PAN-Branchentreffen und Literaturcamp Bonn 2018
Warum zur Hölle hab ich gesagt, dass ich das Ding heute noch veröffentliche? Jetzt muss ich dafür „The Winter Soldier“ unterbrechen, dabei ging da gerade die Post ab. Seufz. Was tut man nicht alles für … ja, für was eigentlich. *Persönlichkeitskrise incoming*
Gut, wenn wir uns schon opfern, wird das hier jetzt auch ordentlich angegangen. Halbwegs ordentlich zumindest. Falls ihr nicht wisst, was los ist: Ich habe im April zwei Mal das heimatliche Ghulhaus verlassen. Einmal, um das PAN-Branchentreffen zu besuchen und dann noch mal, um beim Litcamp NRW in Bonn vorbeizuschauen. Eigentlich wollte ich beide Events mit ein paar kurzen, knackigen Worten in den Aprilansichten abspeisen, aber irgendwie wurden schon die Abschnitte zum Branchentreffen weder kurz noch knackig. Daher, und um die Aprilansichten-Leser nicht zu sehr mit Events vollzuspammen, nun ein eigener Beitrag.
PAN-Branchentreffen
Den Start machte vom 19. bis 21. April das PAN-Branchentreffen, das nach einem Intermezzo in Sodom* Berlin erneut im Odysseum in Köln-Kalk stattfand. Wie schon beim ersten Mal schickte die Sonne krass warme Grüße, wovon die Kellerkinder drinnen allerdings nicht viel mitbekamen. Aber wer braucht schon Sonnenstrahlen, wenn er sich in den Gefilden der kollegialen Phantasten-Liebe befindet, die die Seele auf eine Art wärmen, wie es der Sonne nie möglich wäre.
Sorry, ich muss nebenher ein *tiefer, dramatischer Seufzer* Romantasy-Manuskript überarbeiten und aufpassen, halbwegs in Stimmung zu bleiben. Es war ja auch echt ganz lauschig und flauschig. Ich habe mich ganz ironiefrei sehr gefreut, den einen oder anderen endlich wiederzusehen, und auch das Neu-Kennenlernen (Yo, Networking!) hat ganz gut funktioniert.** Das Catering (wichtiges Thema!) war, von ein paar Allergiker-Sinnkrisen abgesehen, ein Träumchen, und man muss den Kellnern (bzw. DEM Kellner) im Sünner Keller Kudos dafür aussprechen, den XXL-Netzwerk-Abend überstanden zu haben. Hoffe zumindest, er hat’s überstanden.
Aber. Zwischen Kaffee, Pudding und Schnitzel gab es ja auch noch Podiumsdiskussionen und Vorträge, und von denen bleibt insgesamt so ein etwas schales Gefühl. Nun muss ich zugeben, als Orga-Mitglied vieles gar nicht oder nur halb mitbekommen zu haben, da ich die meiste Zeit über am Empfang saß oder mehr auf etwaige Fragen aus dem Publikum zwecks Mikrofonübergabe anstatt auf die Inhalte geachtet habe. Und ich weiß auch, dass die Organisation des Branchentreffens scheiße viel Arbeit war, weshalb ich gerne alles super und toll finden würde. Aber ganz geht das dann halt doch nicht.
Im letzten Jahr habe ich noch geschrieben, dass die Beiträge keine wissenschaftliche Tiefe benötigen. Es geht ja eher darum, Meinungen auszutauschen, sich inspirieren zu lassen und Themen aufgezeigt zu bekommen. Grundsätzlich denke ich das immer noch, weshalb ich z. B. auch den Vortrag von Katja Böhne zur SF sehr mochte. Er bot keinen besonderen inhaltlichen Mehrwert, negierte sogar die Vielfalt des umkuschelten Genres, vermittelte aber auf unterhaltsame Art ein Lebensgefühl. Kann man mal machen.
Auch die erste Podiumsdiskussion zum Thema Comic fand ich sehr gelungen, nur hörte sie irgendwie auf, als es gerade spannend wurde. Kann ma nix machen, läuft bei Diskussionen halt häufiger so. Aber bei den anderen beiden hätte ich mir dann doch etwas mehr Inhalt gewünscht.
Die Diskussion zu „Autor – Beruf mit Zukunft oder Berufung ohne Perspektive?“ bot schöne Ansätze, bei denen einem als Autor ganz warm ums Herz wurde, war aber doch sehr persönlich gefärbt. Da hätte ich mir zwischendurch ein paar Fakten, auch mal einen nüchternen Blick auf die finanziellen Fragen des Verlagsgeschäfts gewünscht, und auch das Thema Selfpublishing als Alternativweg wäre eine interessante Ergänzung gewesen. Natürlich hätte man dann umso mehr nur anschneiden können, aber so blieb das Gefühl, eher einem netten Kaffeekränzchen zugesehen zu haben. Dafür will jetzt wohl jeder Schriftsteller, der anwesend war, für die Leute von „Perry Rhodan“ schreiben.
