Früher war alles anders 2: „Cajan“
Eine ungekrönte Königin, ein niederträchtiger Usurpator und ein Paladin, der durchaus weiß, wie herum man ein Schwert hält: Um diesen Ingredienzen noch etwas Neues zu entlocken und nicht nur in einen Haufen altgedienter Klischees zu verfallen, braucht es mehr als eine angenehme Schreibe. Es braucht glaubwürdige Figuren, frische Ideen und die Bereitschaft, Bekanntes nicht nur zu brechen, sondern auch zu variieren und gegebenenfalls mit einem Augenzwinkern zu zitieren.
All das ist Tanja Rast mit „Cajan“ ziemlich gut gelungen, ihrem nach „Arrion“ zweiten im Amrûn-Verlag erschienenen Roman aus dem sozusagen von ihr erfundenen Genre des Schlachtens & Schmachtens. Es ist hier die burschikose Rebby, die sich mit einigen Getreuen – darunter dem loyalen, aber aufgrund seines Elfenerbes diskriminierten Paladins Cajan – auf eine Reise begibt, an deren Ende sie den Mann vertreiben will, der es sich auf dem Thron ihrer Familie gemütlich gemacht hat. Logisch, dass Rebby auf dem gefahrvollen Weg nicht nur Cajans Schwert zu schätzen lernt (iYKwIM). Dabei ist es vor allem den humorvollen Momenten zu verdanken, dass die Handlung nicht nur als Mittel zum Zweck erscheint und gerade Cajan, aber auch einige der Nebenfiguren (ja, Ruhk …), ein Profil gewinnen, das über ihre bloße Romanfunktion hinausgeht.
Im zweiten Teil von „Früher war alles anders“ stellt sich erneut die Frage – wie waren die Anfänge all dessen? War das Ganze mal eine Dreiecksgeschichte? Hatte Cajan Orkblut? Im Folgenden verrät es Tanja euch selbst, indem sie einen Blick auf die Hintergründe ihres halbelfischen Paladins wirft. Aus Spoilergründen ist eine klitzekleine Stelle im letzten Absatz eingeweißt – wer sie lesen möchte, braucht nur den Text zu markieren. Aber sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt. Ich hätte es schade gefunden, davon schon vor der enthüllenden Stelle zu wissen *nickt*
Cajan oder: Schreiben nach Nuppsis
„Cajan“ verfasste ich ziemlich genau im Kielwasser von „Arrion“ (dazwischen passte gerade mal ein Versuch, einen anderen Roman zu schreiben, der gelang dann allerdings erst im dritten Anlauf, außerdem drängelte Cajan vor), und da Letzterer damals noch „Geistersängerin“ hieß, habe ich die ersten hundert Seiten meines Halbelfen noch unter dem Arbeitstitel „Paladin“ verfasst. Den Titel gibt es nun schon wie Sand am Meer, und je mehr Cajan selbst mir ans Herz wuchs, desto deutlicher wurde für mich, dass der Roman seinen Namen tragen muss. Arrion zog dann nach, und dieses Muster habe ich dann auch bei den folgenden Heroic-Romantic-Fantasy-Romanen beibehalten.
Es gibt zu „Cajan“ keine Notizen. Ich mache mir vor Schreibbeginn selten welche, und auf die Idee, einen Romanbegleiter zu führen, in dem ich wichtige Wendungen, Namen oder auch nur Ideenfetzen notiere, bin ich leider erst viel später gekommen. Es würde mich heute sehr reizen, solche Notizen zu „Cajan“ durchzublättern. Allerdings kommt erschwerend hinzu, dass ich nicht schriftlich plotte. Ein reiner Bauchschreiber bin ich aber auch nicht, sondern stehe irgendwo in der Mitte. Ich nenne das mittlerweile Schreiben nach der Kletterwandmethode:
Diese schönen Betonwände mit bunten Griff- und Trittnuppsis, wo Kletterer ihr Geschick zeigen, ihren eigenen Weg hinauf bestimmen. So ähnlich funktioniert Schreiben bei mir. Ich kenne mein Heldenpaar, den Antagonisten, die grundsätzlichen Konflikte, und ich weiß, dass ich da oben hin will, denn da wartet mein Ende auf mich. Welche Route ich wähle, welche Griffnuppsis vielleicht locker in der Wand sitzen und nachgeben, wenn ich sie testweise belaste, welche vor meiner Ankunft einfach in die Tiefe fallen – das alles finde ich unterwegs heraus. Manchmal klammert sich in schwindelnder Höhe eine neue Figur fest und will mitgenommen werden. Mitunter muss ich einen ganz neuen Weg suchen. Das ist für mich der Reiz des Geschichtenerzählens.
(Anmerkung der Autorin: Zur Beruhigung aller Kletterer sei gesagt: Ich weiß, dass die bunten Dinger leider nicht Nuppsis heißen. Schade!)
Die größte Überraschung bereitete mir Ruhk. Er tauchte einfach auf, setzte sich neben Cajans Pferd und beschloss, ab jetzt dabei und sehr wichtig zu sein. Für mich ist er ein kleiner, heimlicher Star des Romans, und ich bin sehr verblüfft, dass er noch in keiner Rezension zu „Cajan“ erwähnt wird. Er gehört zu der Sorte Figur, die einen Autor bedrohen, die Tastatur aufzufressen, wenn sie nicht mitspielen dürfen. Auch das Wiedersehen mit Rebbys Großvater war zu Schreibbeginn nicht geplant, doch während ich die Szene schrieb, wusste ich, wie wichtig sie ist.
Ein anderer Fall Veränderung betraf eine Nebenfigur, die ich eigentlich umbringen wollte. Ich neige dazu, solche Nebendarsteller, wenn ich sie nicht länger benötige oder sie mir gar im Weg stehen, gnadenlos zu töten. Doch meine damalige Livetickerleserin durchschaute mich und protestierte vehement. Sie rettete damit insgesamt sogar drei Figuren, weil ich es blöd fand, nur eine am Leben zu lassen. Meine Tendenz, die Figurenliste bei Bedarf massiv auszudünnen, hat mittlerweile bei meinen Betalesern traurige Berühmtheit erlangt, sodass etliche Leserinnen auch späterer Romane sehr um ihre Lieblinge bangen. Das gefällt mir!
Es gibt eine Szene ganz kurz vor Schluss, bei der mir tatsächlich die Kinnlade hinabsackte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es war auch keinesfalls geplant gewesen. Eine Figur grinste, und ich raufte mir die Haare, wie ich mit dieser Komplikation noch mein Ende erreichen soll. Mehr verrate ich nicht.
Von Anfang an geplant: Cajans Andersartigkeit durch sein Elfenerbe, seine Kindheit und Erziehung, seine Höhenangst und diese reizenden schwarzen Linien, die er da auf der Haut trägt. Obwohl, wenn ich ganz ehrlich bin, wusste ich nicht von Anfang an um ihre Bedeutung.
[Anmerkung der Bloggerin: Danke an die unbekannte Livetickerleserin. Ich weiß, von welcher Figur da oben die Rede ist und hätte ihren Tod sehr bedauert.]
„Cajan“, Amrûn Verlag 2016, ISBN 978-3-95869-200-8 364
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