[Random 7] Buchansichten 2019

[Random 7] Buchansichten 2019

28. Dezember 2019 4 Von FragmentAnsichten

Wie schon im Rückblick angeteasert, darf auch dieses Jahr nicht die Top bzw. neuerdings Random 7 zu meinen 2019 gelesenen Büchern fehlen.

Normalerweise hadere ich ja mit der Auswahl der sieben Bücher für meine Listicals, aber dieses Mal fiel sie mir leicht. Denn wenn ich die Rereads, Comics, Bilderbücher und Sachbücher ausklammere, die ich dieses Jahr gelesen habe, bleiben nur die folgenden sieben Titel übrig. Aber macht ja nichts, Hauptsache, ich habe was, worüber ich bloggen kann! Hier nun also meine Random 7 an gelesenen Romanen (bzw. Biographien) in chronologischer, wertungsfreier Reihenfolge.

Oh, und eins vielleicht schon vorneweg: Auch wenn ich im Folgenden z. T. recht kritisch werde, war kein „schlechtes“ Buch dabei, durch das ich mich hätte durchquälen müssen. Lesefreude haben sie alle bereitet.

(1) „Die Terranauten“ von T. C. Boyle

(Achtung, es folgen fette Spoiler!)

Anfang 2019 kam T. C. Boyle zu einer Lesung mit Interview ins Theater Koblenz. Das klang interessant, also bin ich hin. Um wenigstens so tun zu können, als hätte ich Ahnung, habe ich vorher Boyles Wikipedia-Eintrag, ein paar Zeitungsartikel und „Die Terranauten“ gelesen. Das Buch erzählt die an wahre Begebenheiten angelehnte Geschichte um acht Wissenschaftler*innen, die ein Jahr lang in einer künstlischen, komplett von der Außenwelt autarken Umgebung ausharren. Hier sollen sie, rundum überwacht von Medien und einem dubiosen Unternehmen, testen, wie es um die Chancen der Menschheit steht, den Mars zu besiedeln.

In Kritiken habe ich oft gelesen, das Buch sei eine einzige Soap und stellenweise langweilig. Dem kann ich mich nicht anschließen. Die aus verschiedenen Perspektiven erzählte Handlung ist intelligent verworben, der Technikbabbel verkommt nie zum Selbstzweck. Der größte Pluspunkt ist aber die Schilderung des Teamzusammenlebens und auch des Gruppenzwangs, der unter dem Mantra entsteht, für ein höheres Ziel zusammenzuarbeiten.

Leider gibt es aber auch einen Minuspunkt: Was machen vier attraktive Männer und vier ebenso attraktive Frauen, wenn man sie lange genug ohne physischen Kontakt zu anderen Menschen einsperrt? Klar, sie haben Sex. Ok, so weit vielleicht schon nachvollziehbar, zumal es in der künstlichen Umgebung an Freizeitangeboten mangelt. Aber wir haben da dann Protagonistin Dawn, eine angesehene Wissenschaftlerin, die ihr ganzes Berufsleben auf ihre Chance in diesem Experiment hingearbeitet hat. Diese Dawn setzt zu Anfang des Experiments verständlicherweise ihre Pille ab. Weniger verständlich, wenn auch nicht komplett unmöglich, dass sie dadurch von einem Tag auf den anderen einen völlig normalen Zyklus hat. Aber dass sie dann auch noch beim ersten Trunkenheitsgefühl ungeschützten Sex hat, stante pede schwanger wird und sich darüber auch noch wundert? Ach, kommt schon!

Wie im Anschluss an die ungeplante Schwangerschaft im Team das Schuld- und Sühnespiel gespielt wird, ist zwar großes Kino. Trotzdem: Gerade in einem Buch wie „Die Terranauten“, das Seiten damit verbringt, einem die korrekte Funktionsweise eines Abwassersystems zu erklären, erwarte ich doch, dass sich der Autor auch ein paar Grundgedanken zur Funktionsweise seiner Protagonistin macht.

Dennoch mochte ich das Buch, weil es seine Geschichte konsequent zu Ende erzählt. Ein bisschen hat es mich übrigens an eine Hochglanz-Variante des Films „The Philosophers“ erinnert.

