5 Tools zur Szenen- und Figurenvisualisierung

5 Tools zur Szenen- und Figurenvisualisierung

22. Juni 2020 0 Von FragmentAnsichten

Als Autor:in ist man auf Visualisierungen nicht unbedingt angewiesen, um den Überblick zu behalten oder Szenen zu planen. Helfen kann es aber zweifellos, sich beispielsweise Lagepläne oder Weltkarten zu zeichnen oder mit Bildern zu den jeweiligen Figuren zu arbeiten. Außerdem bringt das Ganze den Nebeneffekt mit sich, dass man Material hat, welches man im Veröffentlichungsprozess für Werbung und Marketing nutzen kann.[1] Gerade bei Online-Lesungen finde ich so etwas sinnvoll, um die Situation via Screensharing aufzulockern und interessanter zu gestalten. Ach ja, und darüber hinaus … macht das Ganze einfach Spaß!

In diesem Beitrag stelle ich fünf Tools vor, mit denen ihr solche Visualisierungen auch dann digital umsetzen könnt, wenn euch nicht unbedingt das größte zeichnerische Talent innewohnt. Die Auswahl ist damit natürlich bei weitem nicht erschöpft – gerade im Bereich der Map-Editoren gibt es inzwischen sehr viel Software, außerdem nutzen viele Leute Games wie Minecraft oder auch Sims, um ihre Welten nachzubauen. Die fünf Beispiele sind einfach solche, die ich selbst gerne nutze und insofern (mal mehr, mal weniger) empfehlen kann.

[Anmerkung: Die hier vorgestellten Tools habe ich unter Windows 10 getestet; die Angaben zu den Nutzungsrechten sind ohne Gewähr; Stand jeweils, sofern nicht anders angegeben, Juni 2020]

(1) StoryboardThat!

Die Handlung auf ein Storyboard reduzieren: Im Prosabereich ist das nicht allzu verbreitet, obwohl es durchaus sowohl bei der ersten Planung als auch bei der Exposé-Erstellung helfen kann. Normalerweise zeichne ich solche Storyboards schlicht analog mit Strichmännchen und Stichpunkten, für einen Lernvideodreh hatte ich kürzlich aber nach einer digitalen Alternative zu PowerPoint[2] gesucht und blieb bei StoryboardThat! hängen. Per Drag&Drop könnt ihr hier aus einer Fülle von Hintergründen, anpassbaren Figuren, Sprechblasen und anderen Objekten auswählen und die eigene Handlung nachstellen. Für Phantastikautor:innen besonders praktisch ist die Palette an phantastischen, mythologischen und historischen Figuren. Hier kommt uns zugute, dass sich StoryboardThat! an Bildungseinrichtungen richtet und entsprechend wohl darauf geachtet wurde, dass sich Klassiker und Sagen mit den Elementen nachbauen lassen.

Screenshot "StoryboardThat" inkl. 3 Panels, Panel 1 zeigt Elf und Kentaur, Panel 2 zwei Figuren im Boot, Panel 3 u. a. einen wütenden Geist und einen Mantikor
Screenshot zu „StoryboardThat!“ inkl. Beispiel zu „Die Sommerlande“

Mit der kostenfreien Basisversion lassen sich zwei Storyboards pro Woche erstellen, außerdem könnt ihr bis zu sechs Panels nutzen. Ergebnisse dürfen (mit Wasserzeichen) z. B. auf dem Blog gezeigt werden. Für ca. 9 Euro im Monat ist aber auch die Bezahl-Version im fairen Preisrahmen. Sich aus dem Abo-Modell auszutragen, ist unproblematisch monatlich möglich.

Yay!Nay …
°breite Auswahl an Elementen
°Elemente sind anpassbar (z. B. Gesichtsausdrücke, Kleidung, Hautfarben, Körpergröße usw.)
°zum Testen keine Anmeldung nötig
°solide Funktionen auch in der kostenfreien Variante
°eigene Inhalte lassen sich ergänzen
°faires Bezahlmodell
°in Basisversion Export nur mit Wasserzeichen
°[2022] veränderter Editor macht auf kleinen Bildschirmen Probleme (Elemente überlagern sich)

(2) Generated Photos

Um Datenbanken der eigenen Figuren inklusive fotorealistischer Bildern zu erstellen, kann man natürlich Bilder von Prominenten und/oder Sammlungen via Pinterest und Co. erstellen. Eine Alternative ist es, auf KI-generierte Fotos zurückzugreifen, wie sie beispielsweise Generated Photos bereithält. Aber Vorsicht: Ohne Lizenz solltet ihr die Bilder ausschließlich privat gebrauchen!

