Oktoberansichten 2021
Im Oktober ging es spooky zu, der BuCon und die Frankfurter Buchmesse fanden statt, Science Fiction muss nicht dystopisch sein, neue und alte Punks machten von sich reden, zwei Verlage verabschieden sich, ich habe keine Podcasts gehört u. v. m.
Jahreszeitbedingter Grusel
Es war und ist Oktober, was bedeutet, dass wir uns auf dem Höhepunkt der gruseligen Jahreszeit befinden (zumindest galt das noch, während ich diesen Beitrag getippt habe). Die Tim-Burton-Memes sprießen, die Kürbisgesichter lachen und auf Twitter starteten Leslie Rubow und Tala Jacob die Aktion #phantastober, bei der Künstler*innen eingeladen waren, zu vorgegeben Themen 31 Tage lang Werke beliebiger Art zu posten. Dabei kamen einige sehr vergnügliche Sachen heraus, beispielsweise hatte ich Spaß mit den Kürzestgeschichten von @dr_dings oder war beeindruckt von den Kunstwerken von @HeikoHentschel, @knitFox, den beiden Initiator*innen und vielen mehr. Kann nur empfehlen, sich mal durch den Hashtag zu klicken. Mit Verspätung bin ich auch noch eingestiegen, von mir gab es dann eine Scherenschnitt-Story mit Katzen, Wer-Eichhörnern, Sternen und Tentakeln.
Auf spooky Themen lag auch der Fokus von Katlin Morris in ihrem Blog Zeitfaeden.de, in dem sie sich zunächst den Geistererscheinungen im Schauerroman, anschließend dann der Geschichte des Vampirromans widmete. Beides sehr empfehlenswerte Beiträge; ergänzend zum Vampirroman-Beitrag hier noch mal der Link zu meinem Vampir-Beitrag auf TOR Online (und dessen Add-On auf diesem Blog); nicht dass ich jeden Vampir-Post zum Anlass für Eigenwerbung nutzen müsste, aber die beiden Artikel ergänzen sich gut in den Details.
Ein wenig gruselig geht es durchaus auch in der mexikanischen Folklore zu, wie man einem tor.com-Beitrag von „Mexican Gothic“-Autorin Silvia Moreno-Garcia über die bösen nahual, Unterwelt-Hunde und andere mythologische Tier- bzw. Gestaltwandler-Elemente entnehmen kann. U. a. über den Reiz, den wir an Grusel und Horror empfinden oder auch nicht empfinden, sprach Katja Aller im Behind the Scenes-Podcast. Selbst angehört habe ich ihn mir bisher nicht, aber die Inhaltsangabe klingt vielversprechend. So gern ich mir das alles aber in der Theorie anhöre, in der Praxis kann man mich mit Horror meistens jagen. Bissl Grusel gern, aber alles war härter als „Dark Shadows“ ist, bitte von mir fernhalten, thx. Na jaa, „Midsommar“ ging noch, weil es hell und weird war, aber sobald Mädchen aus Fernsehern krabbeln, bin ich raus und dass meine „Little Panda“-VHS teilweise mit „Cujo“ überspielt wurde, hat mich glaub ich nachhaltig geprägt.* Daher habe ich mir auch Markus Mäurers Top 15 zu den besten Horrorfilmen durchgelesen, kann zu den Filmen selbst aber herzlich wenig beitragen. Immerhin hab ich „Nosferatu“ mal an Halloween geguckt, weil ich den Eindruck hatte, das gehöre sich einfach. Aber sonst? Hm. Vermisse ein bisschen „Die Vögel“, den hab ich als so ziemlich einzigen Horrorfilm mehrmals geguckt. Man kann sich aber drüber streiten, ob es hier ein übernatürliches Element gibt.
Vom Goldenen Stephan bis zu polnischer SFF: BuCon und FBM
Der Oktober stellt aber nicht nur den Grusel-, sondern auch den Event-Höhepunkt in Sachen Phantastik dar. Okay okay, andere Monate haben inzwischen ebenfalls einiges zu bieten, aber schließlich lockten u. a. die Dragon Days, der BuchmesseCon (BuCon) und die Frankfurter Buchmesse. Der BuCon fand dabei erneut rein digital über Discord statt, was den Vorteil hatte, dass ich trotz anderer Termine ab und zu vorbeischauen konnte. Angeschaut habe ich mir allerdings nur das Panel von Lindwurm und Plan9 zur Trennung von Fantasy und Science Fiction, ansonsten habe ich vornehmlich im Chatkanal des ohneohren-Verlags vorbeigeschaut. Zumindest habe ich aber mitbekommen, dass Preise verliehen wurden! Der Ehrenpreis des BuCon wurde dieses Jahr an den Autoren Jörg Weigand sowie den Atlantis-Verleger Guido Latz verliehen, der Goldene Stephan ging in den ersten Plätzen an C. Gina Riot für „Diener des Ordens 1“ (Bester Debütoman), an die Anthologie „Necrosteam“, an den Comic „Austrian Superheroes Special“ sowie an Ivan Erlovs „Das letzte Artefakt“ (aus der Stargazer-Reihe, Bester Roman). In den Kategorien rund um Rollen- und Brettspiele, die erst im Rahmen des DreieichCon ausgezeichnet werden, kann man aktuell noch abstimmen.
