen Familienkonstellationen bei Migranten. Ich glaube, man kann menschliche Verhaltensweisen nur dicht schildern, wenn man auch etwas neugierig auf Menschen ist.

AR: Du wohnst seit fast zehn Jahren in Norwegen und lässt über Social Media deine Follower ein Stück weit an deinem Leben dort teilhaben. Auch in deinen Werken wird dieser Hintergrund immer mal wieder deutlich, beispielsweise widmest du dich in deinem Roman „Raubtierstadt“ der Kultur der Samen. Ein ja doch auch aktuell durchaus sensibles Thema. Wie bist du hier bei deiner Recherche vorgegangen?

BS: Mir war es wichtig, die samischen Stimmen so authentisch wie möglich in meinen Roman zu übertragen, und das um so mehr, weil wir die Samin Sara Elin Persen aus der Ich-Perspektive erleben und an ihren Gedanken unmittelbar teilhaben. Ich las im Vorfeld aktuelle Aussagen von Sam*innen über ihre eigene Kultur und ihr Verhältnis zur norwegischen Gesellschaft und unterhielt mich mit Sam*innen zu diesen Themen, um ein Gespür für meine samische Hauptfigur zu bekommen. Ich legte Sara teilweise Aussagen in den Mund, die ich wörtlich von Vertretern dieses indigenen Volks gehört hatte.

AR: Apropos Social Media: Wie eingangs erwähnt, wurde ich das erste Mal vor 13 Jahren auf dich aufmerksam, als du in meinem damaligen virtuellen Wohnzimmer fantasybuch.net die Runland-Saga vorgestellt hast. Die große Zeit der Foren ist inzwischen vorbei, aber dafür bist du auf verschiedensten Kanälen von Twitter bis YouTube aktiv. Wie bewertest du die Rolle von Social Media für dich als Autor? Welches Format liegt dir mehr, was weniger?

BS: Social Media haben für mich als deutschen Autor, der im Ausland lebt, einen ganz besonderen Stellenwert, weil sie mir die Möglichkeit geben, mich über die weite Entfernung hinweg mit anderen Menschen aus der Buchbranche und meinen Leser*innen zu vernetzen. Auf Plattformen wie Instagram kann ich meinen Followern mit Fotos und Videobeiträgen ein wenig von meinem Leben in Norwegen zeigen. Viele Themen, die Leuten in Deutschland unter den Fingern brennen, bekomme ich hier in Norwegen als Erstes über Social Media mit. Früher war ich vor allem auf Facebook unterwegs, inzwischen nutze ich Twitter allerdings häufiger, weil mir die große Rolle, die besonders Facebook in den letzten Jahren beim Verbreiten von Fake News im Netz spielte, immer mehr missfiel.

AR: Neben Romanen veröffentlichst du auch immer mal wieder Kurzgeschichten in Anthologien. Worin liegt für dich der Reiz dieses Formats?

BS: Ich halte Kurzgeschichten für eine völlig unterschätzte Kurzform, die zu Unrecht ein Nischendasein fristet. In welchem anderen Format kann man schon auf wenigen Seiten und innerhalb kürzester Zeit so tief in die Gedankenwelt eines Autors oder einer Autorin eintauchen, dass manche dieser nur ein paar Seiten andauernden Geschichten einen das ganze Leben lang begleiten? Die große Herausforderung für mich als Autor ist es dabei, alles Unnötige wegzulassen und dabei dennoch eine dichte Atmosphäre zu schaffen. Außerdem ist das Schreiben von Kurzgeschichten für mich eine willkommene Abwechslung, um für einige Zeit Abstand zu einem aktuellen Romanprojekt zu bekommen.

AR: Welche Pläne hast du für deine schriftstellerische Zukunft? Was würde dich reizen?

BS: Es würde mich reizen, einmal Geschichten in einem anderen Medium zu erzählen, zum Beispiel im Rahmen von Text für eine Graphic Novel oder als Serial, bei dem man eine Geschichte Kapitel für Kapitel den Leser*innen zugänglich macht, wobei da die Herausforderung darin besteht, dass man dem Text nach der jeweiligen Veröffentlichung nichts mehr hinzufügen kann.

AR: Auf welche Veröffentlichung bist du besonders stolz?

BS: Ich war stolz darauf, dass meine Thriller-Trilogie um den forensischen Psychologen Arne Eriksen viele Leser*innen von Nordic Noir erreichte, aber besonders am Herzen liegt mir mein fantastischer Roman „Feuermuse“, den ich noch als Robin Gates veröffentlichte. Mit der Geschichte um ein Wesen des Elements Feuer, dessen größter Wunsch es ist, ein Mensch zu werden, wollte ich eine Geschichte darüber erzählen, was Menschsein eigentlich ausmacht. Rückblickend bin ich mit dieser Geschichte sehr zufrieden. Ich muss oft an David und Elára aus „Feuermuse“ zurückdenken.

AR: Vielen Dank für diese Einblicke!

Mehr Infos zu Bernhard Stäber findet ihr auf Twitter, Instagram, Facebook oder YouTube.

Bernhard Stäber (lächelnder Mann mit Brille, lehnt sich zurück)
Bernhard Stäber
(Foto von Rigmor Anita Pedersen unter CC BY SA 3.0 DE
via Wikipedia)