Tja, und dann war da die denkwürdige Podiumsdiskussion zu Rassismus, Sexismus und Homophobie. Hinterher sagte jemand, es wäre besser gewesen, als Thema schlicht „Verantwortung“ zu nehmen, wie es auch in dem bereits in den Aprilansichten genannten Beitrag von Fried Phoenix vorgeschlagen wurde. Eigentlich lief die Diskussion ja sogar unter „Welche Verantwortung hat die Phantastik?“, nur wurden halt die drei Schlagworte vorangestellt. Das Ergebnis war eine (Publikums-)Diskussion, die stellenweise fast schon auf Stammtischniveau verlief und in der zwar endlos über Dumbledores Beziehung zu Grindelwald debattiert wurde, das Thema „Verantwortung“ aber kaum zur Sprache kam.
Da wollte man einfach zu viel in zu wenig Zeit packen, es wäre ratsamer gewesen, das Thema entweder allgemeiner oder aber fokussierter zu halten. (Etwas paradox, ich weiß.) Vielleicht hätte man auch das Publikum ein wenig auszuklammern und stattdessen weitere Teilnehmer aufs Podium holen sollen. Den Herrn von Lake Hermanstadt beispielsweise, der sich auch diesen Monat wieder mit der Frage nach faschistischer Fantasy auseinandergesetzt hat.***
Letztlich wurde vor allem Sexismus als Schlagwort herausgepickt, Rassimus fiel mehr oder weniger völlig runter. Betrachtet man die Diskussion allerdings als Aufhänger, kann sie durchaus als gelungen bezeichnet werden: Zumindest zum Thema Frauenfiguren in der Phantastik ist eine muntere Debatte entbrannt, guckst du hier.
Das übergreifende Thema des Branchentreffens – „Träumen Androiden von Freiheit? Über Gesellschaft und Politik in der Phantastik“ – war natürlich insgesamt auch etwas undankbar. Also, ich hab’s selbst gewählt, und finde es auch weiterhin wichtig und richtig, aber da hängt so ein Rattenschwanz dran, wo soll man da anfangen und wo aufhören?
Wie schon 2017 habe ich auch dieses Jahr zum Branchentreffen wieder gemeinsam mit Simon Czaplok und der Mephisto-Redaktion ein Sonderheft herausgegeben, in dem PAN-Mitglieder Artikel zum Oberthema beigesteuert haben. Dabei ist ein bunter Themenmix herausgekommen, bei dem Beiträge über homosexuelle Figuren neben solchen über die Frage nach der Mitschuld phantastischer Werke an Amokläufen oder meinem eigenen Beitrag zur politischen Verantwortung von Geek-Bloggern stehen. Dennoch kann natürlich nicht jedes Thema behandelt, ja, nicht einmal angeschnitten werden, und die Waage zwischen subjektiven Ansichten und Leserinteressen zu halten, war nicht ganz leicht. Mit dem Ergebnis bin ich trotzdem zufrieden und ma lernt ja immer munter dazu, was man dann im nächsten Jahr noch weiter verbessern könnte.
Die Sonderausgabe wurde auf dem Branchentreffen verteilt und liegt der nächsten regulären Ausgabe (Nr. 68) von Mephisto bei.
Nu aber genug der Kritik, denn der letzte Tag, der mehr oder weniger den Workshops vorbehalten war, hat es für mich wieder rausgehauen. Und alle, die vorher schon abgereist sind, sind selbst schuld! So!
Volker Wittpahl, der schon im letzten Jahr auf dem Branchentreffen mit einem viel diskutierten Vortrag vertreten war, hielt gemeinsam mit Robert Thielicke vom Technology Review**** einen Workshop zum Thema Technik in der Fantasy ab. Das Ganze wurde schnell zu einem Abwägen von Utopien und Dystopien, und ich konnte endlich mal einen Kommentar zum Solarpunk loswerden. Hat mich letztes Jahr schon getriggert, dass Wittpahl das Genre komplett ignoriert hat, obwohl es momentan doch DIE Anlaufstelle für Technik-Utopien ist. Na ja, ich mag jedenfalls solche Workshops und Vorträge mit schönen blauen Bildern von Netzen und Data-Kram. Ich kapier es meistens nicht, aber ich mag das Gefühl, etwas auf der Spur zu sein. Jaha.
Einen vergnüglichen Abschluss boten Diana Menschig und Susanne Pavlovic mit ihrem Workshop zur Namensfindung. Ich bin ja so jemand, mal brauche ich drei Tage und diverse Anlaufstellen, um endlich DEN Namen für die Nebenfigur von S. 126 zu finden, und dann wieder bekommt das Pferd einen Namen aus dem Bauch heraus, weil es halt nicht nur durch die Wüste läuft. Habe so noch ein paar neue Ansätze kennengelernt, und am Ende betrieben wir Name-Dropping und der Rest der Versammelten durfte raten, was für eine Figur sich hinter dem jeweiligen Namen verbirgt. Ein neues Spiel für Autoren-Stammtische ward geboren.
