Storytelling-Spiele (1): Mangaka
Geschichten erfinden ist ja ganz toll und so – aber manchmal halt auch recht einsam, wenn man dabei ständig allein vorm Rechner sitzt. Kein Wunder also, dass gerade der geneigte Phantastik-Autor seine Zeit gerne beim Rollenspiel verbringt, wo er nicht allein durchs Dungeon hetzen muss. Aber auch abseits von Pen&Paper & Co. gibt es jede Menge Spiele, die sich zum gemeinsamen Storytelling eignen und dabei nicht gleich ein ganzes Wochenende brauchen, um durchgespielt zu werden. Das über Crowdfunding zustandegekommene „Mangaka“ von Jason Bradley Thompson ist eines davon und zu Unrecht hierzulande noch recht unbekannt. Zeit also, es mal vorzustellen – was, falls der Beitrag ankommt, Auftakt einer Reihe zum Thema soll.*
Na gut, probieren wir es mal. Worum geht es denn?
Du magst keine Mangas? Hey, lauf nicht weg! Auch, wenn du mit Kulleraugen und Lolita-Style nichts anfangen kannst, solltest du nicht gleich reißaus nehmen, nur weil das Spiel „Mangaka“ heißt. Ja, es kommt aus der Manga/Anime-Szene und ja, das merkt man dem Spiel zuweilen an (s. u.). Trotzdem ist es am Spieler selbst, was er aus dem Spiel macht. Daher ist es grundsätzlich für alle interessant, die es schätzen, sich Geschichten auszudenken und diese zeichnerisch darzustellen – unabhängig davon, wie viel Talent für das eine oder andere vorhanden ist.
Die Box in voller Pracht
Aufgabe des Spiels ist es, ein Comic von zwanzig Panels in vier Runden zu zeichnen. Die erste Stufe beginnt mit zwei Panels, die zweite hat schon vier, die dritte sechs, die vierte acht. Gemeinsam sollen sie eine zusammenhängende Story ergeben. Der Witz dabei: Die vier Runden müssen erstens in einer bestimmten Zeitspanne gezeichnet werden – je nach Schwierigkeitsgrad hat man also 5, 6 oder 8 Minuten pro Runde Zeit, die Panels zu füllen. Zweitens müssen die Spieler Karten beachten, die ihnen Themen der Handlung und Motive einzelner Panels vorgeben.
Apokalypse im Schwimmbad?
Dafür zieht jeder Spieler zunächst drei Karten. Diese zeigen die obsessions an, die Themen, die sich durch die ganze Handlung ziehen sollen. Im Beispiel muss ich also irgendwie „swimming“, „disasters or apocalypses“ und „fairy tales“ zu einem stimmigen Ganzen verbinden. In der ersten Runde gelingt mir das, außerdem habe ich nur eine Sprechblase und beide Panels sind bemalt. Dafür gibt es fünf Ruhmespunkte (fame).
Schon Runde 1 enthüllt mein ausgeprägtes zeichnerisches Talent.
Die nächsten drei Runden sind schwieriger. Hier werden zusätzlich zwei bis fünf trends gezogen, Trendthemen, die der Comicautor von heute einbringen sollte, wenn seine Handlung auch Leser finden soll. Teils handelt es sich dabei wie bei den obsessions wirklich nur um Themen oder Motive, die einbezogen werden sollen, teilweise auch um komplette Handlungsanweisungen. Im Beispiel muss ich also in der zweiten Runde die trends „beauty“ und „violence“ einbringen. Je nachdem, wie konsequent ich den Karten folge, gibt es dafür mehr oder weniger fame. Theoretisch kann man die trends auch komplett ignorieren, aber dann bleibt man in der Logik des Spiels halt unbekannt und hat keinen zusätzlichen Ruhm. Nach diesem Ablauf geht es über die vier Runden weiter, wobei es bei Bedarf auch noch Modifikationen gibt. Am Ende gewinnt der Künstler mit dem meisten fame.
Nur keine Trends vernachlässigen!
