Es ist Sommer
Da sind sie also. Nachdem es anfangs ein paar Verzögerungen gab, wurde nun im Verlag Torsten Low „Die Sommerlande“ veröffentlicht, mein neuer Fantasy-Kurzroman. Worum es darin geht? Der Klappentext verrät es (ein bisschen):
Die Bewohner der Sommermonate kennen keine Vergänglichkeit. Das ändert sich, als der ewige Gesang der Feen verstummt – und mit ihm das Leben am Hof der Mittsommerkönigin.
Um den Dieb der Stimmen zu finden, begibt sich der Alb Nemiah auf eine Reise durch die Monate. Durch die Länder der Feenwesen und Gestaltwandler reist er bis in den August, wo Wiesen zu Wüste werden und der Tod selbst einen Weg in den Sommer gefunden haben soll …
Angesiedelt ist die Geschichte im selben Universum wie „Die Herbstlande“. Die sind ebenfalls im Verlag Torsten Low erschienen, mit aktuell einem Roman, einer Anthologie und einer Novelle; ein zweiter Roman erscheint ebenfalls noch im Oktober.
Die Welt der Herbstlande basiert auf Ideen von Fabienne Siegmund (siehe dazu dieses Audio-Interview). Als sie im Winter 2017/2018 bei mir auf der WG-Couch saß und gefragt hat, ob ich eine der geplanten Novellen schreiben möchte, war ich ziemlich gehypt. Ich mag die Idee von Monaten als Ländern mit ensprechenden Bewohnern wie Laubdrachen, Kürbiskönigin usw. sehr gerne. Schon in der Anthologie „Geschichten aus den Herbstlanden“ hat es mir Spaß gemacht, den Mikrokosmos rund um die Kastanien-Dryaden darzustellen, und die Vorstellung, nun ein ganzes Land (bzw. drei Länder) zu entwickeln, war verlockend.
Das bedrohte Paradies
Auf dem Weg dahin gab es dennoch einige Herausforderungen. Beispielsweise habe ich vergleichsweise lange gebraucht, um die Handlung zu entwickeln. Immerhin wird der Sommer mit Leichtigkeit, Wärme, Lebensfreude assoziiert, und ich war anfangs etwas ratlos, welchen Konflikt ich hineinschreiben sollte. Die Grundidee, das Utopia zu bedrohen, lag schnell auf der Hand, aber Details, Figurenentwicklung und auch Worldbuilding brauchten mehr Zeit.
Beim Worldbuilding gab es einerseits die … ich sag mal „geographischen“ Herausforderungen. Welcher Ort macht in welchem Monat Sinn, wo platziere ich am besten einen Fluss und was macht es mit einem Bereich, wenn es wenige Meter entfernt ständig regnet? Ich geb zu, mir da einige Freiheiten gelassen zu haben, denn mit Sicherheit würden die Sommerlande-Vegetationen in unserer Welt nicht in der Form koexistieren können. Aber eine gewisse inhaltliche Stimmigkeit sollte natürlich trotzdem da sein, und die betraf auch die Wortwahl. Beispielsweise spielen Menschen in den Sommerlanden nur eine untergeordnete Rolle und sind keine Perspektivträger. Entsprechend gaben Begriffe wie „menschenähnlich“ oder „von humanoider Gestalt“ keinen Sinn und brauchten Alternativen.
Glokalisierte Sommerlande
Aber wo wir gerade bei den Bewohnern der Sommerlande sind: Einige Wesen habe ich selbst erfunden, die meisten sind jedoch Mythologien und Sagen aus aller Welt entlehnt. Dabei hatte ich etwas Bedenken: Einerseits wollte ich unbedingt auch nicht-westliche Wesen mitaufnehmen. Es gibt da so viel in der Fantasy ungenutztes Material, während Elfen und Co. ziemlich ausgelutscht sind. Andererseits habe ich mich gefragt, ob das nicht eine negative Form kultureller Aneingung bedeutet, zumal ich mich nicht bei jeder Figur im Detail mit ihren Hintergründen beschäftigen konnte. Ich habe mich dennoch für die Nutzung entschieden, da es erstens auch nicht die Lösung sein kann, Elemente nicht-westlicher Kulturen zu ignorieren, ich zweitens Glokalisierung einiges abgewinnen kann und drittens auch fraglich für mich war, wo ich die Grenze ziehen sollte. Dschinn beispielsweise oder Zombies sind längst in der westlichen Popkultur verankert.
Allerdings habe ich eine persönliche Grenze davor gezogen, allzu religiös assoziierte Wesen in die Sommerlande aufzunehmen. Daher bevölkern die Monatsländer nun beispielsweise Kachinas, Rokurokobi oder Aswang, nicht aber loa oder Hindu-Gottheiten. Und letztlich habe ich alle Wesen so aus dem Kontext gerissen, dass mein puristisches Teenager-Ich die Nase rümpfen würde. Allein, dass Alben den Mittsommerhof, eigentlich doch eine Feenheimat, bewohnen! Und dann diese Fantasy-Gorgonen! Tss tss …
Fancy but true
Und schließlich war da noch die Sache mit dem Erzählstil. Der erste „Herbstlande“-Roman ist in einem sehr poetischen, fast lyrischen Stil geschrieben. Meinen eigenen Romanen kann man das glaube ich nur bedingt nachsagen. Ich wollte eine Mischung finden, die einerseits nach mir klingt, andererseits aber auch zum Stil der bisherigen Reihen-Veröffentlichungen passt. Das hat dazu geführt, dass ich den Anfang mehrmals umgeschrieben habe, bis ich endlich in die Schreibe gefunden hatte.
Sommerteam
Das klingt nun vielleicht nach viel Hadern, aber tatsächlich hatte ich dennoch (oder gerade deshalb?) großen Spaß dabei, die Sommerlande zu entwickeln. Außerdem sind sie für mich auch das Ergebnis wirklich angenehmen Teamworks. Zum einen haben natürlich Torsten Low und ich daran gearbeitet, aber auch der rege Austausch mit Fabienne war für die Entstehung elementar. Das sehr ausführliche Lektorat kam von Stephanie Kempin, ebenfalls eine der Autorinnen des ersten Herbstlande-Romans; ihr ist es zu verdanken, dass den Sommerlanden einige peinliche Logiklöcher genommen wurden.
Und schließlich prägen die Illustrationen von Fräulein Kirsten den Roman, was mir wirklich verdammt viel bedeutet. Wir haben uns erst im Zuge des Koblenzer Phantastik-Stammtischs, der seit 2018 besteht, kennengelernt, aber ich bewundere ihre Illustrationen schon, seit ich sie 2009 das erste Mal im Uni-Magazin gesehen habe. Dass wir nun tatsächlich ein Romanprojekt zusammen realisieren konnten, fühlt sich fast ein bisschen surreal, auf jeden Fall aber sehr richtig an …
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Tja. Soweit also zu den Entstehungshintergründen der Sommerlande. Nun bin ich gespannt, wie das Buch bei den Lesenden ankommen wird. 🙂