Logbuch FBM und BuCon 2024
Wenn ich das hier ins Notizbuch schreibe, ist es Sonntagabend, der 20. Oktober, und ich bin soeben von der diesjährigen Buchmessen-Session heimgekehrt. Ehe ich mich aufs Bett fallen lasse und für einige Stunden keinen Zeh mehr rühre, nutze ich den Moment, die obligatorischen Logbuch-Eindrücke niederzuschreiben, solange sie noch frisch sind.
Donnerstag
Los ging es für mich wie schon 2023 donnerstags. Nach einer bemerkenswert ereignislosen Anreise (15 min Verspätung bis Frankfurt, dann zwei ausgefallene S-Bahnen, kaum erwähnenswert) bin ich zum Orientierungswalk übers Messegelände aufgebrochen. Am Stand der Korea Creative Content Agency (KOCCA) konnte man sich Manga-Bände mitnehmen, die soweit ich es verstehe, jeweils den Auftakt zu Reihen darstellen, die idealerweise nach Deutschland verkauft werden sollen. Diese Promo-Nullnummern haben putzige Titel wie „Corpse Knight Gunther“, „Wie man als Dienstmädchen in einem Horrorspiel überlebt“ oder „I Tamed My Ex-Husband’s Mad Dog“. Ich … freu mich auf die Lektüre. (Habe von den drei genannten allerdings nur das Dienstmädchen mitgenommen.) Ansonsten habe ich mal hier, mal dort vorbeigeschaut, bisschen Italien-Pavillon, bisschen Hallen 5 und 6, kurz zum Podium Rheinland-Pfalz. Der Vibe wollte aber noch nicht recht überspringen, und insofern hat es gut gepasst, dass ich ab 15 Uhr für den Standdienst beim Phantastik-Autor:innen-Netzwerk PAN e. V. eingeteilt war.
Zur Abwechslung war der Verein gemeinsam mit mehreren Buchschnitt-affinen Verlagen und ein paar unglückseligen Mitverbannten in Halle 1 platziert, wohin man nur fand, wenn man wusste, wonach man sucht. Hintergedanke der Messe war hier, den Besucherandrang aus 2023 zu entzerren. Was ich so gehört habe, erwies sich das am Wochenende als schlaue Entscheidung, donnerstags blieben die breiten Gänge aber weitgehend verwaist. Nicht ideal war außerdem, dass hier New Adult, Dark Romance und mal mehr, mal weniger romantische Fantasy teils in einen Topf geworfen wurden, was vor allem durch einen Beitrag der Tagesschau aktuell für einigen Unmut sorgt.
Wie auch immer, mein Standdienst verlief ruhig und es blieb ausreichend Zeit, mit den anderen Autor:innen am Stand über das Leben, die Messe und KI zu philosophieren. Grüße gehen raus an Christina Löw, Kassandra Schwämmle, Janika Hoffmann, Fabienne Siegmund, Isa Theobald und Stefan Cernohuby, die mir den Großteil der Zeit Gesellschaft geleistet haben. Nach meiner Schicht bin ich noch etwas durch die sich leerenden Gänge spaziert, ehe es Zeit wurde, diese gegen den formidablen Zwiebelkuchen bei meiner Gastgeberin einzutauschen.
Freitag
Freitags bin ich mitsamt gastgebender Schwester untypisch früh auf die Messe, um um 10 Uhr das Interview mit Anabelle Stehl am Thalia-Stand anzuschauen. Ich folge Anabelle seit einer Weile via Social Media, früher auf Twitter, heute auf Instagram, und mich hat einfach interessiert, wie sie live so ist. Fazit: Genauso wie auf Social Media, also nett und professionell. Im Interview ging es um ihr erstes Sach- und Selbsthilfebuch „Trusting Yourself“. Inhaltlich hat mich das zwar nicht so gereizt, das Interview war aber interessant und die Signier-Schlange beeindruckend lang.
Anstatt uns dort einzureihen, haben wir uns angeschaut, was Halle 3.0 sonst so zu bieten hatte. Im Papeterie-Bereich hat dabei meine Liebe zu all den schönen Tee- und Notizbuch-Dingen mit der Vorstellung, das alles den ganzen Tag schleppen zu müssen, einen wilden Kampf ausgefochten. Letztlich hat die Vernunft (?) gesiegt und es blieb bei einigen Lesezeichen. Am Stand der Illustratoren Organisation habe ich mir außerdem fünf Postkarten mit Werken von Anja Karboul, Anna Severynovska, Valentina Arros, Sabine Rufener und Anna Jäger-Hauer mitgenommen.
