Top 7: Musikalische Fantasy
Schon häufiger habe ich mich der Verbindung zwischen Musik und phantastischer Literatur gewidmet. In einem Artikel für die 10. Ausgabe der „Film und Buch“ ging es beispielsweise um Musik als Mittel, magische Faszinationen hervorzurufen, in diesem Blogbeitrag dagegen um die Verbindungen zwischen Metal- und Phantastikszene. Das Thema ist damit noch lange nicht erschöpft, wie beispielsweise zuletzt auch ein Artikel von Ju Honisch im Mephisto-Sonderheft „Phantastisches Lebenselixier“ gezeigt hat.
Anlässlich dessen, dass Deutschland an diesem Wochenende den „Tag der Musik“ zelebriert, gibt es heute eine Ergänzung mit einer Top 7 von Fantasyromanen, in denen Musik eine Rolle spielt. Es gibt Bücher, in denen die Musik eine Schlüsselrolle spielt, ohne dabei aber selbst wiedergegeben zu werden. In „Faeriewalker“ von Jenna Black etwa bezieht die Protagonistin ihre Magie aus ihrem Gesang, und in „Wenn Voiha erwacht“ von Joy Chant bringt das Spiel eines Musikers eine ganze Gesellschaft ins Wanken. Aber obwohl ich beide Bücher bzw. Reihen sehr gerne mag, bleibt die Musik darin charakterlos. Dagegen gibt es andere Bücher, in denen die Musik keine oder nur eine Randrolle spielt und in der sie einen (oder … mich) dennoch begleitet – Beispiele dafür sind „Der Kinderdieb“ von Brom oder „Das Licht hinter den Wolken“ von Oliver Plaschka. Die folgenden Beispiele sind Mitteldinger, oder, positiver ausgedrückt, die perfekte Verbindung beider Extreme. Bücher also, in denen es um Musik geht und man sie beim Lesen tatsächlich auch fühlt.
1. „A Midnight Opera“ von Hans Steinbach
Es ist vielleicht ein bisschen unfair, hier einen Manga auftauchen zu lassen. Schließlich ist es leichter, Musik darzustellen, wenn man neben dem Text auch noch das Bild zur Verfügung hat. Aber was soll’s: Egal, ob es nun um Text, Bild oder die Verbindung von beidem geht – niemand hat es je so gut geschafft, Musik ohne Musik darzustellen wie Hans Steinbach!* Die Geschichte um zwei untote Brüder, die über Jahrhunderte die Inquisition und manchmal auch einander bekämpfen, ist nicht der Gipfel an Originalität. Die Dynamik, mit der sie in rhythmischen Bildern erzählt wird, schon.
Und, wie fühlt sich die Musik an? In etwa so wie „The World has gone insane“ in der Resurrection-Version von „Jekyll & Hyde“.**
2. „Lamento“ und „Ballade“ von Maggie Stiefvater
Gerade die Celtic Fantasy liebt das Motiv, nach dem Feenwesen von Musik angelockt werden oder umgekehrt Menschen durch sie zu sich locken. Auf diesem basieren auch Maggie Stiefvaters melancholische Jugendromane „Lamento“, in dem die junge Deidre durch ihr Harfenspiel das ungesunde Interesse der Feenkönigin weckt, und die Fortsetzung „Ballade“, in der die Schüler eines Musikinternats vom nächtlichen Lied der Feen verführt werden. Auch wenn „Ballade“ insgesamt deutlich ansprechender ist: die Darstellung von Musik als etwas Verführerisches, Gefährliches und Jenseitiges gelingt beiden Teilen.
Und, wie fühlt sich die Musik an? Kommt darauf an, wer sie in welchem Kontext spielt. Anfangs war ich für das „Who wants to live forever?“-Cover von Sarah Brightman, dann eher für „When Time fades away“ von Wintersun. Habe mich letztlich aber für „Sweet Dreams“ in der Version aus „Sucker Punch“ entschieden.
3. „Drei Hexen, drei Katzen und die singenden Mäuse“
von Jenny Nimmo
Eigentlich ist dieses Buch ein Gruselmärchen für Kinder und eigentlich besitzt es dank seiner Illustrationen von Angela Barrett denselben ungerechten Vorteil wie „A Midnight Opera“. Wir ignorieren beides und empfehlen einfach diese herrlich atmosphärische Novelle um ein Dorf, in dem zwei Katzen herauszufinden versuchen, weshalb Kinder einem nächtlichen Gesang zum Opfer fallen.
Und, wie fühlt sich die Musik an? Wie der Anfang von Nightwishs „Scaretale„. Passt übrigens auch zu „Der Kinderdieb“.
4. „Der Fürst der Finsternis“ und „Die Königin der Verdammten“
von Anne Rice
Wenn wir hier „A Midnight Opera“ drin haben, soll auch das „Original“ nicht unerwähnt bleiben – schließlich ist relativ offensichtlich, dass sich Steinbach auch von unserem Rock-Vampir Lestat hat inspirieren lassen. Überhaupt sind Vampire offenbar ziemlich anfällig für Musik, bevorzugen in der Popkultur aber eher die härteren Töne gegenüber den Feen, die sich noch vom sanften Harfenspiel anlocken lassen. Nun, Anne Rice ist es mit „Die Königin der Verdammten“ nicht nur gelungen, mich endlich mal bei der Stange zu halten, sie fasst Lestats Musik auch in Worte, die sie wie auch in „Der Fürst der Finsternis“ erfühlbar, scheinbar auditiv erlebbar werden lassen. Vor allem deshalb, weil Lestat sie selbst als eine Form von neuem Lebensgefühl beschreibt.