Für die Frankfurter Buchmesse (FBM) hatte ich eigentlich einen ganzen Tag eingeplant, aber nun, der Sturm Ignatz hatte andere Pläne und so habe ich die meiste Zeit dann doch im Zug verbracht. Für die Hallen blieben letztlich drei Stunden. Aus meiner Idee, mit ein paar internationalen Verlagen über deren Phantastik-Programme zu quatschen, wurde es daher leider nichts mehr, aber zumindest konnte ich kurz ein paar lange nicht mehr gesehenen Kolleg*innen wie Stefan Cernohuby oder Christina Löw Hallo sagen und einen Überblick über die dieses Jahr ohnehin anzahlmäßig geschrumpften Stände bekommen.** Highlight war sicherlich der Besuch des kanadischen Pavillons, aber auch einige andere internationale Stände waren den Besuch definitiv wert. In Sachen Phantastik galt das beispielsweise für den polnischen Stand; hier nutzte man Lems 100. Geburtstag und die wieder erstarkte Popularität von Andrzej Sapkowsi, um ein kostenloses Infoheft zu polnischer SFF herauszubringen, in dem verschiedene Genre-Autor*innen wie die beiden Genannten, aber auch hierzulande eher unbekannte Gesichter wie Marta Kisiel, Jarosław Grzędowicz oder Anna Brzezińska vorgestellt werden.
Weil Kanada Gastland war, habe ich außerdem auf Twitter und Insta Beiträge zu meiner liebsten kanadischen Autorin, Esther Rochon, veröffentlicht. Und vonseiten PAN e. V. wurden im Rahmen der digitalen Angebote zwei Diskussionen auf YouTube online gestellt: Christian Handel, L.T. Aryen, Noah Stoffers, Eleanor Bardillac und Jorina C. Havet diskutierten über Geschlechterrollen in der Phantastik, Thilo Corzilius, Maike Braun, Melanie Vogltanz und ich unterhielten uns über Dystopien und Utopien.
Utopische Visionen
Auch sonst waren Dystopien und Utopien vielfach Thema. Beispielsweise besprach Sabine Zollner auf 54books Naomi Aldermanns Roman „Die Gabe“, verglich ihn mit Margaret Atwoods „Der Report der Magd“ und beklagte dabei, warum es keine utopischere feministische SF gebe – was auf Twitter nicht ganz so gut angenommen wurde, da die feministische SF ja doch aus mehr denn aus Aldermann und Atwood besteht. Womit wir wieder beim altbekannten Problem der Wahrnehmung zwischen Genre-SF und … Nicht-Genre-SF angekommen wären. Aber dass es so oder so auch optimistischer geht – und das nicht erst seit Hopepunk und Cottagecore – beschreibt z. B. Nushin Yazdani in ihrem Essay „Die Zukunft muss nicht aussehen wie in Black Mirror„, erschienen auf der Website des Gunda Werner Instituts.
Das ist nun der ideale Zeitpunkt, um zum obligatorischen Solarpunk-Teil überzugehen. Aber in dieser Hinsicht war es im Oktober eher ruhig. Ok, es gibt einen kleinen Beitrag dazu im französischsprachigen Philosophie magazine, die Kickstarter-Kampagne des Solarpunk Magazine war erfolgreich, die Münchner Schreiberlinge haben eine solarpunkige Ausschreibung veröffentlicht und mir fiel auf, dass der Klett-Verlag ein Heft zu Solarpunk herausgebracht hat, das Kurzgeschichten aus verschiedenen Anthologien der World Weaver Press in sich vereint. Aber größere Diskussionen rankten sich dieses Mal eher um Lunarpunk, was an einer frischen Ausschreibung zum Thema liegen dürfte. Bei mir ging’s dagegen um Elfpunk, man will sich ja weiterentwickeln. Oh, erwähnt sei aber auch noch, dass im Januar 2022 eine erste deutschsprachige Ausgabe des Future Fiction Magazines erscheinen soll; herausgegeben wird es von Sylvana Freyberg und Uwe Post, doch gegründet wurde es von Francesco Verso, dem Godfather (u. a.) des italienischen Solarpunk. Entsprechend soll auch die deutschsprachige Ausgabe z. T. diesen Schwerpunkt haben.
