Those were the Forendays

Those were the Forendays

12. Januar 2019 9 Von FragmentAnsichten

Im letzten Beitrag war es bloß ein Nebensatz:

„vor allem Communitys wie Fantasy-forum.org oder Drachenlanze.de haben nach teilweise mehr als 15 Jahren die Segel gestrichen.“

Erst hinterher dachte ich – dammit. Es ist echt vorbei. Das Drachenlanze-Forum ist Geschichte. Und damit eigentlich der Ort, an dem für mich – man verzeihe mir die Dramatik – all das hier angefangen hat.

Nalika meldet sich an

Ich war so 12 Jahre alt, als ich mir „Die Stadt der Göttin“ kaufte, in den deutschen Übersetzungen der 8. Band der Drachenlanze-Saga. Ich hab eine Weile gebraucht, um zu kapieren, dass ich hier einen Folgeband in der Hand hatte, aber meiner Begeisterung hat es seltsamerweise keinen Abbruch getan. Was habe ich mit ihnen gefiebert, mit den Majere-Zwillingen und Crysania, der Paladin-Klerikerin. Dabei hatte ich mir das Buch ursprünglich nur – seien wir ehrlich – wegen des Covers gekauft.

Raistlin Majere, immer noch eine der coolsten Socken der High Fantasy.
(Bild von Vera Gentinetta, public domain)

Einen eigenen PC hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber wenn meine ältere Schwester noch im Nachmittagsunterricht war, soll es vorgekommen sein, dass ich mich an ihren Laptop geschlichen habe. Meistens habe ich nur nach Bildern gesucht, in diesen Tagen nach denen von Coverillustrator Larry Elmore. So landete ich damals auf Drachenlanze-forum.de. Ich weiß nicht mehr, ob es am selben Tag oder doch erst später war, aber ziemlich bald hatte ich mich unter dem Username „Nalika“ angemeldet.*

Dort fing dann das Abnerden an. Von der Figurenkleidung bis zu Autoreninterviews wurde alles bis ins Detail diskutiert, wie das in solchen Foren eben üblich war. Hier habe ich auch erst gelernt, dass Drachenlanze auf Dungeons&Dragons beruht und was es überhaupt mit Pen&Paper, LARP und so weiter auf sich hat – in meinem Offline-Freundeskreis waren Rollenspiele absolut unbekannt.

Finding friends and music

Es blieb dann aber nicht bei den Netz-Diskussionen. Für die Mitglieder des DL-Forums gab es ein- bis zweimal im Jahr mehrtägige Zusammenkünfte, meist in Solingen oder Erbach, und daneben zahlreiche kleinere (Rollenspiel-)Treffen. Ich habe meine Eltern damals so lange angebettelt, bis sie mich nach Monheim haben fahren lassen, wo ich mit vier anderen Teenagern die erste Rollenspielrunde meines Lebens hatte. Ich habe eine Meerelfenbardin gespielt; warum auch klein anfangen.

Und während wir gespielt haben, lief Nightwish. Mit Pen&Paper bin ich nie so richtig warm geworden, aber über diese Monheimer Kellertruppe kam ich mit der Metal- und später auch der Gothicszene in Kontakt, und zu dem Zeitpunkt hat mich das wohl noch mehr geprägt als jegliche Rollenspiel- und Fantasykenntnis. Vermute, dass die nächsten sieben (Szene-)Jahre meines Lebens sehr anders ausgesehen hätten, wenn ich nicht mit 13 in diesem Keller gehockt und den sanften Tönen von Nightwish und Blind Guardian gelauscht hätte. (Wow, aus heutiger Sicht wirkt das wirklich klischeehaft.)

Vor allem aber habe ich dort auch echt gute Freunde gefunden. Irgendwie hat sich das spätestens im Studium zwar verlaufen, und heute habe ich selbst über Social Media nur noch mit einem von der Kellertruppe vagen Kontakt. Aber für vier, fünf Jahre waren wir ziemlich unzertrennlich.

Von Krynn zur RPC

Zurück zum Forum. Später meldeten sich dort sogar noch eine meine Schwestern (die Laptop-Inhaberin) und zwei Freundinnen aus der Schule an. Meine analoge und meine digitale Welt rückten zusammen und ich glaube auch nicht, dass ich diese Unterscheidung überhaupt gemacht habe. Das Forum hat Freundschaften, sogar Beziehungen hervorgebracht, und es wurde normal, mehrmals im Monat durch halb Deutschland zu kurven, um die Leute zu treffen. Irgendwann bin ich durch solche Wege auch das erste Mal auf einer Convention gelandet, genauer gesagt auf der RPC.

Rückblickend recht unterhaltsam: Ich weiß noch, dass ich mich in eine Lesung fallen ließ, weil ich vom Rumlaufen müde war, und vorne saß ein langhaariger Typ und las etwas von Magiern in Montparnasse vor. Meine Schwester fand das spannend, und als ich ihr später das Buch kaufen wollte, stellte ich fest, dass es von einem gewissen Oliver Plaschka stammte. Ein paar Jahre später stellte ich ebenso fest, dass ich in Nähe zu einer Fabienne Siegmund gesessen haben musste, mit der ich später diverse Wochenenden verbringen würde.

Das DL-Forum war ein kleines Utopia, und ab ca. 2005 bekam es mit Fantasybuch.net eine Zweigstelle. Hier habe ich angefangen, erst Rezensionen zu schreiben, später auch Interviews zu führen und Newstexte zu veröffentlichen. Ich kam das erste Mal ernsthaft mit Verlagen und Szeneleuten in Kontakt, so wiederum zu Online-Magazinen und letzten Endes auch zu Art Skript Phantastik, wo dann ja mein erster Roman erschien.

Paradise lost**

Aber irgendwann verloren beide Communitys an Intensität. Erst war da ein Streit zwischen Admins und Moderatoren, dann einige kleinere Netz-Dramen, die Aktiven zogen sich zurück oder wandten sich neuen Foren und Social Media zu. Hinzu kam, dass die Drachenlanze-Reihe eingestellt wurde und es schlicht kaum noch Nachwuchs gab.

In den letzten Jahren war das Community-Gefühl von früher verschwunden; auf fantasybuch.net habe ich noch hin und wieder vorbeigeschaut, im DL-Forum war ich seit Jahren nicht mehr eingeloggt. Ich habe sogar erst verspätet mitbekommen, dass es abgeschaltet wurde, und es war vielleicht nur konsequent, unter beide Seiten einen Schlussstrich zu ziehen. (Auch wenn zur Datensicherung ein vorheriger Hinweis nett gewesen wäre.) Und trotzdem – es war eine super Zeit, sowohl mit dem Drachenlanze-Forum als auch mit fantasybuch.net. Ich weiß nicht, wo ich heute ohne beides wäre.


*Da mir die Veröffentlichungen von damals etwas peinlich waren, habe ich dieses Pseudonym lange unter Verschluss gehalten. Aber selbst über Umwege ist inzwischen kaum noch etwas von früher zu finden, was ich nun auch wieder schade finde. Ich meine – mein Interview mit Trudi Canavan! Die Rants meines 16-jährigen Ichs! Komische Cosplay-Fotos!

**Ok, jetzt trage ich etwas dick auf.