Früher war alles anders 3: „Der Herr der Schwarzen Schatten“
„Drachenlanze“ und „Forgotten Realms“, „Das Rad der Zeit“ oder „Das Schwert der Wahrheit“: Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre mussten Fantasyreihen, die etwas auf sich hielten, ihre ultimative Epik unter Beweis stellen, indem sie es unter zehn Bänden gar nicht erst machten. Einer der deutschsprachigen Autoren, der in den letzten Jahren bewiesen hat, dass ausgedehnte Weltenfantasy aber auch heute nicht der Vergangenheit angehört, ist Cairiel Ari.
Schon in seinem 2013 beim Weltenschmiede-Verlag erschienenen Debütroman „Die Winterchroniken von Heratia 1: Verflucht“ führte er ein in die detailreiche Welt Heratia, die sich dank des Ideenreichtums und sprachlicher Besonderheiten von vielen anderen Fantasywelten positiv abheben konnte.
Einen alternativen Blick auf Heratia wirft Ari mit dem Low Fantasy-Abenteuer „Der Herr der Schwarzen Schatten“, erschienen 2014 im ohneohren-Verlag. Angesiedelt in einer anderen Zeit als die „Winterchroniken“, begleitet man als Leser zunächst den Schreiber Okladre, der den eingekerkerten Freiheitskämpfer Draye darum bittet, ihm dessen Lebensgeschichte zu erzählen. Die stellt sich schnell als anders als erwartet heraus, behauptet Draye doch, als Thaera Jen’Queri geboren zu sein: jener Prinz, der dazu bestimmt war, als Marionettenkaiser über Chaylia zu regieren – bis er sich diesem Plan entgegenstellte.
„Der Herr der Schwarzen Schatten“ ist ein Buch, dem man anmerkt, dass sich der Autor strukturell entwickelt hat: Die Handlung ist ausgefeilter als die von „Der Verfluchte“ und vor allem Thaera/Draye vollzieht eine bemerkenswerte Entwicklung vom naiven Prinz hin zum gefürchteten Rebellen. Dennoch kommt „Der Herr der Schwarzen Schatten“ nicht an die Plottwists der „Winterchroniken“ heran und wirkt streckenweise etwas überhastet. Aber wie schon beim ersten Heratia-Buch sorgt allein schon der lebendige Weltenbau für einen atmosphärischen Sog, der für manch kleinere Schwäche entschädigt. Einen besonderen Reiz entfaltet er für Leser, die Heratia bereits kennen. Denn auch, wenn man zwangsläufig auf die meisten der liebgewonnen Figuren aus den „Winterchroniken“ verzichten muss, macht es Spaß, mitzuerleben, wie die Welt immer mehr ihrer Facetten offenbart. Waren es in „Der Verfluchte“ vor allem der Stadtstaat Jadestadt und das winterliche Uratha, sind es nun der Windstaat Ledapra und das asiatisch angehauchte Chaylia, deren Eigenheiten ins Zentrum gerückt werden. Gemeinsam bilden sie Puzzleteile einer Welt, die ihren Charme vor allem dann offenbart, wenn man sich nicht auf einzelne Teile beschränkt.
Umso mehr wären Heratia weitere Puzzleteile zu wünschen. Wie es um solche steht und ob die Welt auf einem guten Weg ist, die 10-Bände-zur-Ultimate-Epicness-Grenze zu knacken, verrät Cairiel Ari selbst im dritten Teil von „Früher war alles anders“. Vorsicht – der Text beinhaltet Spoiler!
Ungeplante Liebe, geplante Happy Ends, ungewöhnliche Todesfälle und die Sache mit Chuck Norris
„Die vorhandene Liebesbeziehung zwischen den beiden Hauptfiguren war eigentlich nicht geplant. Sie haben einfach beschlossen, dass sie sich gegenseitig toll finden, und ehe ich mich versehen hatte, waren sie auch schon ein Paar.
Außerdem kam für kurze Zeit Chuck Norris im Buch vor. Ja, wirklich. Mein tollpatschiger Prota und seine Begleiterin haben sich so sehr in Gefahr gebracht, dass ich irgendwann da saß und nicht mehr wusste, wie um alles in der Welt ich sie da lebend herausbekommen soll. Aus Frust habe ich sie sterben lassen und die Story beendet – das wäre zwar mal eine interessante Neuerung gewesen, dass die Protagonisten es mal NICHT schaffen, sondern einfach abkratzen, aber ich befürchtete, dass die Welt noch nicht reif genug für so etwas sein würde. Deswegen habe ich Chuck Norris ins Spiel gebracht. Er hat sie herausgeboxt und so gerettet. Am Ende habe ich das mit dem nötigen Abstand vernünftig umschreiben können.
Apropos Ende: Es gab mal ein absolutes Happy End. Ich hatte es sogar schon geschrieben. Eine feierliche Krönungszeremonie, ein glücklicher Herrscher … Beim erneuten Schreiben lief quasi alles den Bach runter. Plötzlich hatte ich einen Verräter, der alle schönen Pläne durchkreuzte und zum aktuellen Ende führte. Das Positive daran ist jedoch: Aus dem Grund wird es noch ein Sequel dazu geben, in dem die Leser wieder nach Chaylia abtauchen dürfen. Das wäre beim anfangs geplanten Ende weder nötig noch sinnvoll gewesen. ;-)“
„Der Herr der Schwarzen Schatten“, ohneohren Verlag 2014, ISBN (Taschenbuch) 978-3-903006-10-2
„Die Winterchroniken von Heratia 1: Der Verfluchte“, Weltenschmiede Verlag 2013, ISBN 978-3-944504-00-1
„Die Winterchroniken von Heratia 2: Der Gejagte“, Xin 2015, ISBN 978-3942357203