Januaransichten 2021
Hello zu sechs Jahren Monatsansichten! Jo, im Januar 2015 ging der erste Monatsrückblick online. Damals ging es um … nun ja, mich. Über den Rest der Szene hab ich erst später geschrieben. Heute geht es weniger um mich, allerdings habe ich, wie ihr vielleicht merkt, das Design des Blogs etwas verändert. So ganz zufrieden bin ich noch nicht damit, gerade dieser schwarze Menübalken da oben kollidiert recht deutlich mit meinem ästhetischen Empfinden, außerdem werden die Links kaum noch hervorgehoben und ich hab erst mal einen halben Tag damit verbracht, alles auszubessern, was durch die Umstellung zerschossen wurde. Aber das vorangegangene Theme hat u. a. in der mobilen Ansicht einige Probleme bereitet und als Übergangslösung ist das hier denk ich ganz okee. (Widerspruch darf formuliert werden.)
Was wie (nicht) stattfindet
Aber genug zum Blog, kümmern wir uns stattdessen erst mal um den FeenCon. Der fand letztes Jahr ja durchaus erfolgreich in einer Online-Variante statt. Für die Zukunft wird aber auch mit an der nächsten analogen Ausgabe gewerkelt und, wie schon zu befürchten war, wird diese Bonn verlassen. Stattdessen geht es gemeinsam mit dem KrähenCon auf die Burg Linn nach Krefeld, was sich offenbar weiter anschickt, die nächste deutsche Fantasyhauptstadt zu werden. So schön das für die Leute im Ruhrgebiet ist, guckt man rund um Bonn nun leider in die Röhre. Auch für mich bedeutet das wohl leider das Ende meiner FeenCon-Stände, da Krefeld im Gegensatz zu Bonn eben doch noch mal ein ordentliches Stück entfernt ist. Sicher kann ich dort mal hin fahren, aber das würde eben auch gleich wieder deutlich höhere Ausgaben für Zug, Übernachtung usw. nach sich ziehen und ein Stand sich entsprechend nicht rentieren. Schade, aber nun ja. Momentan besteht laut Facebookseite der Gilde der Fantasy-Rollenspieler e. V. noch die Überlegung zu einem Bonner Alternativcon, aber hier hängt es ganz davon ab, inwiefern sich noch Helfer*innen finden lassen.
Keine so richtig guten Nachrichten also für Bonn, und in Leipzig wird es ebenfalls erst mal nichts mit größeren Literaturtreffen, denn die Leipziger Buchmesse hat bekanntgegeben, doch auch 2021 ausschließlich digital stattzufinden. Und auch vom Deutschen Phantastik Preis kommt die Meldung, dass er 2021 erneut nicht stattfinden wird. In diesem Falle auch nicht digital.
Gute und ungute Publicity
Dafür läuft’s im Ruhrgebiet. Dort gibt es mit Weltflucht sogar seit kurzem einen neuen Comicladen und wie das so läuft in diesen Zeiten, darüber berichtete der Gründer Markus Pfeffer im Börsenblatt. Ebenso kommen aus den USA mal nette Nachrichten, denn dort wird es demnächst eine Briefmarke zu Ehren von Ursula K. LeGuin geben, wie sich u. a. via Die Zukunft nachlesen lässt. Die Briefmarke soll ein Portrait von LeGuin sowie eine Illustration von Donato Giancola zu „Die linke Hand der Dunkelheit“ zeigen.
Weitaus weniger wohlwollend wurde in der Community die Nachricht aufgenommen, dass der Loewe Verlag Dylan Farrows „Hush“ als „Fantasyroman von Woody Allens Stieftochter“ bewirbt, wie u. a. @AStrandborg und @rainbookworld auf Twitter sowie @pierrepetermichl_auf Instagram herausgestellt haben. Ich weiß, man greift gerade in Deutschland gerne darauf zurück, bei Shooting Stars die Verbindung zu einer Berühmtheit des Showgeschäfts zu ziehen, deren Glitter ja vielleicht abfärben könnte. Aber mal ganz abgesehen davon, dass Farrow mit Sicherheit auch für sich stehen kann, ist es in diesem Kontext extrem bitter, dass Loewe es für eine gute Idee hielt, diese Verbindung so prominent herauszustellen und in der Reaktion (nachlesbar in Pierre Petermichls Story-Highlights) auch noch betont, der Roman sei gar nicht unabhängig davon denkbar. Wie man nun selbst zu den Anschuldigungen gegenüber Allen steht, ist dabei meiner Meinung nach auch zweitrangig, das Buch so zu bewerben ist in allen Fällen mindestens unklug – auch wenn die PR nun natürlich da ist. Ohnehin bekommt der Roman einiges an Publicity und ich würde mir wünschen, dass Fantasyromane häufiger so prominent und in Hinblick auf Gegenwartsparallelen analysiert würden (Achtung, Link spoilert).