Literaturcamp NRW
Nach dem Branchentreffen war ich etwas geplättet und hätte nicht unbedingt schon wieder eine neue Veranstaltung gebraucht. Andererseits bin ich ja jetzt etwas Barcamp-angefixt, also ging es am Samstag, den 28. April auch noch zum Literaturcamp NRW im Haus der Bildung in der Bonner Innenstadt.
Man sollte meinen, es würde eine recht große Überschneidung bestehen bei den Teilnehmern zweier räumlich und zeitlich so eng beieinander liegenden Literatur-Veranstaltungen, aber nope. Außer Christina Löw und mir waren glaube ich keine weiteren Branchentreffen-Teilnehmer in Bonn zugegen, obwohl PAN zwischendurch sogar mal Thema wurde. Insgesamt war das Literaturcamp recht Blogger-lastig, außerdem hatte ich den Eindruck, dass viele der anwesenden Autoren aus der Krimi-Ecke kamen. Ein paar Phantasten liefen aber auch hier herum, und ich freue mich, endlich mal Wolfgang Lamar und Sameena Jehanzeb getroffen zu haben, die ich bisher beide nur von Twitter „kannte“.
Auf dem NetzpolitikCamp fühlte ich mich ohne eigene Session etwas nackt. Daher habe ich dieses Mal selbst eine abgehalten, in der es um die Koordination mit verschiedenen Autoren beim Schreiben in Shared Universes und bestehenden Serien ging. Die Konkurrenz war groß – parallel fanden sechs weitere Sessions statt –, aber ein paar Leute fanden doch den Weg zu mir und es kam eine muntere Diskussion und Fragerunde in Gang. Vielen Dank dafür 🙂 Hier ein Beweistweet (sowas geht dann wohl auch bald nicht mehr).
Spannend, wie der Überblick bei mehreren Autoren und Büchern über eine Reihe behalten wird! @FragmentAnsicht #LitcampBN18 pic.twitter.com/PqKdlmt9sj
— Elena (@Gedankenfunken) April 28, 2018
In den übrigen Sessions stellte ich fest, dass Sketchnotes nicht so mein Ding und Bonner Lokalautoren recht politisch interessiert sind. Zwischendurch verabschiedete sich leider das Catering-Team und ließ uns ohne Wasser zurück, das war nicht so nice. Weiß doch jeder, wie wichtig das Futter auf solchen Veranstaltungen ist! Dafür fand ich die sonstige Verpflegung in Anbetracht des geringen Preises in Ordnung (Minimuffins! <3) – aber auch hier wäre eine Allergenkennzeichnung wünschenswert gewesen.
Zum Abschluss ging es in die DSGVO-Hysterie-Gruppe, die von Britta Kretschmer von Internetkurse Köln abgehalten wurde. Danach waren alle etwas deprimiert, zum Glück gab es aber noch eine Bücherverlosung.
Insgesamt fand ich das Litcamp ein wenig beliebig, was aber auch an meiner Sessionauswahl liegen könnte. Nicht, dass die Sessions schlecht ausgeführt gewesen wären, ich hatte nur einfach ein Talent dafür, solche zu erwischen, die inhaltlich dann doch nicht so mein Fall waren, von der Hysterie-Gruppe mal abgesehen. Zum Netzwerken trotzdem eine tolle Gelegenheit****, und ich bin schon gespannt auf das hoffentlich stattfindende Bonner Litcamp 2019.
Uffa. Und jetzt gehe ich erst einmal zu Bette, verlinkt wird morgen. Aber ihr wisst ja, auch im frisch gestarteten Mai warten viele weitere Veranstaltungen für den geneigten Phantasten, etwa die RPC oder die Fantasy Basel.
*Ich habe gerade eine Epiphanie. ICH KAPIERE, WARUM DIE BAND SODOM SODOM HEISST!
**Zudem habe ich manche Leute irgendwie neu kennengelernt, fällt mir gerade auf. Also mich mal so richtig mit Leuten unterhalten, die ich im Grunde schon lange kenne, aber halt nur so vom Ach-dich-gibt-es-auch-Her, you know. Find ich gut, das.
***Ach Mist, hab vergessen, den in die Aprilansichten zu packen.
****Hm, Netzwerken klingt immer so erzwungen. Sagen wir, „zum Kennenlernen“.
Hey Alessandra!
Dein Wochenende war noch vollgepackter als meins. Aber toll, dass du trotz des PAN-Treffs auch zum Litcamp gekommen bist. Mit den Sessions ging es mir wie dir. Entweder waren die Themen nicht das was ich erwartet hatte oder ich habe mich einfach in der Session-Wahl vergriffen. Das beste war für mich eindeutig das Zusammentreffen mit einigen der Bloggerinnen und AutorInnen. Falls es das Litcamp nächstes Jahr wieder geben sollte werde ich den zweiten Versuch aber auf jeden Fall wagen und dann mal versuchen bei der Auswahl der Sessions besser hinzugucken.
Liebe Grüße,
Sameena
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