Screenshot "Generated Photos", zeigt Werbetext und Beispielfotos
Screenshot „Generated Photos“

Der Vorteil gegenüber dem, einfach Bilder Prominenter zu nutzen, besteht in der Kombination aus leichter Suche und Diversität. Zugleich sind letzterer aber auch Grenzen gesetzt: Beispielsweise ist es erfahrungsgemäß schwierig, Bilder langhaariger Männer zu finden. Auch mit manchen Altersgruppen tut sich das Angebot noch schwer, von gefärbten Haaren oder z. B. Tätowierungen mal ganz zu schweigen. Wie sich den FAQ entnehmen lässt, ist sich GP des Problems der mangelnden Repräsentation bewusst. Die Auswahl wird allerdings ständig erweitert.

Yay!Nay …
°leichte (Basis-)Suche
°für private Nutzung keine Anmeldung erforderlich
°je nach Suchanforderung bislang keine oder geringe Auswahl
°ohne kostenpflichtige Lizenz nur Privatgebrauch

(3) Pulp-O-Mizer

Der Pulp-O-Mizer ist ein Funprojekt, mit dem ihr eure Cover so umgestalten könnt, dass sie alten Pulp-Magazinen ähneln. Das macht Spaß, und sofern ihr die Ergebnisse nicht für kommerzielle Produkte verwendet[3], dürft ihr sie auch zeigen.

Bei der Gestaltung könnt ihr zwischen verschiedenen Hintergründen, Schriftarten, Figuren und Magazintiteln auswählen. Eine Auswahl an Ergebnissen hatte ich schon einmal im Rahmen der Geek-Quest vorgestellt.

Yay!Nay …
°Ergebnisse dürfen auf Blogs und Co. gezeigt werden
°Retrocharme
°stilistisch eingeschränkt

(4) Doll Divine

Doll Divine ist quasi der Klassiker unter den digitalen Anziehpuppen bzw. Dressup Games. Das Portal sammelt pastellhaltige Minigames, die daraus bestehen, dass man via Drag&Drop Figuren … nun ja, anpasst und ihnen Kleidung anzieht. Im Prinzip also wie die Figureneditoren, die mit vielen Rollenspielen einhergehen. Zu so ziemlich jedem beliebten Franchise existiert mindestens ein Game, persönlich bevorzuge ich den Game of Thrones Scene Maker bzw. den LotR Scene Maker. Beide sind sehr ähnlich, allerdings variieren die Accessoires und der LotR Scene Maker bietet euch zusätzlich die Möglichkeit, u. a. Elfen und Zwerge anzupassen.

Früher mal sehr beliebt, ist das Angebot inzwischen mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Teile davon funktionieren nur mit Flash, trotz Werbeblocker ist die Website arg werbeverseucht und Firefox weigert sich komplett, das Ganze abzuspielen (mit Chrome hat’s im Test funktioniert).[4] Schade ist das schon, früher konnte ich Stunden damit verbringen, Figuren nachzubauen.

Ergebnisse der Originalgames von Azalea’s Dolls (die beiden oben genannten fallen darunter) dürfen mit Verweis auf die Website munter verwendet werden.

Yay!Nay …
°Ergebnisse dürfen mit Verweis auf Website verwendet werden
°große Auswahl, auch für Phantastikthemen
°läuft nur mit Flash
°werbeverseuchte Website
°nur „normschöne“ Figurengestaltung möglich
°lief im Test nicht mit Firefox

