
Frühlingsansichten 2025
Auszeichnungen und Climate Fiction, KI und Science Fiction, spekulative Architektur und Dystopien, Moorsagen, tropes und vieles mehr : die Frühlingsansichten 2025.
Es blühen die Bäume und die Awards. Die ersten Phantastik-Preise wurden bereits verliehen, für die nächsten jagt gerade eine Nominierungsliste die nächste, wobei sich einige Überschneidungen in Sachen Titel finden lassen. Damit hier andere Themen ebenfalls noch ihren Platz finden, belasse ich es bei schnöden Aufzählungen; weitere Infos findet ihr jeweils in den Links:
- Beim Österreichischen Phantastikpreis hat Svenja Knisel mit „Dissecting a topia“ das Rennen gemacht. Sagte mir bisher nichts, die Jurybegründung klingt aber vielversprechend.
- Der Kurd Laßwitz Preis hat seine Nominierungen veröffentlicht.
- Der Inklings Preis hat die Nominierungen seiner „Kreativklasse“ für Kurzgeschichten und Mikrofition bekanntgegeben.
- Zum Krefelder Preis für Fantastische Literatur wurde eine Longlist herausgegeben.
- Auch der Vincent Preis hat eine Nominierungsliste.
ESFS Awards und Seraph
Ebenso wurden gemeinsam mit dem Chrysalis Award, der dieses Jahr an Lena Richter geht, die deutschen Nominierungen zu den European Science Fiction Society Awards durch den Science Fiction Club Deutschland (SFCD) bekanntgegeben. Man konnte dafür im Vorhinein ja Vorschläge einreichen; in drei Kategorien hatte ich das gemacht und in zweien davon gab es offenbar keine Gegenvorschläge, was ein kritisches Licht auf die allgemeine Beteiligung wirft. Leute, seht das als Chance. Ich kann gerne im nächsten Jahr wieder meine persönlichen Favoriten nominieren und mich daran erfreuen, dass es zumindest 1/3 durch das anschließende Voting auf scifinet.org schafft. Aber wenn der Preis bzw. die deutschen Nominierungen wenigstens einen Hauch von allgemeiner Aussagekraft haben sollen, wären so zwei, drei, wenn’s ganz wild wird vielleicht sogar vier Vorschläge pro Kategorie nicht schlecht. Gerade wenn es um einen Preis mit internationaler Tragweite geht.
Das Nominierungsprozedere bereits hinter sich gebracht hat der Seraph, der im Rahmen der Leipziger Buchmesse verliehen wurde. Über die hübsche Trophäe und das Preisgeld dürfen sich in diesem Jahr Freya Petersen mit „Die Mutter der Masken: Säure“ (Debüt), Theresa Hannig mit „Parts Per Million“ (Roman) und Kai-Holger Brassel mit „All An!“ (Independant Titel) freuen.
Ich war in dieser Runde nach 2018 und 2020 erneut in der Jury, nun in der Kategorie Debüt. Hierbei läuft es so ab, dass durch die Veranstalterorganisation, die Phantastische Akademie, eine Vorauswahl getroffen wird, und die Jury „nur noch“ die Titel der Nominiertenliste liest. Im Falle des Debüts waren das 2025 neun Bücher. Die drei Favoriten werden mit Punkten an die Phantastische Akademie weitergegeben, die dann auszählt, wer gewonnen hat.
Nun bin ich eigentlich jemand, der sehr lange an einem Buch sitzt, sich Notizen macht, manchmal Gedanken dazu aufschreibt. Es liegt in der Natur der Sache, dass hier kaum Zeit dafür bleibt, und ohne nun zu wissen, wie die anderen Jurymitglieder es handhaben: Bei mir haben für die drei Favoriten die Bücher die beste Chance, die mich schnell in den Bann ziehen. Ich denke aber nicht, dass das auch zwangsläufig die „besten“ Bücher aus den Nominierungen sind. Mir ging es z. B. bei einem der nominierten Titel so, dass ich den Eindruck hatte, es sei viel unter der Oberfläche verborgen, was ich beim schnellen Durchlesen so nicht erfasst habe. Ich freu mich drauf, dieses Buch bald in Ruhe erneut zu lesen. Es war so gesehen der für mich interessanteste Titel der Reihe – trotzdem hat es nicht den Weg in meine Top 3 geschafft (und nicht gewonnen). Vielleicht ist das ein Trost für diejenigen, die den Preis nun nicht erhalten haben – oder gerade nicht. Aber es ist vor allem eine Einladung an euch, neben dem Siegertitel auch die Nominierungen genauer anzuschauen, die allesamt lesenswert sind!
