Terry Pratchett und die Scheibenwelt: Anekdoten, Einstieg und Favoriten
Am 12. März 2015 stand ich in einer Buchhandlung vor den Terry-Pratchett-Romanen und überlegte, mir „Pyramiden“ zu kaufen.* Daheim wollte ich nachschauen, wie das Buch bewertet ist und las die Nachricht, dass Pratchett ein paar Stunden zuvor gestorben war.
Nicht so ein krasser Zufall, wenn man bedenkt, wie oft ich vor Terry-Pratchett-Regalen herumstehe, aber eine von vielen Erinnerungen und Anekdoten, die ich mit ihm und seinen Büchern verbinde. Ähnlich wie die, als ausgerechnet eine Klassenkameradin, mit der ich im Clinch lag, im Deutschunterricht die „Nomen“-Trilogie als die Bücher vorstellte, die sie zum Lesen gebracht hatten. Oder wie die, als meine Mutter in der Buchhandlung fragte, wo sie „Kleine freie Männer“ finden könne und die Verkäuferin ihr antwortete, dass sie das auch gerne wüsste.
Terry Pratchett war einer der wenigen Fantasyautoren, die mein RL-Freundeskreis las und mochte** und mit dessen Büchern man fast überall ein Smalltalk-Thema hatte. Er war auch einer der wenigen Promis, bei deren Tod ich wirklich betroffen war, und es auch am Jahrestag immer noch bin, dieses Jahr vielleicht noch mehr als sonst.
Terry Pratchett
(Foto von Robin Zebrowski unter CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)
Wie ich zum TOD fand
Dabei hatte meine literarische Beziehung zu ihm nicht gerade mit Begeisterungsstürmen begonnen. Im elterlichen SF- und Fantasy-Regal gab es nur ein Buch von ihm, und zwar „Rollende Steine“. Das Cover fand ich mit damals vielleicht 11, 12 Jahren fast so seltsam wie die von John Brunner***, und auch inhaltlich hatte ich meine Probleme. Was mir gefiel, waren in erster Linie das Musikthema und TOD. Rückblickend betrachtet ist „Rollende Steine“ halt auch ein sehr schlechter Einstieg. Auch wenn sich theoretisch jeder Scheibenwelt-Roman ohne Kenntnis der anderen lesen lässt, gibt es doch einige, die inhaltlich starken Bezug auf andere nehmen, und ohne „Gevatter Tod“ und „Alles Sense“ macht „Rollende Steine“ entsprechend nur so halb Sinn.
Allerdings frage ich mich, was denn eigentlich ein guter Einstieg in die Reihe ist. „Die Farben der Magie“ jedenfalls meiner Meinung nach nicht, denn die ersten Scheibenwelt-Bücher sind noch so unstrukturiert und langatmig, dass es schwerfällt, am Ball zu bleiben. Wenn man Katzen mag, ist wohl „Maurice, der Kater“ nicht schlecht für den Anfang, gerade für Teenager bieten sich außerdem die „Tiffany“-Bände an. Vielleicht muss man aber auch einfach bereit sein, ein bisschen durchzuhalten.
Ich hätte das beinahe nicht, nach „Rollende Steine“ habe ich die Scheibenwelt lange eher mit wohlwollendem, aber mäßigem Interesse verfolgt. Erst, als mir jemand sehr nachdrücklich „Gevatter Tod“ auslieh, begann der Verfall. Wait, das klingt komisch. Also, ich war dem TOD verfallen. Natürlich nur diesem Speziellen, und mit ihm der Scheibenwelt. Nach und nach habe ich mich tiefer in sie hineinbegeben, die Hexen und die Wachen kennengelernt, und langsam aber sicher wurde die Scheibenwelt zu einer Welt, durch die zu reisen mir sehr viel Spaß gemacht hat.
Von Sensen und Märchen
Eigentlich wollte ich an dieser Stelle eine Top-7-Liste meiner All-Time-Pratchett-Favorites erstellen, aber ich komme dabei vom Hundertsten ins Tausendste, daher ein anderer Ansatz. Grundsätzlich mag ich beispielsweise – wie schon erwähnt – die TOD-Bücher sehr gerne, am liebsten davon „Alles Sense“. Sie transportieren meiner Meinung nach am besten den Wortwitz und leicht grotesken Charme, der so typisch war für Pratchett.
Meine Lieblingsreihe innerhalb der Scheibenwelt ist allerdings die um Junghexe Tiffany, die mit „Kleine freie Männer“ startet. Anders als viele andere Romane des Scheibenwelt-Kosmos haben die Tiffany-Bände eine runde Handlung und leben nicht allein von der Situationskomik, die vor allem im Finale „Die Krone des Schäfers“ ohnehin einer ungleich ernsteren, überraschend versöhnlichen Grundstimmung weicht.
