Novemberansichten 2017
Wir beschäftigen uns u. a. ein bisschen mit Filmen und Serien mit und ohne Amazonen im Bikini, bewundern Wissen über Werwölfe und Märchen und diskutieren die Sichtbarkeit der Fantasy in Reihe und (Klein-)Verlag.
Mittelerde geht in Serie
Na holla, euren Reaktionen auf den letzten Beitrag nach zu urteilen, hängen an der High Fantasy aber Emotionen. Was mich etwas überrascht hat, obwohl der Wirbel um die angekündigte Der-Herr-der-Ringe-Serie von Amazon mich vielleicht hätte vorwarnen sollen. Wobei über die eigentlich noch nicht viel bekannt ist, außer halt, dass da was kommen soll, vielleicht zumindest, und dass die Rechte verdammt teuer waren. Joa. Schauen ma mal.
Empowerment und die Rückkehr des Kettenhemd-Bikinis
Andy Serkis jedenfalls wird wohl nicht mit von der Partie sein. Der hat auch anderweitig gut zu tun, demnächst beispielsweise in „Black Panther“, einem Film, den ich bisher nur am Rande auf dem Schirm hatte. Vor ein paar Wochen bin ich allerdings auf einer Twitter-Seite gelandet, die sich mit Farbigen in der Science Fiction und Fantasy auseinandersetzt. Jetzt finde ich sie nicht mehr (Evernote, warum nutze ich dich nicht immer sofort?), aber dort wurde „Black Panther“ ein ähnlicher Empowerment-Faktor für Farbige zugesprochen wie „Wonder Woman“ für Frauen.* Fand ich ganz interessant und ein paar Artikel weiter bin ich auf den „Guide to Fantasy and Science Fiction made for Black People, by Black People“ gestoßen und auf die wiederum dort verlinkten Artikel. Die Rhetorik ist … krass und ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll, aber Perspektive und Themen sind spannend.
Aber apropos Wonder Woman: „Justice League“ kam ins Kino und die Amazonen hatten wenig an. Ist jetzt nichts Neues, aber sie hatten noch weniger an als in „Wonder Woman“ und haben uns im November eine neuerliche Diskussion über Kettenhemd-Bikinis unc Co. beschert. Einen Artikel zum Thema gab es beispielsweise, gewohnt differenziert, auf Fried Phoenix. Ich glaube im Grunde nicht, dass bei ihrer Darstellung tatsächlich eine zur Schau gestellte Unverwundbarkeit im Hinterkopf der Produktion stand, aber der Verweis auf die Kleidchen-Amazonen ist trotzdem spannend.**
Hauptsache, die Füße sind geschützt. (Bild von SilviaP_Design via Pixabay.com)
Wie das Ganze im Film wirkt, kann ich nicht beurteilen. Rein aus ästhetischen Gesichtspunkten finde ich die „Rüstungen“ jedenfalls doof und mal so ganz unter uns: So Dinger sind nicht bequem. Also egal, wie sehr ich damit meine Unverwundbarkeit zur Schau stellen würde, ein Kleidchen wäre mir trotzdem lieber. Oder halt eine (bitte nicht zu schwere) Rüstung, denn ich bin ja eh mehr der Typ Sicherheitsfanatiker. Andererseits gibt es ja auch Frauen, die gerne im Korsett rumlaufen, also was weiß ich schon.
Die Anderen und die Verwandten in Film und Märchen
Über Werwölfe weiß ich jetzt zumindest mehr als noch … vorvorgestern. Zu verdanken ist das diesem Artikel auf Skalpell und Katzenklaue, wo ein Blick auf die Entwicklung des Werwolfs im (älteren) Film geworfen wird. Beim Lesen musste ich an das Buch „Vergemeinschaftung in Zeiten der Zombie-Apokalypse“ denken, eine empfehlenswerte Sammlung von Aufsätzen und Essays über das Andere bzw. das Monster im Film. Ich hab das Buch mal für die GfF rezensiert und da kam es nicht soo gut weg, aber das lag daran, dass ich es stellenweise etwas beliebig in der Themenwahl fand. Wissenschaftlich betrachtet hat mich das gestört, aber andererseits macht es das Buch abwechslungsreicher zu lesen. Also, wendet euch mal an die Bibliothek eures Vertrauens und schaut rein.
Einfach mal mit Werwölfen quatschen
(von Gerald von Wales, aus der „Topographia Hiberniae“)
Abwechslung boten auch die kurzen Betrachtungen der Märchenspinnerei zu verschiedenen zentralen Märchenthemen. Im Rahmen der Berliner Märchentage veröffentlichten die teilnehmenden Autorinnen verschiedene Beiträge, die insbesondere die Familienverhältnisse im Märchen unter die Lupe genommen haben. Das geht nicht unbedingt in die Tiefe, bietet aber zum Beispiel zu Themen wie „Neid und Missgunst„, „Mutterliebe“ oder „Vaterliebe“ hübsche Übersichten.