Podasts von A-nthologien bis Z-ombies
Aber nun, dafür haben wir ja noch die Szenemedien. Und die waren im Januar mal wieder recht fleißig, u. a. wurden jede Menge Podcast-Folgen veröffentlicht. Beim Phantastik-Brunch gab es drei neue Folgen, einmal mit Justine Pust, einmal zum Thema LARP und zum Monatsabschluss noch einmal via Twitch mit Kai Meyer und Lisanne Surborg. Da ich hier wild durcheinander höre, habe ich aber erst mal die Folge mit Jaqueline Wagner zu New Media aus dem Dezember gehört und finde diese sehr empfehlenswert – dass es quasi Verlagsbereiche gibt, die sich (außerhalb von PR, versteht sich) auf die Zusammenarbeit mit Influencern aka „Creatoren“ spezialisiert haben, war mir bis dato neu. Ebenfalls spannend fand ich die PhanLiTa-Folge rund um die Entstehung von Anthologien – als Autorin bekommt man auch hier ja oft nur einen Teil der Arbeit selbst mit. Und schlussendlich dann noch eine Empfehlung für den Podcast des Deutschen Filmmuseums zu einer berühmten Grafik aus dem Film „Metropolis“. Allerdings, normalerweise wäre mir lieb, Podcasts wären etwas kürzer, aber in dem Fall hätte die Folge ruhig noch etwas länger und mehr ins Detail gehen dürfen. Tja. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Podcasts gehört wie im Januar. Aber habe festgestellt, dass sie eine gute Entschuldigung dafür sind, eine Stunde quasi-erschlagen auf dem Bett herumzuliegen und die Wand anzustarren. Mit Videos ist das nicht ganz so einfach, da muss man noch einen Bildschirm ansehen. Trotzdem habe ich mir auch Lars Schmeinks Vortrag rund um das spannende Thema „A Grey Ecology of Zombie Fictions“ angeschaut. Ein gelungener Abriss, der ebenfalls noch ein paar Minütchen länger hätte sein dürfen, dann wäre auch mehr Zeit für die Einblendung der Folien am Anfang gewesen (und hey, Bildquellen …?). Aber ich schätze, da es ein Konferenzbeitrag war, gab es eine Zeitvorgabe. Den im Vortrag genannten Film „Endzeit“ gibt es übrigens aktuell kostenfrei in der Arte-Mediathek.
Urbane, pulpige und geteilte Fantasien
Und in Sachen Texte? Wurde es recht international: Udo Klotz und Christian Hoffmann haben im Locus Mag einen Überblick zur deutschen Science Fiction veröffentlicht. Ich hab eine Liste zu internationalen SFF-Magazinen mit nicht-angloamerikanischem Fokus erstellt. Und wer sich für vertiefte Blicke auf englischsprachige Fanzines interessiert, der ist gut auf dem Blog von Cora Buhlert aufgehoben.
Der große Cyberpunk-Analysetrend aus dem Dezember scheint schon wieder vorbei, aber dafür wurde die Urban Fantasy im Januar gleich zweimal näher beleuchtet: Vanessa Bayer schrieb für die Teilzeithelden über den Reiz des Genres, während auf Alpakawolken der Fokus auf dessen Geschichte und Entwicklung lag. In letzterem Beitrag wird auch erwähnt, dass der Begriff anfangs generell für Fantasy gebraucht wurde, die – anders als in der epischen High / Questen Fantasy – in einem begrenzten städtischen Umfeld spielt. Damit können wir prima den Bogen in Richtung Sword & Sorcery schlagen und wo wären wir, wenn wir da nicht auf einen neuen Beitrag von Skalpell und Katzenklaue verweisen könnten?! Diesen Monat erzählte Peter uns dort von der Heldin Amazonia, deren Name offenbar Programm ist. Während deren Beitrag vergleichsweise kurz ausfiel, folgte kurz vor knapp am 30. Januar noch ein weiterer Post, in dem es aber nicht um Sword & Sorcery-Pulp, sondern gewohnt farbenfroh um SF-Pulp, genau gesagt um C. L. Moore und deren Helden Northwest Smith ging. Weitere Posts dazu sollen folgen, man darf also gespannt sein.
