Das Unbehagen an Buchromanzen

Das Unbehagen an Buchromanzen

23. Januar 2020 2 Von FragmentAnsichten

Am Samstag vor zwei Wochen flammte auf Twitter mal wieder eine Diskussion rund um Romanzen in Büchern auf. Konkret wurde kritisiert, dass sich viele (?) damit brüsten, solche nicht zu mögen. Diese ganze Diskussion hat mich wütend genug gemacht, um einen fünfseitigen Rant in mein Notizbuch zu kritzeln. Die Wut kam dabei auch dadurch zustande, dass die Diskussion aus einer Ecke kam, die sonst viel Wert auf Repräsentation legt, weshalb ich es in dieser Form nicht erwartet hätte. Eine recht interessante Erfahrung, dieses Wut-Ding, aber ich habe dann doch beschlossen, die Aufregung erst einmal im Notizbuch zu lassen. Normalerweise ebbt die Diskussion ohnehin so schnell wieder ab, wie sie kommt, und sie wird innerhalb einer recht kleinen Echokammer geführt. Auch dieses Mal war das so, jetzt kräht schon kein Hahn mehr danach. Aber das Thema lässt mir keine Ruhe, also schreib ich nun doch noch ein paar Absätze dazu. Aber keinen Rant. Rants sind unterhaltsam, aber in der Regel auch bissl unfair. Außerdem haben sie zu viel Macht entwickelt.

Über die Daseinsberechtigung
der Romantasy

Aber worum ging es denn nun eigentlich? Ausgangspunkt war glaube ich ein Tweet, in dem es hieß, die Kritik an Romanzen in Büchern sei misogyn. Schließlich sind es meist Autorinnen, die Romanzen viel Platz einräumen und es sind auch Frauen, denen zugesprochen wird, so etwas besonders gerne zu lesen. Die Ablehnung von Romanzen dann als misogyn zu lesen, ist nachvollziehbar, außerdem nimmt diese Romanzen-Kritik oft lächerliche Züge an. Mir ist das z. B. an den Reaktionen auf meinen Romantasy-Genre-Artikel aufgefallen. Normalerweise werden diese Beiträge auf Facebook mit Kommentaren geteilt, in denen die Leute mitteilen, warum sie das Genre mögen. Mitunter gibt es natürlich auch Kritik an den Artikeln selbst, insbesondere weil Leute dieses oder jenes Buch, einen Verlag oder ein*e Autor*in vermissen.

Bei der Romantasy gab es keine Kritik am Inhalt des Artikels. Allerdings hatten es viele sehr eilig, kundzutun, dass sie dieses Genre niemals lesen würden, es total überflüssig ist etc. pp. Das ist natürlich Bullshit. Die Romantasy hat definitiv ihre Daseinsberechtigung und weist viele spannende, vielschichtige Titel auf. Klar gibt es hier auch oberflächliche Massenware, aber erstens, wo gibt es die nicht, und zweitens, warum sollte es sie nicht geben dürfen?

Auch das gelegentlich geäußerte Argument, Romantasy sei schlecht für den Feminismus, ist mindestens schwierig.* Ja, manchmal werden äußerst problematische Beziehungen als erstebenswert oder romantisch dargestellt. Auch traditionelle Rollenbilder werden mitunter bestätigt, wobei man darüber streiten kann, inwiefern das jeweils ein Problem ist oder nicht. Aber. Nicht nur, dass das Genre für viele Autorinnen ein Sprungbrett auf den Literaturmarkt ist, frühe Romantasy-Titel wie „Die Chroniken von Tornor“ oder „Das blaue Schwert“ waren außerdem prägend für die Entwicklung diverserer Genreliteratur. Davon abgesehen zeigt der anhaltende Erfolg des Subgenres, dass Themen und Stilistik die Leute abholen.

Bis hierhin volles Verständnis für die Kritik an der Kritik. Ich habe es nun zwar auf Romantasy bezogen, aber ähnlich sehe ich das für andere Literatur, in der Romanzen eine zentrale Rolle einnehmen. Trotzdem übe ich durchaus selbst sehr gerne Kritik an romantischen Plots. Wobei mich nicht so sehr romantische Storylines oder gar Genres selbst stören; wenn ich z. B. einen Romantasy-Roman kaufe, erwarte ich natürlich Liebe und Co. Und überhaupt gibt es auch viele sehr coole literarische Liebesbeziehungen; oute mich beispielsweise ausgerechnet als Geralt-Yennefer-Fan.