Anschließend war es an der Zeit für die erste koffeinhaltige Pause, ehe wir uns noch mal in Ruhe den streitbaren Ehrengast Italien vorgenommen haben, der sich einen ganzen Tempel, Livemalerei und viel Nostalgie gegönnt hat. Na gut, nach diesem Artikel von Cafe Digital vermute ich, dass der Tempel in der Tat eher eine Piazza darstellen sollte, oder beides. Schön anzusehen war es jedenfalls und interessant die Einblicke in Kunst und Leben u. a. des antiken Pompejis allemal. Inhaltlich und atmosphärisch hatte es gleichwohl mehr musealen und vor allem sehr gestrigen Charakter. Die Vorgängerländer hatten es besser verstanden, ihre aktuelle Literaturszene vorzustellen, was doch der primäre Sinn sein sollte. Auch waren die Pavillons von Slowenien (2023) und Spanien (2022) deutlich offener, dadurch einladender und freundlicher konzipiert. Italien setzte nun mehr auf bedrückenden Bombast und der rückwärtsgewandte Blick hinterließ in Kombination mit dem Motto „Roots in the Future“ ein schales Gefühl.
Danach mussten erst mal Kohlenhydrate zugeführt werden, wobei mir Hannah Brosch Gesellschaft geleistet hat. Wir haben über ihre Verlags- und meine Romanpläne gesprochen, ehe wir zur Vorstellung von Budjette Tan zu dessen Comicreihe „Trese“ aufgebrochen sind. „Trese“ ist die Vorlage der gleichnamigen Netflix-Serie und der Autor hat über die Folklore-Hintergründe zur Reihe berichtet, insbesondere zur Figur der White Lady, aber auch über den Weg, den der Comic nehmen musste, um letztlich verfilmt zu werden – von der ersten Anfrage bis zur Umsetzung sind dabei zehn Jahre ins Land gegangen.
Mir waren Comic wie Serie bis dato unbekannt, aber der Fantasykrimi-Flair mit philippinischer Folklore hat mich abgeholt. Im Anschluss habe ich mir den ersten Band gekauft und ihn signieren lassen – wie oft hat man dazu schon die Chance! (Na gut, vielleicht im nächsten Jahr wieder, wenn die Philippinen Gastland sind.)
Für genau solche Entdeckungen schätze ich die Frankfurter Buchmesse. Sie steht im Ruf, wenig Leser- und Phantastikfreundlich zu sein, die meisten die ich kenne, kommen hier nur für Termine oder ihren Stand her und schauen sich kaum etwas vom Programm an. Dabei lohnt es sich wirklich, den Veranstaltungskatalog durchzugehen. In diesem Jahr hätte man z. B. diversen Diskussionen zur Romantasy beiwohnen können, aber auch zu queerer Science Fiction oder zu Comics aus aller Welt. Und auch auf den Schnittpunkten zum Hier und Jetzt gibt es Interessantes zu entdecken, gerade im Arts+-Bereich, wo die „Trese“-Vorstellung stattfand.
Mit weiteren Entdeckungen an den internationalen Ständen war dann auch der Rest meines Messetages angefüllt. Der obligatorische Flammkuchen im Hof fiel ausnahmsweise aus, stattdessen habe ich abends die Rolltreppe of Doom erklommen, um in der „Brasserie“ einen deliziösen Melonen-Flammkuchen zu verspeisen. Gesellschaft boten mir dabei neben meiner Schwester Tino Falke, T. N. Weiss und Marie Meier sowie deren Messebegleitung. Es war mir eine Freude, mit euch über Tentakel, Star Wars vs. Star Trek und venezianische Keller zu diskutieren!
Samstag
Als samstags in der S-Bahn die Durchsage kam, dass man allen Buchmesse-Besuchenden einen guten Tag dort wünsche, war ich etwas wehmütig, aber nun. Der BuCon in Dreieich rief, und wer wäre ich, nicht zu folgen!
Beim ersten Durchqueren der Halle war ich erst mal überwältigt, die Messe war im Vergleich ein geradezu chilliges Örtchen gewesen. Freut mich ja, dass so viele Leute Gefallen an der unabhängigen Phantastik finden, aber ich habe nach dem ersten Hallo an Skalpell und Katzenklaue-Peter und James Sullivan doch erst mal beschlossen, dass das Wetter draußen sehr einladend ist (und innen wieder zur Maske gegriffen, da zirkuliert ja nichts).