Aus irgendeinem Grund werden die Tiffany-Bände als Scheibenwelt-Märchen vermarktet, und dasselbe gilt für einen weiteren meiner Favoriten: „Maurice, der Kater“. Ich meine – ein Kater als Protagonist und Ratten, die ein soziales Gewissen entwickeln, wie kann man sowas nicht toll finden?!
Kurzweilig war auch „Eric“, was ich allerdings nur dank eines Stickers auf dem Cover als „Faust“-Interpretation identifizierte. Ebenso gehört „Ab die Post“ zu meinen Favoriten, es fasst für mich am besten den satirischen Geist der Scheibenwelt-Romane zusammen. Und dann sei noch „Lords und Ladies“ hervorgehoben. Die Pratchett-Elfen gehören für mich seit diesem Buch mit zu den besten Antagonisten, die die Fantasy zu bieten hat.
Abseits der Scheibenwelt
Auch außerhalb der Scheibenwelt gibt es eine Reihe empfehlenswerter Pratchett-Romane, etwa „Die gemeine Hauskatze“ – eine Art augenzwinkernder Ratgeber für Katzenliebhaber –, und „Dunkle Halunken“, eine pseudohistorische „Oliver Twist“-Adaption. Müsste ich mich für eine Nr. 1 entscheiden, „Dunkle Halunken“ – auch einer der jüngeren und ernsteren Pratchett-Romane – und die Tiffany-Bände „Ein Hut voller Sterne“ und „Die Krone des Schäfers“ würden sich einen harten Fight liefern.
Dem gegenüber gibt es auch einige Bücher, die ich nicht so toll fand. Ausgerechnet mit „Helle Barden“ beispielsweise bin ich nicht richtig warm geworden, für viele ja einer der besten Scheibenwelt-Romane. Auch durch „Ruhig Blut“ und „Die Teppichvölker“ konnte ich mich nur schwerlich durcharbeiten, und von den Zauberern habe ich mit Ausnahme von „Eric“ kein einziges Buch zu Ende bekommen.
Lexika, Atlanten und Essays
Mit steigender Beliebtheit wuchsen auch die Non-Fiction-Veröffentlichungen und Merchandiseartikel zu Pratchett und der Scheibenwelt. Dazwischen gibt es einiges an Quatsch, aber auch Titel, die sich definitiv lohnen. Für sehr empfehlenswert für jeden, der sich mit Phantastik-Theorie beschäftigt, halte ich beispielsweise die Essay- und Anthologiesammlung „Die ganze Wahrheit“. Nett für zwischendurch sind das Hintergrund-Lexikon „Die Scheibenwelt von A bis Z“, ebenso die schon visuell sehr ansehnlichen „Vollsthändiger und unentbehrlicher Stadtführer von gesammt Ankh-Morpork“ und „Vollsthändiger und unentbehrlicher Atlas der Scheibenwelt“. Wer nach all dieser Wissensansammlung Entspannung braucht, ist mit dem Scheibenwelt-Malbuch gut beraten.
Seite aus dem Ankh-Morpork-Stadtführer (erschienen bei Manhattan)
Da das langsam in einem Marketingtext ausartet, ist es wohl an der Zeit, zum Ende zu kommen. Und noch einmal zu rekapitulieren, wie ich mit einem Rattentod-Avatar Kollegen amüsierte. Oder wie ich mich in die Diskussion zweier wildfremder Männer einmischte, die darüber debattierten, ob die Scheibenwelt nun gut sei oder nicht. Schätze, meine Haltung dürfte jetzt klar sein.
*Und es nicht getan. Bis jetzt nicht.
**Zumindest, bis die YA-Welle richtig ankam.
***Ich mag die Illustrationen von Josh Kirby, aber erst, seitdem ich mich in der Scheibenwelt halbwegs auskenne. (Und insgesamt mag ich die von Paul Kidby etwas lieber. Darf man das sagen?)
„Die Farben der Magie“ fand ich ja schwer erträglich… „unstrukturiert und langatmig“ trifft es – auch eine Kunst, ist ja eigentlich ein kurzes Buch. Gibts denn außer der Hexenreihe (die ich mir dann mal anschauen werde) noch Romane mit runder Geschichte? Sketchshow reicht mir einfach nicht…
[…] Leser hat wohl so seine Lieblingsreihe innerhalb des Scheibenwelt-Kosmos: Für die einen sind es die Wachen, für die anderen TOD oder die Hexen, und für mich ist […]
[…] gehört habe und das ist vermutlich kein besonders gutes Zeichen. Dabei kann man mit Scheibenwelt doch nichts falsch machen! Dachte ich zumindest, als ich mir das Hörspiel von […]