Juniansichten 2018

Juniansichten 2018

1. Juli 2018 3 Von FragmentAnsichten

Wir widmen uns Genre-Diskussionen von Steampunk bis Romantasy, werfen einen Blick auf Marketing-Struggles, berichten von einem Ausflug ins Wunderland und enden mit kurzen Hinweisen zu den Locus Awards, einer Ausschreibung und einem Comic-Magazin.

Ja, ist denn schon wieder Juli. Hm. Was machen wir denn da. Vielleicht erwähnen, dass im Juni der NordCon und das Heidelberger LitCamp stattfanden. Ich hatte beides eingeplant und war bei keinem von beidem.

Morbide Wunderwerke

Dafür war ich aber im Wicked Wonderland. Unter diesem Motto lud Autorin und Künstlerin Laura Flöter zu einem phantastischen Nachmittag in ihr Atelier in Meerbusch bei Düsseldorf. Fabienne Siegmund las aus „Alissa im Drunterland“, es gab ein Konzert von Collateral Birth und sogar ein Drink&Draw, bei dem man zwei Cosplayerinnen (Mia Steingräber und Anna Jäger-Hauer) im Alice-Style abzeichnen konnte. Im Zentrum standen aber natürlich die faszinierenden, morbiden Werke von Laura selbst. Ohne Scheiß, ich liebe ihre Bilder und freu mich einen Ast, ein Mini-Bild von ihr gestern bei der Auslosung gewonnen zu haben. Und wenn ich mal groß bin, kauf ich mir auch ein Großes.

Orientierung im Genre-Wirrwarr

Zurück zu Genre-Diskussionen: Auf Tor-Online darf ich nun in regelmäßigen Abständen Schlaglichter auf phantastische Subgenres werfen, den Anfang machte Urban Fantasy. Auch wenn ich mit diesen Einordnungen zuweilen so meine Probleme habe, nehme ich sie doch andererseits sehr gerne vor, und es macht Spaß, die Beiträge zu verfassen. Obwohl dabei immer ein wenig die Angst mitschwingt, ein gaaanz wichtiges Beispiel vergessen zu haben. Mein Wissen beziehe ich übrigens aus Wikipedia aus wunderbarer Sekundärliteratur mit Titeln wie „Die Geschichte der Fantasy“, „Vergemeinschaftung in Zeiten der Zombie-Apokalypse“ oder „Cyberanthropology“. Alle sehr empfehlenswert.

Marketing-Struggles und was das (vielleicht) mit Frauen zu tun hat

Der wohl meistdiskutierteste Beitrag kam diesen Monat allerdings von Romy Wolf, die sich – als Reaktion auf die entsprechenden Twitter-Diskussionen nach dem PAN-Branchentreffen – der Sichtbarkeit von Frauen in der Phantastik widmete. Ich empfinde den Artikel vor allem deshalb als sinnvolle Ergänzung zum bisher Geschriebenen, weil er das „Problem“ der Romantasy in den Vordergrund stellt. Das Genre hat einige durchaus bemerkenswerte Bücher hervorgebracht, und ob man es nun gerne liest oder nicht, es hat zweifellos seine Daseinsberechtigung. Aber ich bemerke selbst immer wieder, wie man dazu gedrängt wird, vor allem in Büchern mit jugendlichen Protagonisten auf Teufel komm raus Romanzen einzubauen. Das gilt nicht nur für Werke weiblicher Autoren, aber ich habe doch das Gefühl, dass es hier in besonderem Maße erwartet wird.

Nun arbeite ich selbst im Marketing und habe Verständnis dafür, wenn Bücher und Autoren markttauglich gemacht werden. Ich halte es auch nicht für verwerflich, dafür das empfindsame Autoren-Ego hintenanzustellen bzw. ich finde, dass sich selbiges durchaus mit Markttauglichkeit verbinden lässt.** Aber wenn Markttauglichkeit bedeutet, dass jede YA-Fantasy eine eindeutige, prominente (Hetero-)Romanze besitzen muss, verursacht es mir Bauchschmerzen. Zumal ich als Leserin von vielen dieser aufgezwungenen Romanzen eher genervt bin, und mich umso mehr ärgere, wenn ich dann lese, Autorinnen würden von sich aus immer Romantasy schreiben. Von der Twitter-Blase her habe ich das Gefühl, nicht die Einzige zu sein, die von diesen Mustern genervt ist und ich frage mich, ob das Marketing nicht auch mal einen Ausbruch aus ihnen wagen müsste. Sonst steht sich die deutsche Phantastik nur weiter selbst im Weg.

