Maiansichten 2017
Seit mehr als hundert Jahren verspricht die Science Fiction uns fliegende Autos. Und was ist passiert? Nichts. Stattdessen sind wir gerade erst beim Totwinkel-Assistenten für Motorradfahrer. Auch die Sache mit den Hoverboards kommt erst so langsam ins Rollen und bisher sehen die Fußballspiele zwischen Robotern noch dezent ungelenk aus.
Futurismus international
Wie nah manche SF-Erfindungen aber doch an der Realität sind oder es in den nächsten Jahren werden könnten, zeigt diesen Monat Victor Fernando R. Ocampo, ein Schriftsteller aus Singapur. Dafür zieht er Erfindungen aus philippinischen SF-Romanen heran, von denen hierzulande wahrscheinlich noch nie jemand gehört hat. Das macht es aber nicht minder interessant, im Gegenteil.
Selbiges gilt für die sieben Kurzfilme aus dem Spektrum des Afrofuturismus, die auf dem Blog Libroscope vorgestellt werden. Das Ganze ist Teil der Reihe „afrika: diaspora“, die ohnehin einen Blick wert ist und unter anderem afrofuturistische Romane vorstellt.
„Yay, Netflix verfilmt was!“
„Oh nein, Netflix verfilmt was.“
Bei Kurzfilmen sind wir außerdem mal wieder bei Tomasz Bagiński, der, nachdem er sich schon an Intros und Trailern der Games ausprobieren durfte, nun auch als Produzent und Mitautor bei der Netflix-Serie zu „The Witcher“ fungieren darf. Dass eine solche Serie nun tatsächlich kommt, hat wie üblich zu einiger Begeisterung, aber auch zu Kritik geführt. Ich denke, sie könnte durchaus funktionieren. Ich hab die Begeisterung für die Geralt-Saga zwar nie so ganz nachvollziehen können, aber von Inhalt und Stil her passt sie auf jeden Fall besser in den Fluss der „Game of Thrones“-Begeisterung als beispielsweise „Shannara“. Außerdem hat sie bereits Fans in der passenden Zielgruppe. Mehr Bedenken habe ich da zu der kommenden Netflix–Verfilmung von „Death Note“ – aber ich mag ja sogar die japanischen Realverfilmungen, bin also hart im Nehmen.
Schwierige Utopien und veränderte Dystopien
Auf Tor-Online setzte Lars Schmeink sich diesen Monat damit auseinander, wie schwierig es für Autoren geworden ist, neue, nicht-kapitalistische Gesellschaftsmodelle zu erfinden, nennt aber auch Beispiele, bei denen es in Ansätzen doch gelungen ist.
Der Wunsch nach neuen Utopien kam in letzter Zeit ja immer mal wieder auf, aber tatsächlich bleibt mit dem Solarpunk die einzige mit bekannte größere Strömung in diesem Bereich auf technische Utopien beschränkt. Allenfalls findet sich hier die vage Hoffnung, eine Welt im Ressourcenüberfluss würde auch deren soziale Probleme lösen. Was bei näherer Betrachtung doch etwas naiv klingt.