Und, wie fühlt sich die Musik an? Man kann der Verfilmung von Michael Rymer einiges vorwerfen, aber „Forsaken“ schafft es durchaus, das Hypnotische von Lestats Romanmusik einzufangen – auch wenn ich weder David Draiman noch Jonathan Davis so richtig mit Lestat in Verbindung bringen kann. Dann vielleicht doch lieber „Velvet Touch“ von The 69 eyes.
5. „Die Tribute von Panem 3: Flammender Zorn“ von Suzanne Collins
Dieser Titel fällt ein wenig raus, schon weil wir uns hier streng genommen nicht mehr in der Fantasy bewegen.*** Es ist in „Die Tribute von Panem“ aber vor allem nie die Darstellung von Liedern, die auffällt, sondern mehr deren Verwendung. Sowohl „Deep in the meadow“, Rues Requiem aus Band 1, als auch Katniss‘ unbedacht vorgetragenes „The Hanging Tree“ aus Band 3, gewinnen eine propagandistische, hymnische Reichweite. Es wird situativ gezeigt, wie es politisches Wir-Gefühl hervorbringt. Gerade heute lässt sich das gut nachempfinden, selbst wenn „Panem“ nach heutigen Maßstäben an anderen Stellen schon wieder etwas naiv wirken mag,
Und, wie fühlt sich die Musik an? Die Filmversion von „The Hanging Tree“ ist sehr episch und war durchaus ein Gänsehautmoment in „Mockingjay 1“. Beim Lesen dachte ich aber eher an etwas Unaufgeregtes wie … nun ja, „Am Tag als Conny Kramer starb„.
6. „Bannsänger“ von Alan Dean Foster
Noch ein Rockmusiker, aber dieses Mal einer, der sich nicht ins 20. Jahrhundert, sondern in eine hübsche Fantasywelt verirrt. Wie schon in den letzten Top 7 geschrieben, fand ich „Bannsänger“ eher durchschnittlich. Wenn aber Protagonist Jon-Tom seine Musik nutzt, um mal mehr, mal weniger praktische Zauber zu weben, fühlt man sich allem magischen Firlefanz zum Trotz beim Lesen an die Rockmusik der 1970er erinnert. Ähnlich wie in „Königin der Verdammten“ oder „A Midnight Opera“ und doch handwerklich ganz anders, wird hier Musik über ein szenisches Lebensgefühl vermittelt.
Und, wie fühlt sich die Musik an? Wie „Pinball Wizard„. Jon-Tom ist praktisch Roger Daltrey.
7. „Sylvie und die verlorenen Stimmen“ von Tim Binding
Dass dieses Buch in einer meiner Top 7-Listen auftaucht, hätte ich auch nicht unbedingt erwartet. Es ist … seltsam. Was anfängt wie ein Ralf Isau-Roman, endet fast mit der Frage, warum überall Stroh liegt – oder warum die beiden 13-jährigen Hauptfiguren in ihrem Kampf gegen den Herrn der Lieder dauernd Wein trinken. Trotzdem, zwei Pluspunkte hat das Buch: Erstens die Illustrationen von Angela Barrett – sie hat es offenbar mit der Bebilderung musikalischer Fantasy. Zweitens die Darstellung weniger der Musik, als vielmehr ihrer Abstinenz, die entsteht, da der Herr der Lieder den Tieren nach und nach ihre Stimmen nimmt.
Und, wie fühlt sich die Musik an? Nicht wie „Enjoy the Silence“, auch wenn das passen würde. Mehr nach Regenplätschern.
Wie üblich knabbere ich an all den Titeln, die ich eigentlich auch gerne noch aufgenommen hätte – „Favole“ beispielsweise, oder „Elfenritter“ wegen Yulivee. Wie sieht es bei euch aus? Welche Titel kämen in eurer Musikalischen Fantasy-Liste vor?
*Der Fairness halber: Zumindest niemand, dessen Buch ich je gelesen hätte.
** Bei dieser Gelegenheit habe ich festgestellt, dass diese Version gerade in Trier aufgeführt wird! Also, wer fährt mit mir nach Trier? Verdammt, wo ist mein Album hin …
*** Mir geht es ein bisschen auf die Nerven, ständig aufzupassen, dass die Subgenretrennung gelingt. Aber wenn ich nicht selbst drauf hinweise, gibt es wieder Zeigefinger auf Facebook.
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Sehr schöne Zusammenstellung. Auf meine Liste käme auf jedenfall etwas aus der Urban Fantasy der 80er & frühen 90er Jahre. Emma Bulls „War for the Oaks“ vielleicht oder Charles de Lints „The Little Country“, vermutlich auch irgendein Beispiel aus dem „Borderland“/“Bordertown“ – Shared Universe.
Danke. Ich muss zugeben, die alle nur vom Namen her zu kennen …
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[…] und haben alle Reiche dasselbe Schönheitsideal und überhaupt?) **Und war bereits Bestandteil dieses und dieses Top-7-Artikels. Ich glaub, ich brauch ein neues Konzept oder muss mehr lesen […]
[…] gegen eine blutlüsterne Gräfin und die Inquisition kämpfen. Ich habe mich schon häufiger (z. B. hier) positiv über die leider nicht vollendete Reihe ausgelassen, und ich werde es sicher noch […]
[…] Hexen, drei Katzen und die singenden Mäuse“, über das ich schon einmal im Zuge der „Musikalischen Fantasy“ geredet habe. In dem Buch versuchen zwei Katzen herauszufinden, weshalb immer mehr Kinder in […]