Und im Kleinverlagsbereich?

Was mir im Artikel allerdings fehlt – und das Thema hatten wir ebenfalls schon in Diskussionen zum PAN-Sonderheft –, ist der Blick auf die unabhängigen bzw. Kleinverlage. Viele vor allem der jüngeren Szeneverlage sind nicht nur von Frauen geführt, sondern haben auch einen deutlich stärkeren Anteil an Phantastik-Autorinnen außerhalb der Romantasy. Trotzdem fällt auf, dass SF-Preise Autorinnen wenig berücksichtigen, obwohl sie auch Kleinverlagsliteratur auszeichnen. Unter den dieses Jahr für den DSFP Nominierten fand sich eine einzige Frau, obwohl man nun nicht sagen kann, dass es kein „Material“ gäbe. Ich weiß nicht, woran es liegt. Vielleicht ist die DSFP-Jury zu stark den älteren Genreverlagen zugewandt, in denen nur ab und zu mal eine Nadine Boos oder Miriam Pharo auftaucht.***

Apropos Kleinverlage: Auch denen widmete sich ein Beitrag auf Tor-Online, der in der Szene gemischt aufgenommen wurde. Während einige Kleinverleger dem süffisanten Ton von Christian Humberg durchaus etwas abgewinnen konnten, fühlten sich andere auf den Schlips getreten. Ich für meinen Teil musste schmunzeln, hatte allerdings dasselbe zwiespältige Gefühl wie schon beim Szene-Reiseführer „Geek Pray Love“, ebenfalls aus der (Co-)Feder von Christian Humberg: Einerseits ist da viel Wahres drin, andererseits scheint mir der Autor doch einen etwas idealisiert-eingeschränkten, um nicht zu sagen überholten Blick auf die Szene und ihre Akteure zu haben. Aber vermutlich kann man das mir auch nachsagen.

Von Frankreich über die USA bis England: Diverses

Was sonst war los im Juni? Das deutsch-französische Comic-Magazin Béton brachte eine Science-Fiction-Ausgabe heraus. Die Locus Awards wurden u. a. an John Scalzi (Bester SF-Roman), N. K. Jemisin (Bester Fantasy-Roman), Viktor LaValle (Betser Horror-Roman), Nnedi Okorafor (Bester YA-Roman) und Theodora Goss (Bestes Debüt) verliehen. In Stuttgart stieg die angeblich beste der deutschen Comic Cons, nämlich die Comic Con Germany.

locus

Wenn Artikel 13 durchgesetzt wird, kann ich nicht mehr solche herrlich doofen Memes posten, also zum Teufel mit ihm! Hm, ich muss mir mal durchlesen, was genau eigentlich der Gedanke dahinter sein soll. Ich meine, okay, da sind Urheberrechtsverletzungen drin, aber – Memes! Man kann uns nicht die Memes nehmen! Ein Internet ohne Boromir ist ein Internet ohne Seele.

Abschließend noch der Hinweis auf eine Ausschreibung, mit der sich auch deutschsprachige SFF-Autoren für einen bezahlten Aufenthalt am Anglia Ruskin University’s Centre for Science Fiction and Fantasy bewerben können.

Und damit verabschieden wir uns dann in den Juli. Der ja schon da ist. Aber trotzdem.


*In Auszügen auch auf Tor-Online zu lesen.
** Ansonsten hätte ich keinen Larry-Brent-Roman geschrieben. Obwohl sich darüber streiten lässt, ob das ein gutes Beispiel für Markttauglichkeit ist …
*** Allerdings, in „Der loganische Krieg“ sind wir drei Frauen und ein Mann. Jaha! Und wir haben keine Romanze reingeschmuggelt, versprochen. Nicht mal versehentlich.