Kein Wunder also, dass sich die Dystopie weiterhin größerer Beliebtheit erfreut als ihr positiverer Gegenpart (wobei sich beide ja mitunter recht nahe kommen). Auf dem Buchblog Who is Kafka? ging man daher der Frage nach, was denn nun überhaupt eine Dystopie ist und wie sich vor allem die neuen Jugenddystopien von anderen Vertretern des Genres unterscheiden. Ein spannendes Thema, bei dem ich unauffällig Eigenwerbung für „Liminale Personae“ betreibe (so gut wie keine Liebesgeschichte, versprochen). Am Rande möchte ich aber doch eine Lanze selbst für die Kitsch-Dystopien brechen, denn sie sind so ein bisschen, was „The Rasmus“ Mitte der 2000er für den Metal war: Belächeltes Zeug zur Unterhaltung, das aber doch neue Zielgruppen an die Musikrichtung bzw. nun eben ans Genre herangeführt hat. Wir haben in der Schule „Farm der Tiere“ und „1984“ gelesen, aber wenn ich sage, dass das 5-10 % der Schüler dazu animiert hat, sich mehr mit Dystopien auseinanderzusetzen, ist das wahrscheinlich schon optimistisch. Jugenddystopien holen viele Leute – nicht nur Jugendliche – mehr in ihrer Lebenswirklichkeit ab. Man kann ihnen vorwerfen, dass sie vor lauter Liebestralala nicht konsequent genug sind – ein krasses Beispiel dafür wäre etwa „Neva“, ein Roman mit unglaublich viel verschenktem Potenzial. Aber sie sind ein Anfang, und sollten manchmal auch nicht unterschätzt werden. Gerade, wenn es um „Die Tribute von Panem“ geht.
Wir bleiben dann mal unter uns?
Ein eher dystopisches Bild malt auch das frisch gegründete Nornennetz, ein „Netzwerk deutschsprachiger Fantastik[sic]-Autorinnen“. Nun sehe ich mich als offenbar weibliche Phantastikautorin durchaus mit einigen diskutierenswerten Problemen konfrontiert – erst kürzlich sagte mir ein Freund beispielsweise wieder, er lese keine Fantasy von Frauen, weil sie das „einfach nicht drauf hätten“. Trotzdem ist mir der Dialog bzw. die Diskussion in einem gemischten Netzwerk lieber bzw. erscheint mir sinnvoller als die (bisherige) Sammlung von Twitterphrasen. Allerdings, das Nornennetz steht am Anfang. Bisher ist mir noch nicht ganz klar, was es bedeutet und was es konkret anstrebt – aber das wird die Zukunft ja hoffentlich zeigen.
Man könnte meinen, es sei schon FeenCon
Mit dem Mai befindet sich auch die Saison der Mediacons langsam, aber sicher in der heißesten Phase. Wortwörtlich. In München fand am 27. und 28. Mai mal wieder eine Comic Con statt, die offenbar ebenso wie die meisten anderen nicht so richtig überzeugen konnte. Parallel ging außerdem wieder einmal auf dem Köln-Deutzer Messegelände die Role Play Convention über die Bühne, bei der so mancher Cosplayer oder LARPer ins Schwitzen gekommen sein dürfte.
Nun kann ich mich Thomas Michalskis Behauptung, es sei „die beste RPC bisher“ gewesen, nicht ganz anschließen.* Dafür hat es dann doch ein wenig an Programmhighlights gefehlt** und auch verkaufstechnisch hätte es besser laufen können. Vielleicht lag’s an der Hitze, vielleicht am Standort oder einfach an mir, aber vor allem samstags hat sich da nicht wirklich viel getan. Eine Lesung parallel zu einem Tommy Krappweis-Workshop zu haben, hat sich ebenfalls nicht als allzu ideal herausgestellt.*** Aber nichtsdestotrotz: Die RPC ist und bleibt mein Lieblingsevent des Jahres. Wegen der gebotenen Vielfalt, wegen dem Außengelände, wegen der sinnlichen Eindrücke, inzwischen auch (wieder) wegen der gemütlichen Schriftsteller- und Literaturecke. BuCon, FeenCon, alles gut und schön. Aber die RPC bietet eine Atmosphäre, die ich einfach noch bei keinem anderen Phantastik-Event erlebt habe. Daher freue ich mich schon auf die Ausgabe 2018 und schließe den Beitrag beinahe stillschweigend mit ein paar Messe-Fotos.
*Das bleibt bis auf weiteres die RPC von 2015. Allein schon wegen der Konzerte!
** Wobei ich zugeben muss, wegen des Stands auch nicht viel von den Programmpunkten mitbekommen zu haben.
*** Kann mir natürlich keinen anderen Grund vorstellen, warum recht wenig Leute in der Lesung waren. 😉