Top 7: Angelesene Bücher vom Stapel of Shame

23. April 2018 10 Von FragmentAnsichten

Heute ist Welttag des Buches. Eine gute Gelegenheit, um euch die bahnbrechende Neuigkeit mitzuteilen, dass ich die Lust am Lesen wiederentdeckt habe. Nun, für mich ist das tatsächlich eine sehr positive Erkenntnis. In den letzten Jahren gab es natürlich auch einige Bücher, die mich gefesselt haben, aber ich war doch eher eine Urlaubs- und Gelegenheits-Bibliophile mangels Zeit und zugunsten anderer Freizeitbeschäftigungen.

Dieses Jahr allerdings habe ich vermutlich schon mehr Bücher gelesen als in den letzten drei Jahren zusammen. Natürlich liegt der neue Book-Count auch an der Juryarbeit für den SERAPH, die glaube ich auch an der wiederentdeckten Leseritis nicht ganz unschuldig ist – erstens, weil ich durch sie einige tolle Bücher entdeckt habe, die Lust auf mehr gemacht haben, und zweitens, weil ich festgestellt habe, dass sich das tägliche Pendeln im Zug selbst bei Stehplätzen doch recht gut zum Lesen eignet.*

Daneben gehe ich aber auch etwas gelassener ans Lesen als früher. Das schließt auch mit ein, ein Buch, das sich zieht, halt zur Seite zu legen und es erstmal mit einem anderen zu probieren.

Eigentlich fühle ich mich damit nicht besonders wohl. Ein Buch, das sich zieht, muss nicht schlecht sein – tatsächlich finden sich unter meinen Lieblingsbüchern auch einige, für die ich Monate und viele Unterbrechungen gebraucht habe. Manchmal entschädigen tolle Stellen für Langatmigkeiten (z. B. in „Das Licht hinter den Wolken“), ein herausragendes Ende reißt alles wieder raus (z. B. „Der Ozean am Ende der Straße“) oder was auf den ersten Blick frustrierend unlogisch wirkte, macht nach der Auflösung doch noch Sinn (z. B. „Die Flüsse von London“). Aber indem ich mich in der Hoffnung auf Besserung durch Bücher quäle, tue ich meiner Lesefreude auf die Dauer keinen Gefallen.

Also werden die Bücher nun schneller zur Seite gelegt – natürlich mit dem beinahe festen Versprechen, es ein andermal noch mal zu probieren –, und zum nächsten Titel gegriffen. Das schlechte Gewissen bleibt aber, denn auf die Weise wandern einige Bücher auf den SoS (Stapel of Shame)**, die das nicht verdienen. Und genau solchen Büchern widme ich mich heute mit den Top 7 der angelesenen Bücher. Obwohl der Begriff „Top“ mal wieder sehr formelhaft ist, denn ich kann auf Anhieb ungefähr 20 tolle Bücher nennen, die ich gerne in der Liste sehen würde. Aber wie stets muss halt eine Auswahl her und bei manchen Titeln traue ich mich gar nicht, zuzugeben, dass ich sie nur angelesen habe, weil ich so gerne trotzdem über sie fachsimpel.

Na ja, seht es mir nach. Es geht los.

1. „Planet Magnon“ von Leif Randt

Über dieses Buch habe ich mich schon mehrmals ausgelassen, in der Regel positiv. Das Ding ist … ich will dieses Buch gut finden, weil mir die Verbindung aus Szene-/Subkultur-Gedöns und Feuilleton-Science-Fiction so gut gefällt. Und ich finde es auch gut, allerdings eher als Fragmentsammlung. Als Roman ist „Planet Magnon“ bei aller Deepness doch ein wenig wischiwaschi, bzw. ich denke dauernd so „Dafuq?“ und es ist nicht immer ein positives Dafuq. Ab der Hälfte habe ich das Buch daher nur noch quergelesen, aber ich möchte es noch einmal komplett angehen, in der Hoffnung, dass es dann doch noch runder wird. Denn ja, eine schöne, geradezu metaeuphorische Idee(n).

Planet Magnon

Zimmerpflanzenromantik mit „Planet Magnon“
(von Leif Randt, Verlag Kiepenheuer & Witsch)

2. „Die Sturmlicht-Chroniken 2: Der Pfad der Winde“ von Brandon Sanderson

Seit etwa zwei Monaten liegt dieses Buch auf meinem Nachttischschränkchen. Und seit etwa zwei Monaten mache ich mir vor, nach einer kleinen Pause weiterzulesen.

