Aprilansichten 2020

Aprilansichten 2020

30. April 2020 1 Von FragmentAnsichten

Feat. u. a. digitale und verschobene Veranstaltungen, Fortführung verschiedener Reihen, einen neuen Verlag auf Manuskriptsuche, Hopepunk once again, Nachrufe auf Luis Sepúlveda und Mella Dumont.

Ein weiterer seltsamer Monat neigt sich seinem Ende zu – oder ist seltsam einfach das neue Normal …?

Wir sehen uns digital

Rituelles Herzstück für die Phantastikszene waren bisher die Conventions, Märkte, Barcamps und Messen, die aus naheliegenden Gründen derzeit bis einschließlich Ende August, je nach Bundesland auch noch länger, nicht stattfinden dürfen. Einige Veranstaltungen versuchen sich daher in (digitalen) Alternativen, darunter auch der FeenCon, der über Discord stattfinden soll. Unter dem entsprechenden Facebook-Post zeigen die meisten Verständnis oder verständliche Enttäuschung. Ein paar wenige wirken allerdings recht beleidigt. Was mich zur Frage bringt, was die Leute erwartet haben. Klar ist die Situation nicht ideal. Aber ebenso klar ist auch, dass es nicht möglich ist, im Juli hunderte Leute in eine Stadthalle zu quetschen. Wie dem auch sei, ich wünsche der Veranstaltung auch digital viel Erfolg und habe vor, am betreffenden Wochenende (04. + 05. Juli) mal vorbeizuschauen.

Ebenfalls ins Digitale wurde die FutureWork Fachtagung verschoben. Eigentlich hätte die Tagung bereits im März stattgefunden, das Online-Äquivalent erfolgt von April bis Juni in Form von Videos und Blogbeiträgen.

Wir sehen uns 2021

Abgesagt wurde dagegen die diesjährige Jahrestagung der Gesellschaft für Fantastikforschung (GfF). Auf 2021 wurden sowohl das Steampunk-Event Kohle, Dampf und Eisenglanz als auch die CCXP in Köln verschoben.

Informationen zur Buchmesse Saar, die vom 19. bis 21. Juni stattfinden sollte, folgen noch. Am 27. April wurde zunächst bekannt gegeben:

Aktuell als zusätzliches Angebot (anders können wir es nicht formulieren, da die Landesregelung zu Großveranstaltungen noch nicht veröffentlicht ist) werden wir alle Buchmesseinhalte auch online anbieten.In vier Zoomstreams werden wir ganztägig unser Programm abbilden. Gleiches gilt für unsere Lesegalas. Weiter habt ihr die Möglichkeit über eine virtuelle Messe zu laufen und alle Aussteller_innen zu besuchen. Wir werden deren Shops und Angebote verlinken, auf spezielle Angebote hinweisen und es wird (abhängig von den Ausstellern_innen) auch die Möglichkeit geben mit den Verlagen und Ausstellern zu telefonieren, zu chatten oder in eine Videokonferenz zu treten.

Buchmesse Saar via Facebook

Große gusseiserne Halle
Steampunk in der alten Gießhalle in Sayn – leider erst wieder 2021

Netznews

Online-Artikel sind zum Glück gegenwärtig unabhängiger und erscheinen daher wie gewohnt: Judith Vogt widmete sich in ihrer Reihe zu SF-Autorinnen dieses Mal Hao Jingfang, auf Skalpell und Katzenklaue wurde sich unter anderem intensiv mit Saladin Ahmeds „Das Schwert der Dämmerung“ auseinandergesetzt. Swantje Niemann wiederum sprach Empfehlungen für Bücher mit „geniale[n] Fantasy-Protagonistinnen“ aus und erweiterte ihre Reihe rund um nicht-kriegerische Fantasykonflikte um die Themen Wissenschaft und Politik. Auf Schriftsonar teilte Frank Christian Stoffel seine Gedanken zum Thema Diversity in der Science Fiction.

Für Diskussionen sorgte, dass auf Phantastiknews.de Werbetexte für zwei Bücher veröffentlicht wurden, die ziemlich rechtsradikales Gedankengut aufweisen. Die betreffenden Titel hatten damit deutlich genug Publicity, aber wer wissen will, in welche Richtung es geht, dem empfehle ich diesen SpOn-Artikel von 2009. Die beiden Meldungen auf dem Onlinemagazin wurden nach Protesten gelöscht.

Weitaus erfreulicher dagegen die Tatsache, dass trotz der derzeit nicht einfachen Lage neue Kleinverlage das Licht der Szene erblicken.* Wobei, ganz so neu ist Dancing Words gar nicht. Wenn ich es richtig verstehe, fungiert er schon eine Weile als Selbstverlag für Laini Otis. Inzwischen ist er aber auch für andere Schriftsteller:innen offen und sucht nach Manuskripten mit Fokus auf Fantasy und Romance mit weiblichen Protagonistinnen.

Vom Hopepunk zur Doomer Lit?

Erneut ein Interview zum Hopepunk veröffentlichte der Deutschlandfunk. Als kurze Übersicht finde ich das gelungen, vor allem, weil der Bogen weg von der Science Fiction, hin zu einem allgemeinen Storytellingtrend gespannt wird. Das ist etwas, was mir in der Diskussion bisher zu kurz kam … wollte ich eigentlich auch schon längst wieder meinen Senf zu abgeben, aber nun ja. Jetzt hat es stattdessen Frank Meyer angeteasert, und dazu das Für und Wider des Hopepunk zusammengefasst.

Ach ja, und dem Beitrag nach hat Hopepunk offenbar eine Gegenbewegung bekommen. Also noch eine, denn eigentlich war er ja schon in sich eine Gegenbewegung zum Grimdark. Aber weil das noch nicht evil genug klingt, gibt es jetzt noch die Doomer Lit, und wenn man dem DLF glauben mag, ist diese „witziger, smarter und gelungener als die Hopepunk-Romane“. Tss tss.

Nachrufe: Luis Sepúlveda und Mella Dumont verstorben

Abschließend leider zwei traurige Nachrichten: Am 16. April ist der chilenische Autor und Aktivist Luis Sepúlveda an den Folgen von Covid-19 gestorben. Sein „Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte“ hat mich durch meine Kindheit begleitet, ich habe es unzählige Male gelesen. Was für ein faszinierender Mensch sich hinter dem Buch verbirgt, habe ich allerdings erst viel später mitbekommen. Ein Nachruf ist u. a. in der TAZ erschienen.

Mann mit Haaren, Bart und Brille vor Mikrofon
Luis Sepúlveda 2014
(Bild bearbeitet, Original CC0 via Flickr)

Ebenfalls an einem Virus ist Mella Dumont verstorben. Die Trierer Schriftstellerin hat zahlreiche Romane aus den Bereichen Romantasy, Romance und Urban Fantasy verfasst, bekannt wurde sie vor allem für die „Colors of Life“-Reihe („Himbeermond“ etc.). Ich „kannte“ sie vage über den Tintenzirkel, habe sie dort als jemanden erlebt, die ihr Wissen gerne geteilt hat. Ein Nachruf ist auf Skoutz.de erschienen.


*Dieses Mal handelt es sich nicht um einen Aprilscherz 😉
Und noch erfreulicher ist natürlich, wenn alle bestehenden und neu hinzukommenden Verlage es auch über die Krise hinaus schaffen, zu bestehen …