Illustration von einem Mann, der Geige spielt und hinter einer Frau steht. Sie sitzen in einer Wiese an einem Fluss.
Hallo, vielleicht sind das einfach zwei Freunde oder Geschwister, die zusammen Musik machen?!
(„Melody of Flora“ is licensed under CC BY-NC-ND 3.0)

Problematische Selbstverständlichkeit

Problematisch finde ich aber die Selbstverständlichkeit, mit der Subplots rund um eindeutige Liebesbeziehungen in fast jedes Buch geschrieben werden. Wir reden so viel über Repräsentation, aber wenn es um Figuren geht, die sich nicht bei jede*r Kerl*in direkt Gedanken um dessen/deren Partnertauglichkeit machen, endet das Verständnis anscheinend recht schnell.

In einer älteren Diskussion zum selben Thema hieß es, es sei nicht okay, zu kritisieren, wenn Figuren zu schnell Beziehungen anfangen oder Sex haben. Auch hier sehe ich den Punkt, denn klar sollte jemand nicht direkt als Schlampe abgestempelt werden, weil er/sie sich schnell verliebt oder gerne Sex hat. Aber diese „Turbo-Beziehungen“ sind eher die Regel in der Literatur, vor allem im YA-Bereich. An heteronormativen Beziehungen wird auch nicht kritisiert, dass es sie überhaupt in der Literatur gibt, sondern dass sie gegenüber LGBTQ so überrepräsentiert sind. Aber was ist mit davon ganz unabhängigen Alternativen zu romantischen oder sexuellen Beziehungen? Ich verstehe, dass viele Leute romantische Subplots erwarten (und Verlage sie entsprechend einfordern), weil die Erfahrung von Romantik für sie zum Leben dazugehört.** Ich finde es aber sehr schade, wenn es zugleich schwer fällt, zu akzeptieren, dass das eben nicht für andere gelten muss. Oder zu akzeptieren, dass ein*e Autor*in (meistens Autorinnen) eben mal keine explizite Liebesbeziehung in eine Geschichte einbringen möchte. Manche Handlungen mögen dadurch gewinnen, andere funktionieren aber auch ohne prima.***

Letztlich ist auch das wieder eine Form von Bias. Indem in jedem Medium v. a. den weiblichen Figuren früher oder später ein*e Partner*in zur Seite gestellt wird, wird der Eindruck erweckt, das sei das einzig Normale. Und das nicht Vorhandensein oder auch die bewusste Ablehnung von sexueller oder romantischer Partnerschaft bzw. auch nur die Fokussierung auf andere Beziehungen, gelten als entsprechend seltsam bis krankhaft.

Wenn ihr romantische Geschichten oder Subplots schreiben möchtet – cool, haut rein. Aber lasst die Repräsentationsdebatte nicht dort enden, wo asexuelle oder aromantische Figuren auftauchen.**** Auch die haben ihre Daseinsberechtigung und ganz ehrlich, eine freundschaftliche Beziehung kann auch viel Spannung erzeugen. Oh, und @zeitfaeden hat zu dem Thema einige differenzierte Threads auf Lager. Falls ihr es noch nicht getan habt, schaut bei ihr mal vorbei.


*Ich bin mir der Paradoxie bewusst, dass Romantasy einerseits als feministisch problematisch, die Kritik an ihr aber als misogyn gelesen wird. Genau, es ist nicht so einfach.
**Übrigens habe ich dieses Argument mindestens genauso oft von Männern wie von Frauen gehört.
***Persönlich bevorzuge ich es, Dinge anzudeuten und es der Phantasie der Lesenden zu überlassen, ob nun was draus wird oder nicht. Aber das fällt wohl unter Geschmackssache.
****Ich habe diese Bezeichnung bisher vermieden, weil sie mir zu einengend ist. Es geht mir nicht nur darum, dass dezidiert asexuellen oder aromantischen Figuren ein Platz eingeräumt wird, sondern auch darum, dass Figuren auftauchen, für die das eben zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht relevant oder Teil des Gedankenkosmos ist, warum auch immer. Manchmal ist man im Leben halt grad mit anderen Dingen beschäftigt.

Text unter CC BY-ND