(5) Shadow Magic-Map-Editor

Mein Alltime-Favorit darf an dieser Stelle natürlich nicht fehlen: Mit dem Map-Editor des Spiels Age of Wonders: Shadow Magic lassen sich Fantasykarten sehr vielseitig nachbauen. Das Spiel ist 2003 erschienen und entsprechend nicht der allerneueste Schrei, von der Grafik her aber einfach knuffig. Ihr habt die Wahl, vorgefertige Karten euren Wünschen anzupassen oder quasi mit dem ersten Grashalm ganz von vorn anzufangen. Neben der Oberfläche mit Wäldern, Wiesen, Wüste, Schnee, Steppe, Meer, Eis und Vulkanödnis gibt es die Möglichkeit, auch eine Unter- sowie die Schattenwelt zu kreieren und zu bebauen. Wenn ihr mögt, könnt ihr jeden Baum einzeln setzen. Um das Ganze mit Leben zu füllen, stehen außerdem zahllose Einheiten bereit, darunter vom Lindwurm über Luftschiffe bis zur Pegasusreiterin alles, was das Fantasyherz begehrt. Die Karten lassen sich ebenfalls zu spielbaren Szenarien ausbauen.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Fan-Erweiterungen, die beispielsweise ganze Feen- und Echsenvölker, aber auch belebte Pilze dem geschehen hinzufügen. Und na ja, wer keine belebten Pilze auf seiner Karte mag, dem kann ich auch nicht mehr helfen … Nur leider habe ich noch keine Möglichkeit gefunden, diese Erweiterungen unter Win 10 zum Laufen zu bekommen und dem aktuellen Forenstand nach bin ich da nicht die Einzige. Auch meine bereits mit Win 7 erstellten Karten kann ich nicht mehr öffnen, was echt ärgerlich ist. Der Basiseditor läuft bei mir im Kompatibilitätsmodus aber bislang problemfrei und damit erstellte Karten lassen sich weiter bearbeiten.

Zu beziehen ist der Editor inklusive des Spiels oft für 2-3 Euro, u. a. über Steam.[5] Die beiden Nachfolgetitel, Age of Wonders 3 sowie der SF-Ableger Planetfall, beinhalten ebenfalls Editoren; gerade der zu AoW 3 kommt dabei super fancy, aber auch hochkomplexen daher. Am Shadow Magic-Editor mag ich eigentlich gerade, dass er so selbsterklärend ist und ideal für zwischendurch.

Da es ein Gameeditor ist, sollte man die Karten nicht offensiv fürs Selbstmarketing verwenden. Ich habe mir vor einiger Zeit eine Genehmigung geholt, Screenshots auf meinem Blog nutzen zu dürfen, und auch Let’s Plays sind kein Problem. Aber bei kommerziellen Angeboten hört der Spaß vermutlich auf.

Yay!Nay …
°sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten
°als Szenario oder Kampagne ausbaubar
°Mapper-Austausch-Szene
°unter Win10 ohne Fanerweiterungen, läuft im Kompatibilitätsmodus
°nicht zur kommerziellen Nutzung gedacht

***

So weit zu meinen Empfehlungen, mit denen die Auswahl wie gesagt noch lange nicht erschöpft ist. Weitere Möglichkeiten sind beispielsweise Azgaar’s Fantasy Map Generator, der Medieval Fantasy City Generator, diese Variante für Realwelt-Karten, die Elemente von SAP Scenes oder die Open-Source-Storyplanungssoftware Twine.

Ich freue mich, wenn ihr weitere Tools auf Lager habt, gerade im Bereich der Map-Editoren würde ich gerne mal wieder was Neues ausprobieren (muss nicht kostenfrei sein, aber ich steh nicht besonders auf Abomodelle).


[1] Wobei man natürlich abwägen muss. Nicht jedes Material ist rechtlich oder qualitativ dazu geeignet, es auch öffentlich zu zeigen.

[2] Ohnehin ist PowerPoint für Visualisierungen ebenfalls gut geeignet.

[3] Soll heißen: Erstellt keine T-Shirts, Plakate und Co. damit.

[4] Teilweise bieten auch Drittanbieter die Games auf ihren Websites an, aber ich habe nicht ausgetestet, ob sie dort besser funktionieren.

[5] Allerdings empfehle ich die CD-Rom-Variante von Game Now. Da braucht man die CD nur für die Installation, kann sie auch beliebig oft erneut verwenden und die Version läuft stabil. Bei der Variante von Steam hab ich nicht rausbekommen, wie man den Editor hier eigentlich installiert (den Forenbeiträgen entnehme ich aber, dass es möglich ist).

Text (ohne Screenshots) unter CC BY NC-SA