[Btw: Ich habe eingangs gesagt, es sei egal, wie viel Zeichentalent man bei dem Spiel mitbringt. An dieser Stelle muss ich allerdings zugeben, dass es einigermaßen zermürbend ist, vor den zeichnerisch hochbegabten Mitspielern zu argumentieren, weshalb es sich bei dem komischen ovalen Ding im Bild tatsächlich um das geforderte Schwert handeln soll und nicht um eine Aubergine. Je nachdem, wie hart die Mitspieler mit einem ins Gericht gehen, sorgen also auch nicht so ausgeprägte Zeichen- oder Erzählkünste für weniger fame.]
Generisch, wenn man es zulässt
Anhand einiger trends und obsessions wird schon klar, weshalb das Spiel „Mangaka“ heißt. Viele der (zudem im Manga-Stil gezeichneten) Karten sind formatspezifisch, wenn es etwa um „maid or butler uniforms“ oder Schuluniformen geht. Andererseits gibt es auch viele Karten, die besonders für Phantastik-Autoren spannend sind. Und selbst, wer das ganze Spiel so realitätsnah wie möglich durchziehen möchte, hat noch genug Karten übrig. Letztlich ist es an den Spielern, in welche Richtung sie gehen wollen, da man Karten bei Bedarf natürlich auch einfach aus dem Spiel rausnehmen kann. Aber ehrlich – am meisten Spaß macht es, wenn man alle drin behält.
Von Bogenschießen bis Kunst: Alles dabei.
Fazit
Wenn man Spaß am Zeichnen und Erfinden von Geschichten hat, kann man mit „Mangaka“ eigentlich nicht viel falsch machen. Mit einer Spieldauer von maximal 40-50 Minuten lässt es sich gut zwischendurch spielen, man muss nicht gleich einen ganzen Spieleabend dafür reservieren. Die obsessions und ironisch gehaltenen trends machen „Mangaka“ auch bei mehrmaligem Spielen abwechslungsreich, und da es bis zu acht Spieler in Angriff nehmen können, muss auch selten jemand zugucken.** Sind gerade keine Mitspieler zur Hand, kann man sich sogar alleine im Zeichnen und Erzählen üben.
hard facts zum Abschluss
Bisher ist „Mangaka“ offenbar nur auf Englisch erhältlich, was aber selbst mit rudimentären Sprachkenntnissen kein Problem darstellen sollte. Empfohlen ist es ab 12 Jahren und über die offiziell Webseite wird es für 40 $ verkauft. In Deutschland wird es immer mal auf Messen angeboten.
*Die im Grunde auch wieder nur ein Vorwand ist, diesen Blog endlich auch für Spielevorstellungen zu nutzen.
**Wenn man den beiliegenden Block nicht nutzt und den fame zur Not ohne Plaketten notiert, spricht eigentlich auch nichts dagegen, „Mangaka“ in einer noch größeren Gruppe zu spielen.
Ha, das klingt ja lustig. 😀 Taugt das denn auch, um die eigenen kreativen Windungen anzuregen oder sollte man da doch eher auf Spiele wie Dixit zurück greifen?
40 Dollar finde ich gerade zwar für einen Internetkauf happig, aber vielleicht kommt das ja auch über Carlsen o.ä. auf Deutsch zu uns und lässt sich damit eher mal irgendwo antesten. 🙂
Wie groß ist eigentlichd er gesamte Karton? Der Malblock sieht gerade recht klein aus. (Für A4 wären die Panels andererseits meinem Empfinden nach wieder zu groß. o.O)
Bisher hat es meine kreativen Windungen noch nicht so gepusht ;D Dafür ist es vielleicht etwas zu albern, wobei es dadurch halt auch viel Spaß machst. Kennst du „Gloom“? Das wollte ich bei Gelegenheit auch noch vorstellen, das finde ich als Inspirationsquelle geeigneter. Dixit kenne ich gar nicht …
Der Block hat 18 x 25 cm, der Karton entsprechend vielleicht einen Zentimeter mehr. Mit 2 Panels ist da ordentlich Platz, aber auf der Seite mit den 8 Panels wird es schon eng.
Ich hab das Spiel selbst nur von meiner Mitbewohnerin ausgeliehen, finde 40 Dollar auch ganz ordentlich (wobei in dem Bereich auch recht gängig). Soweit ich weiß, hat sie es auf der SPIEL gekauft, vielleicht sind die Messepreise etwas günstiger.
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