Januaransichten 2016
Aloha zusammen,
der Januar war Level Eichhörnchen, Modus Ab-durch-die-Hecke, nur mit weniger Koffein. Daher und dank Age of Wonders III habe ich diesen Monat weniger Szenegedöns mitbekommen und wenn doch, hat es mich meist in irgendeiner Weise betroffen. Insofern eine vorauseilende Entschuldigung, falls das Folgende arg egotripig rüberkommen sollte. (Dafür ein Tipp: Wenn ihr googelt, ob man „Trip“ mit einem oder zwei P schreibt – käme mir natürlich nie in den Sinn – wirft die Bildersuche krasses Zeuch raus.)
Vereinsmeierei
Neues Jahr, da lassen neue und alte Vereine & Co. von sich hören. Die Gesellschaft für Fantastikforschung beispielsweise, indem sie den Einsendeschluss für ihren 2016er-Call for Papers bis zum 25. Februar verlängert hat. Thema der diesjährigen Tagung, die vom 22. bis 24. September in Münster stattfindet, ist „The Fantastic Now: Tendenzen der Fantasy im 21. Jahrhundert“.
Zu wissenschaftlich für euren Geschmack? Dann springen wir elegant zur Phantastischen Akademie, die bekanntlich alljährlich den SERAPH auf der Leipziger Buchmesse vergibt – dieses Jahr sogar in Kooperation mit dieser und mit einer neuen Kategorie. Im Januar kamen die Longlists raus und ich nehme mit angenehmer Zufriedenheit wahr, auf einer davon auch „Spielende Götter“ zu finden. Die Shortlists folgen Mitte Februar.
Außerdem gab’s mit dem Phantastik-Autoren-Netzwerk, kurz und schneidig PAN e. V. (nicht zu verwechseln mit dem Polyamoren Netzwerk), auch eine Neugründung mit dem Ziel, die deutschsprachige Phantastik-Literatur zu stärken und die Vernetzung innerhalb der Branche zu fördern. Sozusagen als erste Maßnahme soll dazu im April auch ein Branchentreffen stattfinden. Alle Infos zu Verein und Treffen gibt’s auf der Webseite (im Namen verlinkt). Wie üblich, kam an einigen Ecken erst einmal die eine oder andere Kritik auf, die je nach Fall auch gerechtfertigt sein mag. Aber seht es mal so: Es wird immer viel geklagt über das Nischendasein der Phantastik, über die Ignoranz der Hegemonialmedien etc. pp. An Strategien, dagegen etwas zu unternehmen, fehlt es aber anscheinend. Der Verein kann da ein erster Schritt sein, je nachdem, was die Mitglieder draus machen. Denke ich und hoffe ich jedenfalls.
Die Leute, die auf der Gründungsversammlung rumgehüpft sind. Wer mich findet, darf sich ein Pik auf die Hand malen.
Verlagsrequiems
Anlässlich dieser Neuigkeiten ging man schon so weit, 2016 als gutes Jahr für die Phantastik zu preisen. Dagegen spricht allerdings, dass mit Oldigor und Koios gleich zwei vielversprechende Kleinverlage/Verlagsimprints den Stift abgegeben haben. In beiden Fällen sehr schade und bedeutet leider auch, dass die von mir diverse Male angekündigte Oldigor-Anthologie „Zauberhafte Universen“ nicht mehr veröffentlicht wird.
(Edit: Habe gerade gelesen, dass auch Scratch die Tore geschlossen hat. Damit haben sogar drei Kleinverlage im Januar dicht gemacht 🙁 )
Rauschen im Blätterwald
Weitaus besser läuft es da im phantastischen Digital-Blätterwald: So ist im Januar nicht nur die siebte Ausgabe des Visionariums mit dem Schwerpunkt „Schlüssel und Tore“ erschienen, auch der Phantast meldet sich mit einer XXL-Ausgabe zum Thema „Cyberpunk“ zurück.
Auf diversen Blogs ist derweil das Essayfieber ausgebrochen. Nicht ganz unschuldig daran ist die Zeitzeugin, die Autoren dazu aufrief, etwas zum Thema „Wir schreiben“ beizutragen (siehe dazu auch diesen Beitrag). Da viele der Teilnehmer Fantasy- oder Science Fiction-Autoren waren, wurde auch einiges aus dem Dunstkreis der Phantastik thematisiert. Beispielsweise von Wolf Awert, der sich des Eskapismus-Vorwurfs angenommen hat. Ich geb zu, im ersten Moment etwas aufgeseufzt zu haben, dass das Thema schon wieder herausgegraben wurde.* Aber der Artikel ist nicht nur gut geschrieben, er bringt mit seinem wahrnehmungsbezogenen Ansatz auch ein wenig frischen Wind in die Diskussion, die sonst doch immer sehr fannisch und monoperspektivisch verläuft. Daher eine Leseempfehlung – natürlich ebenso für die anderen Essays.