Sword&Sorcery-Ästhetik, Verlagsnews und urbane Fantasien
Zu Subgenres außerhalb der Dichotomie: Auf Skalpell und Katzenklaue führte Peter Schmitt die Beitragsreihe zum Viriconium-Zyklus fort, dieses Mal u. a. mit einem interessanten Verweis zur New Weird. Zudem reagierte Peter mit einem Beitrag auf meine in den Augustansichten aufgeworfene Frage, ob Sword&Sorcery noch immer in erster Linie mit Conan assoziiert werde. Dessen bis heute andauernden Einfluss sieht er dabei vornehmlich in der Coverästhetik von Frank Frazetta, wobei er selbst ebenfalls einen anderen Zugang zum Subgenre hat.
Weitere Szenenews in Kürze: Der Bookshouse Verlag, der vor allem Romantasy in seinem Programm hatte, scheint vom Boden verschluckt worden zu sein – sehr zur Überraschung einiger seiner Autor*innen. Schlechte Nachrichten gibt es zudem vom Ach je Verlag, der angekündigt hat, seine Pforten zu schließen. In dem Verlag erschien diverse Genre-Literatur wie das Aces in Space-Rollenspiel inklusive der entsprechenden Romane oder das Queer*Welten-Magazin. Vor allem für das Magazin soll es damit aber nicht zu Ende sein; wenn’s was Neues gibt, erfahrt ihr es natürlich in den darauf folgenden Monatsansichten. 🙂
Bessere News gibt es vom Seraph, für den aktuell Titel eingereicht werden können, welche im letzten Jahr veröffentlicht wurden. Außerdem ist die Herbstausgabe des Zauberwelten Magazins erschienen, in der eine Artikelreihe des PAN e. V. startet; zum Auftakt gibt es von mir einen kurzen Überblick rund um Fantasy-Städte. Das Heft ist als Download oder Print-Exemplar erhältlich.
Und wieder mal hat sich einiges im Podcast-Bereich getan, aber wieder mal kam ich nicht dazu, mir auch nur einen einzigen anzuhören. Erwähnt sei dennoch, dass Ingrid Pointecker und Grit Richter eine neue Folge von PhanLiTa herausgebracht haben, in der es um die Verlagslage in Zeiten von Corona geht. Interessant klingt ebenso die neue Folge von Science S*heroes rund um SF-Literatur und deren Einfluss auf Zukunftsentwürfe.
Soweit zum Oktober. Der November lockt u. a. teils digital, teils in Präsenz mit dem (bereits laufenden) Fantasy Filmfest, dem Berlin Sci-Fi Filmfest, der Buch Berlin, einer Fantastikwoche des Berliner Brecht-Hauses dem DreieichCon und der Vienna Comic Con. Langweilig sollte es vor allem Berliner Phantast*innen also nicht werden …
*Oder vielleicht war es auch „Now and then“, was überspielt wurde. Oder „Ein Kuss mit Folgen“? Jedenfalls einer dieser kindgerechten Abenteuerfilme.
**Die neuerliche Kontroverse rund um rechte Verlage, dieses Jahr vor allem um einen bestimmten rechten Verlag und dessen prominente Platzierung neben dem Blauen Sofa, ist mir nicht entgangen. Sie nur in einer Fußnote anzusprechen, fühlt sich nicht richtig an, sie ganz zu ignorieren aber auch nicht und ich komme zwar ethisch, aber nicht pragmatisch zu einer eindeutigen Haltung. Mal unabhängig davon, was die FBM tatsächlich hätte tun oder nicht tun können: Ich nehme sie als durchaus diverse und problembewusste Veranstaltung wahr, bei dieser Thematik aber zugleich als erstaunlich unsensibel, v. a. wenn man bedenkt, dass die Diskussion nicht erst seit diesem Jahr besteht. Dass ich mich dank der Impressumspflicht unwohl damit fühle, allzu detailliert über dieses Thema zu schreiben, sagt darüber hinaus vielleicht schon mehr aus als die zwei Absätze, in denen ich meine Bedenken sonst näher ausformuliert hätte. Hier eine Auflistung an Werken, die durch den Boykott nicht auf der FBM von den Autor*innen präsentiert werden konnten.
[…] aufbereitet und auf neuestem Stand ist das Heftchen „Polish Sci-Fi & Fantasy“, das zur diesjährigen FBM an Stand von Polen ausgegeben wurde. Dieses stellt einige der aus Sicht des Polish Book Institute […]
[…] aber doch von wiederkehrendem Interesse für die FragmentAnsichten sind weiterhin Vampire. Schon in den vorangegangenen Monatsansichten spielte eine historische Betrachtungen zu selbigen eine Rolle, und im November gab es da erneut […]
[…] Helden Imaro. Ansonsten rankte sich vieles um Conan, beispielsweise im März, im August oder im Oktober. Und auch außerhalb von Conan und anderen schwertschwingenden Guys hatte Nostalgie Hochkonjunktur, […]
[…] auf diesem Blog eine gewissen Tradition. In den letzten beiden Jahren fielen sie jedoch kurz aus: 2021 fand der BuCon „nur“ digital statt, die FBM in abgespeckter Version. 2020 hatten beide ein digitales Alternativprogramm zu bieten, außerdem fand ich damals viel Lob […]