(2) „Nevernight 1: Die Prüfung“ von Jay Kristoff

Die Nevernight-Trilogie wird manchmal als „Harry Potter mit Assassinen“, manchmal als „Game of Thrones für Teenager“ beschrieben. Dabei musste ich die meiste Zeit über eher an Scheibenwelt denken! Was natürlich in erster Linie den Fußnoten geschuldet ist, die vielleicht ein wenig zu lang geraten sind, aber in unterhaltsamen Anekdoten in die Welt einführen. Finde es sehr schade, dass Fußnoten in Romanen so oft verpönt sind, echt mal!

Von den Fußnoten mal abgesehen erzählt „Die Prüfung“ eine spannende, mal sehr humorvolle, dann wieder sehr traurige Geschichte mit einer überzeugenden Protagonistin und vielen unvorhergesehenen Wendungen. Ich habe zwar gebraucht, um reinzukommen und hatte das Buch nach einem Erstversuch irgendwann 2018 erst mal wieder abgebrochen. Aber nach einem holprigen Start ist der Funke dann doch übergesprungen und es war für mich eines dieser Bücher, die man gar nicht mehr aus der Hand legen mag. Trotzdem bin ich mir unsicher, ob ich die Trilogie fortsetze, da der Band auch gut für sich allein funktioniert hat.

(3) „Herr der Wälder“ von Christian Günther

Auf der Suche nach klassischer, aber zugleich modern erzählter Fantasy, hatte ich schon länger die FAAR-Reihe von Christian Günther ins Auge gefasst. Da es mich allerdings abgeschreckt hat, angesichts des Stapel of Shame noch eine längere Reihe zu beginnen, habe ich erst einmal nur auf die Novelle „Herr der Wälder“ zurückgegriffen, die innerhalb des FAAR-Universums eine eigenständige Geschichte erzählt. Hier versuchen ein Paladin und ein aus seinem Dorf geflohener Junge herauszufinden, was es mit dem Wald auf sich hat, der sich unaufhaltsam weiter über die Welt ausbreitet und dabei Menschen wie Städte verschlingt.

Die Vorstellung eines solchen Waldes fand ich extrem faszinierend und ebenso gruselig. Sein Voranschreiten wird auch sehr anschaulich beschrieben und überhaupt lebt die Novelle von der (über weite Strecken bedrückenden) Atmosphäre der Welt. Nur leider lassen einen die beiden Hauptfiguren ziemlich kalt, was es schwer macht, mit ihrem Schicksal mitzufiebern. Vielleicht ist das aber anders, wenn man den Blick auf das Ganze hat, und in den Details nicht nur von Andeutungen leben muss. Schreibstil wie Weltenbau haben jedenfalls durchaus überzeugt; nur ist „Herr der Wälder“ vielleicht nicht der ideale Einstieg in die Reihe …

(4) „Firefly 1: Großer, verdammter Held“ von James Lovegrove und Nancy Holder

So sehr ich „Firefly“ auch immer noch liebe, bin ich inzwischen froh, dass sich noch niemand gefunden hat, um eine direkte Netflix-Fortsetzung daraus zu machen. Die Zeit der Serenity-Crew für den Bildschirm ist irgendwie vorbei, und mir reicht es aus, dass ihre Geschichte nun mit Comics und neuerdings auch Romanen fortgeführt und ausgestaltet wird.

Während die Comics inzwischen vor allem von der Zeit nach dem Film „Serenity“ erzählen, gehen die Romane einen anderen Weg und berichten von Ereignissen zwischen den einzelnen Folgen der Fernsehserie. Band 1 führt die Crew dabei nach Persephone, wo Mal entführt und mehrere Figuren mit Ereignissen aus ihrer Vergangenheit konfrontiert werden. Leider verrät der Buchrücken bereits einen wichtigen Twist – spoilerempfindlichen Leuten rate ich daher, den Text zu meiden.

Ansonsten ist der Band für all jene, die von der Serenity-Crew noch nicht genug haben, durchaus empfehlenswert. Er fängt leider sehr flach an, weil die Autor*innen etwas unbeholfen versuchen, Firefly-Neulinge in die Welt und die Figuren einzuführen. Serienkenner wiederum wird vielleicht die eine oder andere Ungereimtheit stören. Aber mit ein wenig Toleranz und sobald die Handlung mal Fahrt aufgenommen hat, bekommt man hier wirklich eine solide SF-Story geboten, die einen bald schon wieder im Verse versinken lässt.

(5) „Vom Erwachen der Nacht“ von Carrie Fisher

Ich lese ab und zu gerne Autobiographien und Carrie Fisher soll ja eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein. Daher habe ich mich mal an dieses gerade mal knapp 160 Seiten lange Buch gewagt, eine von verschiedenen Biographien, die Fisher selbst verfasst hat. In dieser legt sie dabei den Fokus auf … ja, auf was eigentlich?