Wir überzeugen ihn schon noch
Ihr erinnert euch vielleicht noch an die Juliansichten, in denen ich auf Sören Heims Artikel zu Fandom, Fantasy und literarische Qualitätsmaßstäbe verwiesen habe. Den Kommentaren zum Artikel entsprangen einige Literaturempfehlungen, die Heims Ruf nach un-generischer, ungewöhnlicher (TM) Fantasy nachkamen. Seitdem zeigt er sich tatsächlich als Novize der ähm, Underground-Fantasy, liest sich quer durchs Genre und dokumentiert das Ganze.
Nach Sapkowskis erstem Geralt-Roman (nicht sein Ding; falsche Erwartungen, würde ich sagen), Miévilles Perdido Street Station (auch nicht seins, tss) und Moers‘ Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär (immer noch nicht) ist er bei Esther Rochons Der Träumer in der Zitadelle angelangt – meiner Meinung nach einer der unterschätztesten Romane, die je ins Deutsche übersetzt wurden. Zu Heims eigenem Glück sieht er das ähnlich und hebt etwa heraus, wie die Gegebenheiten vorrangig durch Gespräche und die Handlung selbst eingeführt werden, anstatt sie dem Leser via Infodump vor den Latz zu knallen. Der Fairness halber muss man sagen, dass einem nach den ersten Seiten des nach heutigen Verhältnissen kurzen Romans trotzdem erst mal der Kopf vor lauter Namen und Begriffen brummt, aber nun, Schwamm drüber. Lässt man sich darauf ein, erwartet einen nämlich eine vielschichtige, manchmal etwas zu metaphorische Handlung, die nicht nur Selbstzweck ist. Ich könnte meine eigene Rezension zum Buch verlinken, aber die ist glücklicherweise in den good old times des Internetspielplatzes unter Pseudonym erschienen, also begnügt euch mit den paar Sätzen hier bzw. Sörens Besprechung und steuert das nächste Antiquariat an. Als ich zuletzt im Berliner Otherland war, hatten sie doch tatsächlich noch ein Exemplar von Der Träumer in der Zitadelle herumstehen, dessen optional lesbare Fortsetzungen leider Französischkenntnisse erfordern.
Übrigens bittet Heim weiterhin explizit um Literaturempfehlungen. Also, textet seine Posts zu.
Beste Reste
So weit, so verhältnismäßig kurz zum Januar. Es gäbe noch viel mehr zu erwähnen, beispielsweise das Interview der Mainpost mit Oliver Jahn zu dessen (ebenfalls unterschätzter) Sterntagebücher-Serie. Oder ich könnte Werbung für schöne Rezensionen oder weitere Interviews machen. Die Shannara-Serie ist ja auch gestartet. Aber … reicht. Ich mach mir jetzt Tee und schmachte Halsbonbons an. Einen schönen Februar euch allen.
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P.S.: Das drückt irgendwie alles aus, was ich zu d i e s e m Thema derzeit zu sagen weiß. :/
* Ja, ich weiß, ich sollte die Klappe halten, so oft, wie ich mir die Hand darüber fusselig geschrieben habe.
Auch wenn ich selbst kein Autor bin, habe ich die Gründung von PAN mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Ich finde es immer gut, wenn sich Autorinnen und Autoren zu Interessengemeinschaften zusammentun und versuchen, die Zukunft aktiv zu gestalten, statt sich nur zu beklagen. Das Branchentreffen habe ich mir trotz der hohen Teilnahmegebühr mal vorgemerkt (falls ihr mich da als Phantastikübersetzer rein und auch lebend wieder rauslasst 😉 ).
Finde ich gut, dass du das gut findest 😀
Und du bist uns auf dem Treffen natürlich sehr willkommen. Selbst wenn du an der internationalen Konkurrenz verdienst 😉
Ich kann allen, die mit ihrem Schul-Französisch halbwegs zurecht kommen nur empfehlen es einmal damit zu versuchen. Vom Wortschatz her ist es mE kein sonderlich schweres Buch. Wenn ich es richtig verstanden habe wurde die deutsche Version von einer Ausgabe übersetzt die noch nicht mit Hinblick auf den Vrénalik-Zyklus entworfen wurde und bei der angeblich zwei Kapitel fehlen. Das können eigentlich nur die ersten beiden kurzen sein, die ich in meiner Rezension sehr hervorgehoben habe… das Buch ist ohne die sicher immer noch schön zu lesen aber verliert schon einiges an Tiefe finde ich. Ich kann nicht nachprüfen was fehlt und ob wirklich was fehlt, da ich die französische Kindleausgabe gelesen habe & als ich dann doch noch ein „richtiges“ Buch zum verschenken wollte nach kurzem Zögern wieder das Original bestellt habe…
Reizen würde es mich schon mal, wäre auch eine Gelegenheit, die Sprache mal wieder aufzubessern. Aber so richtig traue ich mich noch nicht 😉
Wie lange sind die beiden Kapitel potenziell herausgeflogenen Kapitel denn? Ich habe das Buch nur in einem Heyne-Sammelband mit anderen Romanen, frage mich, ob diese Version nicht noch einmal gekürzt wurde.
