Spielende Götter, der Director’s Cut

Spielende Götter, der Director’s Cut

6. Dezember 2022 6 Von FragmentAnsichten

„Spielende Götter“ ist in einer überarbeiteten Neuauflage erschienen. Was hat sich verändert, was ist geblieben? Hier gibt’s Antworten.

Es fällt mir schwer, bei meinen Romanen den einen Punkt auszumachen, von dem aus sie sich entwickelt haben. Die meisten haben ihre Ursprünge in einer Vielzahl von Notizen, Geschichten, Träumen oder Schreibübungen. Meine Virtual-Reality-Fantasy „Spielende Götter“ stellt hier keine Ausnahme dar.

Es muss ziemlich genau zehn Jahre her sein, dass ich mit der Arbeit an dem Roman begonnen hatte. Damals stand die Veröffentlichung von „Vor meiner Ewigkeit“ in den Startlöchern, ich hatte dessen Lektorat weitgehend hinter mir und brütete über der einschüchternden Frage, was denn nun danach kommen sollte. Verwertbare Alt-Manuskripte hatte ich keine, es musste also etwas Neues her. So weit ich mich heute noch erinnern kann, kam mir zunächst ein Traum zu Hilfe. Träume sind generell eine sehr praktische Sache bei der Suche nach Inspiration, an „Die Türme von Eden“ waren sie auch nicht ganz unbeteiligt. Nur haben Träume die Angewohnheit, zwar zuweilen epische Geschichten zu erzählen, hier aber nicht immer auf eine Logik zu setzen, die bei Lesenden gut ankommt. Also verging noch einiges an Zeit, bis aus „Alessandra träumt von Holus“ schlussendlich „Alessandra schreibt über Holus“ wurde. Über einige der Zwischenschritte habe ich bereits 2016 einen Blogbeitrag geschrieben, und offen gestanden kann ich mich an einige davon inzwischen gar nicht mehr erinnern. (Ioree, wer zur Hölle war Ioree?!)

Letztlich ist das natürlich auch nicht so entscheidend. Relevant ist vor allem, dass sich aus all diesen Fragmenten heraus letztlich tatsächlich ein Buch ergeben hat, das 2015 im Verlag ohneohren erschienen ist.

„Spielende Götter“ fühlt sich für mich bis heute als der „Rundeste“ meiner veröffentlichten Romane an. Das Setting, die Grundidee, die Figuren – das alles funktioniert für mich noch immer. Im Laufe der Zeit habe ich daher mehrfach mit dem Gedanken gespielt, schreibtechnisch in die vituellen Spiel-Welten von Holus zurückzukehren. Irgendwas hat mich doch jedes Mal daran gehindert, aber ich bin der Sache verbunden geblieben und konnte es ja auch nicht lassen, die Welten von „Spielende Götter“ und „Die Türme von Eden“ miteinander zu verbinden.

Als Ingrid von ohneohren vorschlug, eine Neuausgabe herauszubringen, hatte ich trotzdem etwas Bedenken. Für mich war sofort klar, dass ich den Moment nutzen wollte, das Buch ein bisschen „auszubessern“ – denn egal, wie zufrieden ich bin, Verbesserungspotenzial gibt es immer. Ein Jahr zuvor war ich mit diesem Vorhaben bei „Vor meiner Ewigkeit“ jedoch grandios gescheitert. Das Ding ist, ich möchte keine Remakes schreiben. Sie aktualisieren, ja. Aber sie sollen doch auch sie selbst bleiben, die Bücher dieser anderen, vergangenen Alessandra. Hier den passenden Mittelweg zu finden, ist nicht leicht, und bei „Vor meiner Ewigkeit“ habe ich mich irgendwann im Gebüsch verloren.

Glücklicherweise war das bei „Spielende Götter“ nicht der Fall. Ich war schnell zurück in der Geschichte, habe die Freundschaften zu den Figuren und zur Welt wiederentdeckt und hatte überraschend viel Spaß damit, mich Anfang 2022 hin- und den Rotstift anzusetzen.

Aber was hat sich nun eigentlich verändert? Inhaltlich nichts. Oh, die Versuchung war da, denn natürlich würde ich 2022 einiges anders schreiben als 2013. Beispielsweise war ich beim Lesen etwas schockiert über den Ausgang des Nebenstrangs von Jodokus und Siard. Ich glaube, die heutige Alessandra wäre da versöhnlicher gestimmt, aber ich will hier nicht spoilern. Vielleicht hätte ich mich heute auch getraut, Lucies aro-Seite noch stärker zu betonen und sie insgesamt etwas aktiver gestaltet. Aber das ist unerheblich. Genau so etwas wollte ich nämlich eben nicht ändern. Mit Lucie habe ich 2013 die Heldin geschrieben, die ich mir als Teenager gewünscht hatte und in anderen Büchern nicht fand. Heute bin ich in ihrer Gestaltung belastet von aktuelleren Diskussionen, aber eine 2022-Lucie hätte womöglich Teenager-Alessandra nur verschreckt. Das wäre nicht gut.

Graph, der die zahlreichen Verbindungen zwischen Figuren und Begriffen aus "Spielende Götter" aufzeigt
Um bei der Überarbeitung den Überblick nicht zu verlieren, habe ich alle Figuren, Kapitel und Weltenbau-Elemente in Obsidian übertragen. Und natürlich hat sich hieraus wieder ein gar herrlicher Graph ergeben!

Stilistisch gab es hingegen einiges, was ich guten Gewissens ändern konnte. Ich will mich nicht zu arg selbst analysieren, finde es aber interessant, wie sich mein Schreibstil im Laufe meiner Berufsumfelder verändert hat. „Spielende Götter“ entstand zum Großteil noch zu Studienzeiten, und an Unis pflegt man einen oft passiven Stil mit vielen Substantivierungen und langen Sätzen. Hier und da hat das seine Spuren im Buch hinterlassen, in meinem Redaktionsvolontariat wurde es mir aber ausgetrieben. Stattdessen habe ich mir dort und später im Marketing einen „motivierenden“, recht einfachen Stil mit vielen Hauptsätzen angewöhnt. Jetzt wiederum bin ich zurück an einer Hochschule und versuche mich (schon wieder) an einem Mittelweg. Eben den habe ich auch in „Spielende Götter“ angewendet. Heißt letztlich: Ich habe Kommata durch Punkte ersetzt. Einige Sätze, sogar ganze Absätze und Wiederholungen ganz gestrichen. Verschachtelungen in eigene Sätze gepackt. Wortstellungen umgedreht. Den Unterschied zwischen „Theke“ und „Tresen“ gelernt. Und ja, auch einige Formulierungen verändert, die einfach nicht mehr so ganz 2022 waren.

Davon ab wurden noch ein paar Rechtschreibfehler/Typos eliminiert (wir werden dich vermissen, Nieselriegen!) und das Buch hat jetzt Content Notes (hinten drin oder auf der Website). Hinzu kommt selbstverständlich das neue Cover, das allein schon Grund genug ist, weshalb auch Besitzende der ersten Auflage unbedingt noch die zweite benötigen!

Also, lasst euch noch mal ganz offiziell gesagt sein: „Spielende Götter“ ist gestern im Verlag ohneohren in Neuauflage erschienen! Als E-Book (3,49 Euro) könnt ihr es bereits herunterladen, die Taschenbuchversion (14,99 Euro) sollte in den nächsten Tagen folgen.