Regeln und Ärgernisse der Sichtbarkeit
Ansonsten beschäftigte sich diesen Monat das Börsenblatt mit Science Fiction und Fantasy. Viel diskutiert wurde etwa der Beitrag zur „Sichtbarkeit im Fantasy-Markt“. Den Eindruck, dass es wenige deutschsprachige Debütautoren gibt, kann ich nicht einmal unbedingt teilen, was daran liegen mag, dass ich vornehmlich im Kleinverlagsbereich unterwegs bin. An der erwähnten Sichtbarkeit dagegen mangelt es nun leider wirklich, obwohl ich auch da relativ optimistisch gestimmt bin. Ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht einfach zu viel Zeit einseitig in der Phantastikszene verbringe, um es noch halbwegs neutral beurteilen zu können, aber mir begegnen zum Beispiel immer häufiger Bücher von unabhängigen Verlagen wie Amrûn oder Atlantis in den großen Buchhandelsketten. Gleichzeitig ist da natürlich eine sehr große Masse an Autoren, die um die begrenzte Sichtbarkeit buhlt. Der Aussage, dass „regelmäßig nachgelegt werden“ muss, kann ich daher unterstreichen (leider). Nach „Vor meiner Ewigkeit“ hat mich das ziemlich unter Druck gesetzt, mit dem Ergebnis, dass ich lange gar nichts Ordentliches mehr zustande bekommen habe. Meiner Erfahrung bessert sich das etwas mit der zweiten oder dritten Veröffentlichung, und wenn man auf andere Weise ebenfalls Präsenz zeigt (wie ja auch im Artikel erwähnt wurde) – sei es via Cons, Lesungen, Fanzines, Blogs oder was einem sonst liegt. Soll heißen, dann kann man schon mal zwei Jahre schreiben, ohne danach neu erklären zu müssen, dass da zwei S anstelle des X sind.
Durchgängige Reihen, deren Bände sich nicht unabhängig voneinander lesen lassen, finde ich persönlich schwierig. Ja, in den Publikumsverlagen feiern sie seit einer Weile offenbar ihr Comeback, siehe die ganzen „Völkerromane“ wie „Die Elfen“, „Die Zwerge“ etc. oder internationale Reihen wie „Die Chronik des Eisernen Druiden“, „Die Sturmlicht-Chroniken“ etc. So sehr ich Kleinverlage sonst aber auch schätze, muss ich sagen, dass ich hier inzwischen eher die Hände von den ersten Bänden einer Reihe lasse. Ich habe so viele Einzelbände mit offenem Ende hier herumstehen, zu denen die Nachfolgebände nie erschienen sind, dass es nur noch ärgerlich ist. Insofern gewinne ich erstens den Eindruck, dass es sich für kleinere Verlage nicht lohnt, auf Reihen zu setzen und es sich zweitens auch für mich als Leser nicht so richtig lohnt, erste Teile zu kaufen, solange nicht absehbar ist, ob die nachfolgenden je erscheinen.*** Nichtsdestotrotz mag ich es sehr, wenn Bücher von Autoren in sich zusammenhängen, ohne direkt chronologisch aufeinander zu folgen. Aber das als Geschmacksanmerkung am Rande.
Der Übersetzer, das unterschätzte Wesen
In einem weiteren Artikel legte das Börsenblatt den Fokus auf die Übersetzerzunft und bot dabei ziemlich spannende Einblicke. Die zeigen für mich auch auf, weshalb sich nicht jeder Autor, der halbwegs Englisch kann, neben seiner Schriftstellerlektorencoachlaufbahn auch noch als Übersetzer versuchen sollte, auch wenn das ja irgendwie gerade in ist. Für mich wäre es nichts, ich scheitere oft genug schon an irgendwelchen Redewendungen in Interviews, und drücke hiermit meine Hochachtung gegenüber allen aus, die inhaltlich und stilistisch sinnvolle Übersetzungen hinbekommen.
Übersetzungsfreie Phantastik steht dagegen beim SERAPH im Mittelpunkt. Dessen Juryliste wurde veröffentlicht und ich darf dann jetzt öffentlich sagen, mal die Seite der Macht gewechselt zu haben, nachdem ich in den letzten Jahren immer mal mit eigenen Veröffentlichungen der Long- bzw. Shortlist entgegengehibbelt habe.
André Wiesler verstorben
Zum Monatsende hat die Szene die Nachricht erreicht, dass am 23. November André Wiesler überraschend verstorben ist. Er veröffentliche zahlreiche Romane und Kurzgeschichten, u. a. zu „Shadowrun“, und war als Autor, Redakteur und Übersetzer im Rollenspielbereich tätig. Von seinem Arbeitgeber Ulisses Spiele folgte ebenso ein Nachruf wie beispielsweise von seinem Autorenkollegen Mike Krzywik-Groß. Für Andrés Familie wurde ein Spendenkonto eingerichtet.
*Wobei ich das nicht nachvollziehen kann. Unterhaltsamer Film, aber was soll für mich so empowernd daran sein, wenn eine im knappen Kleidchen und mit hübschen Waffen die Welt rettet und beim Anblick von Babys ausrastet?
**Hat bestimmt ein Mann gestaltet, die Amphore.
***Natürlich besteht das Risiko auch bei Publikumsverlagen – ich erinnere nur an „Die Chroniken von Myrillia“ von James Clemens –, aber es ist doch geringer.
Danke für den Link zur Phantastik von schwarzen Menschen (irgendwie lässt sich das nicht gut übersetzen, ohne dass es sich doof/unangemessen liest, aber Afroamerikaner würde es ja schon wieder zu sehr eingrenzen), da ich mich gerade intensiv mit afroamerikanischer Kultur beschäftige.
Ja, hatte beim Schreiben dasselbe Problem. Über Google hatte auch jede Quelle eine andere Meinung, welcher Begriff nun am angemessensten ist.