Klima- und KI-Fiktionen
Wo es Awards gibt, da gibt es auch Veranstaltungen – irgendwo müssen die Teile schließlich vergeben werden. In den letzten Monaten fanden beispielsweise die Leipziger Buchmesse mit der Langen Nacht der Phantastik und dem PAN-Branchentreffen statt, ein Fantasy-Con in Wien, die Austria Comic Con oder die Phantastische Zeitreise Hamm.
War bestimmt schön da, aber ich kann’s nicht beurteilen, ich war nicht da.
Dafür habe ich am 30. März mit Dieter Rieken, Anette Schaumlöffel, Nele Sickel, Martin Stottmeister und Markus Tillmann an der Talkien-Gesprächsrunde zu Climate Fiction teilgenommen. Es war ein nettes, nicht besonders in die Tiefe gehendes Gespräch, das sich auf YouTube nachgucken lässt. Eine Sache, die mir in Erinnerung geblieben ist: Es fiel der Vorwurf, dass sich das Feuilleton nicht für Science Fiction interessiere. Das halte ich so aber nicht mehr für haltbar (es wurde im Gespräch auch schon relativiert); passenderweise habe ich noch in den Frühlingsansichten 2024 aufgezählt, an welchen Ecken gerade überall über Science Fiction berichtet wurde. Da hat sich schon viel getan, die Welt der Hauptmedien besteht nicht mehr nur aus Literat*innen, die beim Anblick von Genreliteratur die Näslein rümpfen.
Ein paar Tage zuvor, am 21. März, habe ich noch an einer ganz anderen Veranstaltung teilgenommen: Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe rund um Ethik und KI, die ich an einer Hochschule selbst mit-organisiere, haben wir uns einen Nachmittag lang den Bezügen zwischen Science Fiction und KI gewidmet. Wie beeinflussen SF-Medien unsere Vorstellungen von KI und anderen Zukunftstechnologien? Welche Vorteile bringt das mit sich, welche Risiken? Solche Fragen standen dabei im Zentrum, ein Eventbericht findet sich auf LinkedIn (auch ohne Account lesbar). Teilgenommen haben neben Angehörige der Hochschule Dr. Rebecca Haar und Theresa Hannig, die Vorträge zu Körper- und Hyper-KI beigetragen haben.
Es war ein gelungener Nachmittag (mit überschaubarer Teilnehmerzahl, leider), aber für mich offen gestanden eine sehr eigenartige Situation. Dass sich meine Hochschul- und Szene-Tätigkeiten inhaltlich überschneiden, kommt häufiger vor. Allerdings nehme ich unterschiedliche Rollen ein, mit entsprechend unterschiedlichem Wording und Auftreten. Nun als Organisatorin und Moderatorin in meiner Hochschulrolle aufzutreten, gleichzeitig aber mit Leuten aus der SF-Szene zu tun zu haben, war entsprechend ungewohnt. Und es hat mir letztlich gezeigt, dass ich meine sonstige gedankliche Trennung zwischen beidem schätze. Eine interessante Erfahrung war’s dennoch und wenn sich die Möglichkeit noch mal ergeben sollte, organisiere ich so etwas natürlich gerne noch einmal.
Enge Städte, weite Länder
Ansonsten bin ich aber froh, wenn andere organisieren und ich Nutznießerin sein kann wie im Falle der Ausstellung „Save Land“, die aktuell in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen ist und die ich letzten Samstag besucht habe. Vornehmlich geht es hier um den Schutz von Böden und um Klimaaktivismus, wobei Wissenschaft mit Kunst ebenso verbunden wird wie interaktive Elemente mit Videos und Infotafeln. An die Ausstellung angedockt sind aber auch zwei Kurzfilme von Liam Young, „Planet City“ – was man in den Ausstellungsräumen selbst anschauen kann –, und „The Great Endeavor“, was bis letztes Wochenende bei kostenfreiem Eintritt im Medienkunstraum lief.