Das Programm war voll, aber wie schon im letzten Jahr spürbar vielseitiger als zu Vor-Corona-Zeiten. Da ich keine eigenen Panels hatte, kam ich mal dazu, die anderer Leute zu besuchen. Erste Station war eine Lesung von Regina Kanyu Wang, die auf Chinesisch und Englisch aus „Das Meeresfrüchterestaurant“ gelesen und anschließend ein wenig über die chinesische, lange studentisch geprägte Science-Fiction-Szene gesprochen hat. Das anschließende 14-Uhr-Panel bot parallel mehrere Veranstaltungen, die mich interessiert hätten, u. a. die Premierenlesung aus der frischen ohneohren-Anthologie „Psyche mit Zukunft“, worin auch von mir eine Kurzgeschichte enthalten ist. Stattdessen bin ich aber ins Herbstlande-Panel, wo die beiden neuen Novellen vorgestellt wurden, die aus einem Wettbewerb hervorgegangen sind, bei dem ich in der Jury saß: Tino Falkes „Ein Lied für die Sommerlande“, was zeitlich nach meinem „Sommerlande“ angesiedelt ist, sich aber unabhängig lesen lässt. Ich habe das Buch auch redaktionell begleitet, in dem Sinne, dass ich gegengecheckt habe, ob die Details Sommerlande-tauglich sind. Herausgekommen ist eine, wie ich finde, cozy All-Age-Fantasy-Queste mit sehr niedlichen Illustrationen. Die Lesung aus der zweiten Novelle, Agga Kastells „Mission Merlacorna“, wurde tatkräftig von Laura Dümpelfeld unterstützt, die ein Lied aus dem Buch vorgetragen hat.
Dazwischen und danach gab es die vielen großen, kleinen und in der Regel zu kurzen Hallos, für die ich primär auf den BuCon komme. Wie üblich hab ich mich zwischendurch etwas verloren gefühlt, und kam quasi grad an, als ich zurück musste. Nun ja. Auf diese Art bekommt einen der BuCon dazu, dass man jedes Jahr wiederkommen möchte. Wenngleich sich wie schon 2023 die Frage stellt, was denn passiert, wenn es mal regnet. Denn innerhalb der Hallen ist es so knülledicht, dass die Gespräche – mit ein Herzstück des Cons – kaum möglich sind. Da der Bühnenbereich weggefallen ist, fehlt es außerdem an verbindenden Elementen wie früher der Verleihung des Deutschen Phantastik Preises. Dass der Goldene Stephan und zwei Ehrenpreise vergeben wurden (u. a. an Ju Honisch fürs Lebenswerk!), geht da schnell unter. Insofern steht das Konzept aktuell auf wackligen Beinen. Die Vorschläge, das Problem zu lösen, reichen von einer auf zwei Tage ausgedehnten Veranstaltung bis zu einer neuen Location. Beides stelle ich mir in Kombination mit der FBM schwierig vor, aber die zeitliche und räumliche Nähe macht eben auch einen Teil des Reizes am Con aus. Insofern sehe ich die Lösung eher darin, das Panelangebot zu reduzieren, um in Innenräumen wieder mehr Gespräche zu ermöglichen. Klar ist es schön, dass so vielen die Möglichkeit zu Lesung etc. geboten wird – da sind wir wieder beim Thema Panelvielfalt –, aber eine Schiene weniger wäre denke ich für alle verkraftbar.
Abends ging es für mich zum ruhigen Ausklang mit Kürbissuppe und „Morning Glory“. Sonntags bin ich noch durchs herbstliche Frankfurt flaniert, dann wurde es Zeit für die Sardinenbüchse von RE, die mich pünktlich heim geleitet hat.
Nun sitze ich also hier, schwelge in Fotos an die vergangenen Tage, schreibe diesen Text und hoffe, ihn dann auch die Woche abgetippt zu bekommen. Denn am nächsten Sonntag wartet schon die nächste Buchmesse: Auf der Koblenzer Buchmesse werde ich an Stand 41 gemeinsam mit Laura Dümpelfeld unsere Bücher an die Leute bringen. Wie freuen uns, wenn ihr vorbei schaut!
[…] letzten drei Monate waren veranstaltungsreich. Für mich standen die Wetzlarer Tage der Phantastik, die Buchmesse in Frankfurt, der BuCon und vorletzten Sonntag noch die sehr erfolgreiche erste Ausgabe der Koblenzer Buchmesse auf […]