Am besten lässt sich „Vom Erwachen der Nacht“ als Ansammlung von Anekdoten beschreiben, die Fisher vor allem aufgeschrieben hat, um nach einer Elektroschock-Therapie zu sich selbst zurückzufinden. Aber falls sie uns damit auch was sagen wollte, weiß ich nicht so recht, was. Vielleicht, dass Hollywood echt schräg ist (duh!).

Was soll’s, wenn Fisher von ihren Liebschaften, ihrem Familienleben oder kuriosen Fanbegegnungen berichtet, ist das durchaus vergnüglich. Stellenweise hat sie meinen Humor allerdings weniger getroffen. Weiß nicht, es ist Carrie Fisher, also sind ihre albernen Witze über ihre homosexuellen Freunde okay oder was? Na ja. Wie gesagt, vergnüglich, aber irgendwie auch belanglos. In etwa so, wie sich durch den Twitterfeed einer Person zu lesen.

(6) „Das Geheimnis des Goldschmieds“ von Elia Barceló

 „Das Geheimnis des Goldschmieds“ ist der Debütroman der inzwischen recht bekannten spanischen Schriftstellerin Elia Barceló. Die (Liebes-)Geschichte um einen Zeitreisenden wider Willen bietet inhaltlich nicht allzu viele Überraschungen, wenn man ein bissl weiß, wie Magischer Realismus funktioniert. Macht aber nichts, denn Barceló erzählt so bildhaft und lebendig vom Leben in der spanischen Provinz über mehrere Dekaden hinweg, dass die Handlung für mich eh zweitrangig war. Eine schöne Novelle, verträumt und melancholisch. Sehr empfehlenswert!

(7) „Der Wächter der Winde“ von Oliver Plaschka

Ein schwerkranker Magier erschafft ein Refugium für sich und seine kleine Tochter, eine eigene Welt, in der nichts Böses geschieht. Bis der Magier Jahre später Besucher aus seiner Vergangenheit in diese Welt lässt.

Mit „Der Wächter der Winde“ erzählt Oliver eine Fantasyvariante von Shakespeares „Der Sturm / The Tempest“, die teils im Hier und Jetzt, teils in der Vergangenheit und teils in einer Oz-haften Parallelwelt spielt. Zum Glück orientiert er sich dabei vage genug am Originalstück, dass auch Leute wie ich, die dem Original nicht nur Liebe entgegenbringen, Freude am Buch empfinden können 😉 Und tatsächlich hatte ich mit „Der Wächter der Winde“ sehr viel Freude. Vor allem die erste Hälfte kommt überraschend leichtfüßig daher und erinnert, wenn man es mit Olivers anderen Büchern vergleichen möchte, am ehesten an „Die Magier von Montparnasse“. In der zweiten Hälfte allerdings wird es dann doch noch ziemlich weird. Lässt man sich darauf ein, erhält man eine bittersüße, wenn auch insgesamt vielleich etwas zu versöhnliche Geschichte über Sehnsüchte und das Ungesagte, das zwischen Menschen steht.

Und auch hier bietet sich ein Filmvergleich an: Vor allem zum Ende hin hat mich das Buch sehr an „Das Kabinett des Dr. Parnassus“ erinnert; mag man dessen Erzählweise, sollte man auch an „Der Wächter der Winde“ Gefallen finden.

Übrigens, kleines Offtopic: Ich dachte die ganze Zeit, schon einmal eine Leseprobe zu euner Fantasyvariante von „The Tempest“ gelesen zu haben, kam aber nicht drauf, von wem. Inzwischen habe ich das Buch endlich im Netz wiedergefunden, es handelt sich um „Die Insel des Magiers“ von Tad Williams, ebenfalls erschienen bei Klett-Cotta.

Foto mit Büchern zu "Der Wächter der Winde", "Herr der Wälder" und "Das Geheimnis des Goldschmieds"
„Der Wächter der Winde“ (Klett-Cotta), „Herr der Wälder“ (Amrûn) und „Das Geheimnis des Goldschmieds“ (Piper)

Und nach diesem Hinweis kann ich dann auch für dieses Jahr blogtechnisch die Klappe halten. Wobei, vielleicht kommen noch die Dezemberansichten … vielleicht kommen sie aber auch erst im Januar … Vorsichtshalber wünsche ich jedenfalls schon jetzt einen guten Rutsch ins nächste Jahr!