Über Liam Young habe ich schon häufiger berichtet, z. B. als Youngs spekulative Architektur 2021 auf Zeit.de vorgestellt wurde, oder 2023 im Zuge der Science-Fiction-Ausstellung in London. Mal abgesehen davon, dass Youngs Werke visuell beeindruckend erzählt sind: Interessant finde ich an ihnen, dass sie Utopien mit der visuellen Ästhetik erzählen, die wir eher aus Dystopien kennen. Die „Planet City“, die er den Menschen zugesteht, während der Rest des Planeten der Natur gehört, ist nicht grün bewachsen und stets sonnig, sie ist funktional. Und „The Great Endeavor“ hält sich ebenfalls nicht mit Landschaften auf, die dazu einladen, dass man sich hier niederlässt. Doch die hier gezeigten brachialen Maschinen filtern Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichern sie unterirdisch. Ich denke nicht, dass die Filme als freundliche Utopien gedacht sind, aber sie präsentieren eben Möglichkeiten.
„Save Land“ mit „Planet City“ kann man noch bis zum 1. Juni anschauen. Und noch mehr SFF in Museen gibt es z. B. aktuell im Max Ernst Museum Brühl mit den „Hyper Creatures“ oder mit Ayoung Kims „Many Worlds Over“ im Kunstmuseum Hamburger Bahnhof (Berlin).
Die Erbin von Shannara, Netzfunde und Co.
Nun bin ich auf Word schon wieder auf S. 3, dabei habe ich nicht mal die Hälfte meiner Notizen aufgegriffen.
Daher Hinweise auf Webdinge in aller Kürze: Auf YouTube kann man eine Diskussion zu „Fantasy in the Midst of War: Perspectives from Ukraine“ nachschauen (kam leider selbst noch nicht dazu, sie anzuhören). Via Polygon hat Petrana Radulovic analysiert, wie die Bücher der Hunger Games-Reihe ihre Botschaften jedes Mal direkter formulieren. Generell scheint es mir (leider) eine schlechte Zeit zu sein für subversive Botschaften, das Thema kam hier ja auch schon häufiger auf. Über Dystopien und deren nahe Realität bloggte auch Markus Mäurer.
Schauer anderer Art standen hingegen bei National Geographic im Fokus, wo sich Heidrun Patzak Sagen aus dem Moor gewidmet hat. Und auf Reactor sprach mir Jenny Hamilton aus der Seele, der die trope-Fixierung der Romantasy ähnlich auf die Nerven geht wie mir.[1] News gab es auch von Terry Brooks, der sich aus dem Schreibgeschäft zurückziehen will und seine Shannara-Reihe an Delilah S. Dawson abgegeben hat. Nun bin ich zwar keine Shannara-Leserin, aber finde es immer interessant, wenn solche Projekte aktiv weitergegeben werden, gerade auch außerhalb dezidierter Shared Universes. Womit wir halbwegs elegant überleiten können zu Skalpell & Katzenklaue, der sich angeschaut hat, was D&D so aus Red Sonja gemacht hat.
Abschließend noch der Hinweis, dass sich auch in der Verlagswelt weiterhin was tut: Frisch dabei sind nun Phantorion und der Brosch Verlag. Bei letzterem, dem Verlag der von mir sehr geschätzten Hannah Brosch, erscheint auch mein nächster Roman. Zu dessen Manuskript ich jetzt mal zurückkehren sollte.
Ich wünsche eine schöne Sommerzeit!
P. S.: Ich habe festgestellt, dass viele meiner Blog-Artikel derzeit nicht über Google gefunden werden. Ich hab noch nicht ganz raus, woran es liegt – vermute, dass mir die Weiterleitung vom alten Blog einen Strich durch die Rechnung macht –, aber sie sind da und über die interne Suche auch noch auffindbar! Vereinzelt habe ich beim Blogumzug zwar Beiträge gelöscht, aber das waren vornehmlich Hinweise auf längst stattgefundene Veranstaltungen etc.
[1] Wenn ich den Eindruck habe, Schreibende haben gezielt tropes in ihre Werke gepackt, muss ich immer an das Spiel „Mangaka“ denken, in dem man mehr Punkte verdient, je mehr tropes man bedient …