Hab beim Googeln nach dem Buch festgestellt, dass ich es mal verlost habe. Hatte ich irgendwie vollkommen vergessen o.O https://fragmentansichten.wordpress.com/2015/04/23/verlosung-welttag-des-buchesblogger-schenken-lesefreude-2015/
wie lang die Kapitel sind, die fehlen, weiß ich leider nicht, weil ich nicht weiß welche fehlen. Mein Hardcover frz hat etwa 180 Seiten, aber wenig Text pro Seite. Die ersten beiden Kapitel „la porte du temple“ und „La messagère“ haben 10 bzw. 20 Seiten. Die anderen sind alle deutlich länger und ich wüsste nicht wie man sie raus nehmen sollte ohne dass es Lesern auffallen müsste dass da was fehlt…
Der Vorteil wenn man sich auf Französisch traut: man kann dann vielleicht gleich mit den anderen Büchern weitermachen (hab ich aber auch noch nicht).
Die beiden Kapitel meinte ich 🙂 Nachher denk ich hpffentlich endlich dran, nachzugucken … Mensch, wiederhole ich mich?!
[…] Reß (Spielende Götter) gehört auch zu den Gründungsmitgliedern und hat auf ihrem Blog Fragmentansichten ein wenig darüber geschrieben. Dort berichtet sie auch über die Longlist des Phantastikpreises […]
Danke für diesen Beitrag, der mich auf etwas aufmerksam gemacht hat, das bis jetzt völlig an mir vorbeigegangen ist. Gar nicht mehr zu surfen scheint nicht die cleverste Alternative zu viel zu viel zu surfen zu sein (oh my … vier mal „zu“ kurz hintereinander … es ist zu spät für sinnvolle Kommentare).
Was den „Träumer in der Zitadelle“ angeht, ist die Version im Sammelband ziemlich sicher mit der einzeln erschienenen identisch (ich könnte das theoretisch überprüfen, wenn ich denn mein Exemplar des „Träumers“ endlich wiederfinden würde). Da aber damals eine alte, noch nicht einmal im Original erschienene Version des Romans übersetzt wurde, dürften die beiden Kapitel, um die die OA dann später ergänzt wurde, ziemlich sicher fehlen. (Mal schauen, vielleicht besorge ich mir mal das Original, denn um das festzustellen, sollte mein stark angerostetes Französisch eigentlich noch reichen – und sonst übe ich an ein paar Comics ;-))
Zwischenzeitlich überlege ich mir mal, was ich Herrn Heim noch an Fantasy vorschlagen könnte.
Last but not least: Stichwort PAN. Die Idee finde ich hervorragend, und ja, mich würde das Treffen auch reizen (obwohl ich ja ebenfalls an der internationalen Konkurrenz „verdiene“ – ich mag das letzte Wort eigentlich gar nicht hinschreiben, weil mir momentan immer mal wieder sauer aufstößt, was man mit uns Genre-Übersetzern von Verlagsseite aus eigentlich so treibt …), aber der Termin beißt sich leider mit einer Killer-Deadline, von daher weiß ich nicht so recht, ob das hinhauen wird. Mal schauen, wie sich die Situation so Ende März anfühlt …
Hallo gero,
ich hab inzwischen mal meinen Sammelband hervorgeholt und festgestellt, dass es dort auch heißt, die einzelnen Bücher seien ungekürzt.
Ach, die Kapitel wurden erst später ergänzt? Das erklärt, warum ich nie das Gefühl hatte, beim Lesen sei etwas übersprungen worden. Wobei ich das Buch mal wieder in Hinblick darauf lesen wollte.
@Branchentreffen: Vielleicht kann die Killer-Deadline zumindest ein bisschen warten und du kommst nur an einem der beiden Tage (müsstest dann entsprechend auch nur die Hälfte zahlen ;))? Ich glaube, wir brauchen mal einen Pressetext, dass uns auch Übersetzer willkommen sind …
Hab übrigens gerade gemerkt, dass es von dir inzwischen ja auch Geburtstagsartikel zu Joy Chant und Alan Dean Foster gibt 😀 Jetzt noch Patricia A. McKillip, dann hast du all meine favorisierten Autoren der „Schwarzen Reihe“ von Goldmann durch 😉