Hier wiederum ist das Ding – und auch dieses Thema habe ich jetzt schon mehrmals angeschnitten –, dass „Der Pfad der Winde“ wie schon sein Vorgänger „Der Weg der Könige“ stellenweise unglaublich spannend und weltenbaulich innovativ ist. Aber dazwischen ist es auch episch in seiner langwierigsten Ausprägung. Jaaa, ich mag Kaladin echt gern, aber dem jetzt 200, ach was, 300 Seiten dabei zuzulesen, wie er Bretter durch die Gegend schleppt, ist halt nicht so der Burner. Schon nach Band 1 dachte ich daher, joa, schön jetzt bei Sanderson mal mitreden zu können, aber eine Pause tut gut vor Band 2. Bloß war das Ende dann übelst fesselnd UND ICH WOLLTE SOFORT WISSEN, WIE ES MIT SCHALLAN WEITERGEHT! Also hab ich direkt weitergelesen und die ersten Kapitel mit Schallan waren auch richtig, richtig gut. Bloß … jetzt dauert es 600 Seiten, bis sie das nächste Mal auftaucht. Und stattdessen schleppt Kaladin wieder Zeug durch die Gegend.

Seufz. Ich glaube wirklich, dass ich diese Reihe weiterlesen werde. Aber vielleicht braucht es doch noch mal zwei Monate Pause.

3. „Die Chroniken der Unterwelt: City of Bones“ von Cassandra Clare

So’n Buch, das ich immer behaupte, gelesen zu haben, obwohl ich es streng genommen (und auch weniger streng genommen) nicht bis zum Ende durchgehalten habe. Am Anfang wird ein bisschen James Frazer zitiert, was mein Kulturwissenschaftsherz sehr erfreut. Danach zieht Protagonistin Clary durch die Straßen, entdeckt die Schattenjäger und ein unterirdisches New York, was mein Urban-Fantasy-Herz erfreut. Überhaupt alles sehr erfreulich, deshalb weiß ich nicht, warum ich nicht weitergelesen habe. Ich glaube, ich hatte Angst, dass jemand stirbt oder jemand, den ich mag, jemanden verrät, den ich auch mag. Das sind so diese YA-Tropes, auf die ich echt empfindlich reagiere. Ebenso wie auf dieses „Maximum Ride“-Ding mit Geschwistern, die anfangen, einander umzubringen, sobald sie von der Existenz des jeweils anderen erfahren. Seriously, was soll das?! Ihr seid verwandt, kein Grund für eine Tragödie.

4. „Der Herr der Ringe“ von J. R. R. Tolkien

Man sagte mir, wenn ich es erst mal bis zu Tom Bombadils Hütte geschafft habe, wäre der Rest ein Pageturner. Leider habe ich es nie bis zu Tom Bombadils Hütte geschafft, sondern bin in einer Hobbit-Familienchronik oder irgendwelchen Gartenbeschreibungen hängengeblieben. Beim zweiten Anlauf bin ich dann direkt zu Glorfindel gesprungen, aber das fühlte sich ebenso untrue an wie der dritte Anlauf, den ich mit Band 2 startete. Irgendwie war „Das Silmarillion“ mehr mein Ding. Das tut gar nicht erst so, als sei es spannend, ist als Mythologie-Lexikon aber durchaus interessant.

5. „Troposphere“ von Scarlett Thomas

Dieses Buch rund um Reisen in die Gedankenwelt der Menschen habe ich mal bei einer Verlosung zum Welttag des Buches gewonnen und es hat mich schon auf den ersten Seiten ziemlich fasziniert. Allerdings waren da immer wieder historische Details, die ich nicht kapiert und wegen denen ich letzten Endes mehr Zeit mit der Hintergrundrecherche als mit dem eigentlichen Buch verbracht habe. Hat dann dazu geführt, dass es auf den SoS gewandert ist, wo es auf die Einlösung meines Versprechens wartet, es doch noch zu Ende zu lesen.