Und last but not least: Ebenfalls im Januar ist mein Artikel zu Shared Universes auf TOR Online erschienen. Als ich angefangen habe zu veröffentlichen, hatte ich oft den Eindruck, dass ein bisschen die Nase gerümpft wurde über diejenigen, die in Shared Universes schreiben, anstatt sich selbst Welten auszudenken. Ich bin mir nicht sicher, ob sich diese Bewertung generell relativiert hat oder ich nur mit anderen Leuten zu tun habe … aber wie dem auch sei: Als ich 2013 für den Blitz-Verlag das erste Mal mit Shared Universes zu tun hatte – zunächst als Korrektorin für Macabros und Larry Brent, später als Autorin für Die PSA-Akten–, fand ich es schnell faszinierend, zu sehen, wie sich solche Welten im Kolletiv entwickeln. Im Laufe der Zeit habe ich darüber schon häufiger berichtet, beispielsweise auf dem LitCamp in Bonn oder als Werkstattbericht zu D9E in einer Mephisto-Ausgabe. Es war aber höchste Zeit, das Ganze mal mit umfassenderer Perspektive anzugehen. Daher der Artikel, in dem auch Claudia Rapp, Judith und Christian Vogt sowie Ernst Wurdack zu Wort kamen.*
20 Jahre Wikipedia
Dass die Wikipedia ihren 20. Geburtstag hatte, hat auf den ersten Blick nicht so viel mit Phantastik zu tun, aber ich will doch ein paar Worte dazu verlieren.**
Ich verbringe gerne Zeit mit der Wikipedia. Manchmal zu viel, wenn ich mich von Verlinkung zu Verlinkung klicke, dabei von antiken Gottheiten zu Tiden wechsle und mir am Ende den Flusslauf des Ob anschaue. Doch auf die Art stoße ich auf viele Themen, von denen ich bis dahin gar nicht wusste, wie sehr sie mich interessieren. Manche inspirieren auch oder bringen mich dazu, mich tiefer mit ihnen auseinanderzusetzen. Über andere kann ich nur den Kopf schütteln, auf ihre Art sind auch die interessant.
Seit ein paar Jahren steuere ich zur deutschsprachigen Wikipedia hin und wieder eigene Einträge bei oder ergänze bestehende.*** Zu sehen, wie sich diese Einträge entwickeln, ergänzt werden, dabei Aspekte hinzukommen, die ich selbst gar nicht bedacht hatte, macht Spaß. Na ja, meistens jedenfalls.
In den Diskussionen, die zu den Einträgen geführt wurden, hatte ich oft das Gefühl, dass vom Geist des freien Wissens, der nach außen propagiert wird, in der Community nicht viel übrigbleibt. Ich finde den Begriff des Gatekeepings zwiespältig, weil er inzwischen sehr inflationär gebraucht wird.**** Aber man kann nicht verhehlen, dass hier je nach Themenbereich mit einiger gefärbter Beliebigkeit darüber gewacht wird, wer / was Einträge erhält und vor allem auch, wie diese auszusehen haben und wer sie erstellen darf. In der SFF-Szene wurde das u. a. anhand der SF-Autorinnen-Liste, durch den geänderten Eintrag von Annalee Newitz oder zuletzt den von Maja Ilisch deutlich. Aber in anderen Bereichen ist das ebenfalls sichtbar – etwa, wenn bei weiblichen Personen ein starker Fokus auf deren Privatleben gelegt wird oder in mancher Biographie nur die Misserfolge einer Person, nicht jedoch deren Auszeichnungen erwähnt werden. Die Diskussionen hierzu mögen nicht immer ein ideales Ergebnis hervorbringen, und ich sehe selbst z. B. manche der angeregten Listen auch etwas zwiespältig. Aber in jedem Falle gut ist, was die Diskussionen angestoßen haben bzw. dass sie überhaupt geführt werden. Dabei sehe ich auch durchaus positive Entwicklungen und ein gestiegene Bewusstsein für die Problematiken. Insofern – auch wenn mir die Wikipedia regelmäßig graue Haare beschert, schaue ich vage optimistisch in ihre Zukunft und nehme mir auch mal vor, wieder mehr eigene Beiträge zu erstellen.*****
So optimistisch zu enden, macht mich immer etwas misstrauisch, aber versuchen wir unser Glück. Ich wünsche euch einen schönen Februar.
*Da ich den Beitrag 2020 eingereicht hatte, ist er noch aus der Perspektive des vergangenen Jahres geschrieben. Inhaltlich hat sich aber nichts verändert, nur liegt 2021 halt nicht mehr in der Zukunft 😉
**(Hauptsächlich deshalb, weil ich den eigenen Beitrag zu dem Thema nicht rechtzeitig auf die Reihe bekommen habe, aber er ist ja tatsächlich auch von einer gewissen szenischen Relevanz. Ha, Relevanz!)
***Besitze btw irgendwie ein Talent dafür, meine dortigen Benutzernamen alle paar Jahre zu vergessen, was mich selbst echt wurmt.
****Ihr könnt mir noch so oft Gatekeeping vorwerfen, ich akzeptiere es nicht, wenn ihr „scheinbar“ und „anscheinend“ synonym verwendet!!!11!
*****Es widerstrebt mir aber, meine eigene Wikipedia-Seite zu aktualisieren. Vielleicht mag das irgendwann … irgendwer … übernehmen. (Nee, hab sie nicht selbst erstellt, aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es nicht ein bisschen cool zu finden, dass mich irgendwer offenbar als relevant genug für einen Eintrag erachtet hat. Der Umgang mit ihm bei meinen derzeitigen Vorstellungsgesprächen ist aber zwiespältig. Offenbar führt so ein Wiki-Eintrag dazu, dass Leute automatisch denken, man sei sehr erfolgreich und habe daher gar kein Interesse mehr an dem Job, für den man sich beworben hat. o.O)