Erinnert mich übrigens sehr an das nicht ganz so starke „Das verlorene Bestiarium“, das ein ähnliches Schicksal erlitten hat.

troposphere

Ein Cover
(Troposphere von Scarlett Thomas, Rowohl Verlag)

6. „Roter Mond und Schwarzer Berg“ von Joy Chant

Joy Chant gehört zu meinen Lieblingsautorinnen. In ihr „Der Mond der Brennenden Bäume“ hatte ich mich schon verliebt, bevor ich es auch nur gelesen hatte*** und der unverhoffte Nachfolger „Wenn Voiha erwacht“ war sogar noch faszinierender. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an Chants Jugendbuch „Roter Mond und Schwarzer Berg“, das in derselben Welt wie die beiden anderen spielt und als ihr bekanntestes Werk gilt. Nur leider waren hier die Erwartungen dann doch zu hoch. Die Hauptfiguren – vor allem Oliver – waren mir zu unsympathisch, die verschiedenen Völker und Gesellschaften blieben blass. Ich denke, es wäre für das Gesamtbild schön, das Buch irgendwann noch zu Ende zu lesen. Aber eilig habe ich es damit nicht.

7. „Isle of Destiny“ von Kenneth C. Flint

Platz 7 gebürt meinem langjährigen Lieblingsautoren und einem Buch, das ich vergleichsweise bewusst nicht weitergelesen habe. „Der Sohn der Sidhe“, Flints Debütroman, habe ich – ihr wisst schon – heiß und innig geliebt. Keines seiner zahlreichen anderen Bücher konnte meinen Erwartungen danach so richtig gerecht werden, aber wirklich enttäuscht hat mich nur eines: „Isle of Destiny“. Es erzählt die Vorgeschichte zu „Der Sohn der Sidhe“ und ich kann euch gar nicht beschreiben, wie aufgeregt ich war, als ich erfahren habe, dass dieses Buch existiert und ich all meine geliebten Figuren noch einmal wiedertreffen sollte.

Das Problem ist nur, dass „Isle of Destiny“ „Der Sohn der Sidhe“ in vielen Details inhaltlich widerspricht. Auch die Figuren verhalten sich anders. Objektiv betrachtet ist „Isle of Destiny“ das handwerklich bessere Buch und vor allem die adequatere Sagennacherzählung. Aber ich wollte kein handwerklich besseres Buch und keine adequate Sagennacherzählung. Ich wollte eine Vorgeschichte zu „Der Sohn der Sidhe“, die mit dessen Handlung zusammenpasst und in der meine Lieblingsfigur nicht zu einem arroganten Schnösel mutiert. Da „Isle of Destiny“ irgendwann anfing, mir die Laune und vor allem den Spaß an „Der Sohn der Sidhe“ zu verderben, habe ich es abgebrochen. Und ich weiß nicht, ob ich je weise genug sein werde, um es doch noch zu lesen.

20160910_132028

Alta, ich hab so viel Liebe in „Der Sohn der Sidhe“ (von Kenneth C. Flint, Goldmann Verlag) gesteckt, da erwarte ich eine Vorgeschichte, die meinen Vorstellungen entspricht! Künstlerische Freiheit, schriftstellerische Weiterentwicklung? Mir doch egal, ich will meinen Cormac zurück!

So viel also zu meinen Top 7. Honorable Mentions an dieser Stelle für „Good Omens“, „Die Nacht der Drachen“, „Bannsänger“, „Der letzte Ork“, „Das Buch des Sturms“, „Die vier Zweige des Mabinogi“, „Das Buch Merlin“ u. v. m., die ich natürlich irgendwann alle noch zu Ende lesen werde.

Und trotz dieses Vorhabens fühle ich mich jetzt ganz elend, all diese tollen Bücher nicht bereits beim ersten Versuch zu Ende gelesen zu haben (außer bei „Isle of Destiny“; dieses Buch existiert nicht!).

Wie sieht es bei euch aus? Welche Bücher habt ihr schweren oder auch nicht ganz so schweren Herzens zur Seite gelegt? Welche Titel warten auf ihre zweite Chance, welche Romane auf die Renaissance?


*An dieser Stelle übrigens ein Dank an den Erfinder des Taschenbuchs sowie alle Autoren, die zu kurzen Romanen neigen. Brandon Sanderson und Jay Kristoff bekommen irgendwann eine Physiotherapie-Rechnung von mir zugeschickt.
**Ich habe erst an SaB (Stapel angelesener Bücher) überlegt, aber SoS verspricht eine schöne Clickbaiting-Überschrift.
***Meistens führt eine solche Vorab-Liebe dazu, dass das Buch den Erwartungen nicht gerecht werden kann, aber „Der Mond der Brennenden Bäume“ war eine der erfreulichen Ausnahmen.