Januaransichten 2016

31. Januar 2016 9 Von FragmentAnsichten

Aloha zusammen,

der Januar war Level Eichhörnchen, Modus Ab-durch-die-Hecke, nur mit weniger Koffein. Daher und dank Age of Wonders III habe ich diesen Monat weniger Szenegedöns mitbekommen und wenn doch, hat es mich meist in irgendeiner Weise betroffen. Insofern eine vorauseilende Entschuldigung, falls das Folgende arg egotripig rüberkommen sollte. (Dafür ein Tipp: Wenn ihr googelt, ob man „Trip“ mit einem oder zwei P schreibt – käme mir natürlich nie in den Sinn – wirft die Bildersuche krasses Zeuch raus.)

Vereinsmeierei

Neues Jahr, da lassen neue und alte Vereine & Co. von sich hören. Die Gesellschaft für Fantastikforschung beispielsweise, indem sie den Einsendeschluss für ihren 2016er-Call for Papers bis zum 25. Februar verlängert hat. Thema der diesjährigen Tagung, die vom 22. bis 24. September in Münster stattfindet, ist „The Fantastic Now: Tendenzen der Fantasy im 21. Jahrhundert“.

Zu wissenschaftlich für euren Geschmack? Dann springen wir elegant zur Phantastischen Akademie, die bekanntlich alljährlich den SERAPH auf der Leipziger Buchmesse vergibt – dieses Jahr sogar in Kooperation mit dieser und mit einer neuen Kategorie. Im Januar kamen die Longlists raus und ich nehme mit angenehmer Zufriedenheit wahr, auf einer davon auch „Spielende Götter“ zu finden. Die Shortlists folgen Mitte Februar.

Außerdem gab’s mit dem Phantastik-Autoren-Netzwerk, kurz und schneidig PAN e. V. (nicht zu verwechseln mit dem Polyamoren Netzwerk), auch eine Neugründung mit dem Ziel, die deutschsprachige Phantastik-Literatur zu stärken und die Vernetzung innerhalb der Branche zu fördern. Sozusagen als erste Maßnahme soll dazu im April auch ein Branchentreffen stattfinden. Alle Infos zu Verein und Treffen gibt’s auf der Webseite (im Namen verlinkt). Wie üblich, kam an einigen Ecken erst einmal die eine oder andere Kritik auf, die je nach Fall auch gerechtfertigt sein mag. Aber seht es mal so: Es wird immer viel geklagt über das Nischendasein der Phantastik, über die Ignoranz der Hegemonialmedien etc. pp. An Strategien, dagegen etwas zu unternehmen, fehlt es aber anscheinend. Der Verein kann da ein erster Schritt sein, je nachdem, was die Mitglieder draus machen. Denke ich und hoffe ich jedenfalls.

PAN_Gründungsversammlung

Die Leute, die auf der Gründungsversammlung rumgehüpft sind. Wer mich findet, darf sich ein Pik auf die Hand malen.

Verlagsrequiems

Anlässlich dieser Neuigkeiten ging man schon so weit, 2016 als gutes Jahr für die Phantastik zu preisen. Dagegen spricht allerdings, dass mit Oldigor und Koios gleich zwei vielversprechende Kleinverlage/Verlagsimprints den Stift abgegeben haben. In beiden Fällen sehr schade und bedeutet leider auch, dass die von mir diverse Male angekündigte Oldigor-Anthologie „Zauberhafte Universen“ nicht mehr veröffentlicht wird.
(Edit: Habe gerade gelesen, dass auch Scratch die Tore geschlossen hat. Damit haben sogar drei Kleinverlage im Januar dicht gemacht 🙁 )

Rauschen im Blätterwald

Weitaus besser läuft es da im phantastischen Digital-Blätterwald: So ist im Januar nicht nur die siebte Ausgabe des Visionariums mit dem Schwerpunkt „Schlüssel und Tore“ erschienen, auch der Phantast meldet sich mit einer XXL-Ausgabe zum Thema „Cyberpunk“ zurück.

Auf diversen Blogs ist derweil das Essayfieber ausgebrochen. Nicht ganz unschuldig daran ist die Zeitzeugin, die Autoren dazu aufrief, etwas zum Thema „Wir schreiben“ beizutragen (siehe dazu auch diesen Beitrag). Da viele der Teilnehmer Fantasy- oder Science Fiction-Autoren waren, wurde auch einiges aus dem Dunstkreis der Phantastik thematisiert. Beispielsweise von Wolf Awert, der sich des Eskapismus-Vorwurfs angenommen hat. Ich geb zu, im ersten Moment etwas aufgeseufzt zu haben, dass das Thema schon wieder herausgegraben wurde.* Aber der Artikel ist nicht nur gut geschrieben, er bringt mit seinem wahrnehmungsbezogenen Ansatz auch ein wenig frischen Wind in die Diskussion, die sonst doch immer sehr fannisch und monoperspektivisch verläuft. Daher eine Leseempfehlung – natürlich ebenso für die anderen Essays.

Wir überzeugen ihn schon noch

Ihr erinnert euch vielleicht noch an die Juliansichten, in denen ich auf Sören Heims Artikel zu Fandom, Fantasy und literarische Qualitätsmaßstäbe verwiesen habe. Den Kommentaren zum Artikel entsprangen einige Literaturempfehlungen, die Heims Ruf nach un-generischer, ungewöhnlicher (TM) Fantasy nachkamen. Seitdem zeigt er sich tatsächlich als Novize der ähm, Underground-Fantasy, liest sich quer durchs Genre und dokumentiert das Ganze.

Nach Sapkowskis erstem Geralt-Roman (nicht sein Ding; falsche Erwartungen, würde ich sagen), Miévilles Perdido Street Station (auch nicht seins, tss) und Moers‘ Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär (immer noch nicht) ist er bei Esther Rochons Der Träumer in der Zitadelle angelangt – meiner Meinung nach einer der unterschätztesten Romane, die je ins Deutsche übersetzt wurden. Zu Heims eigenem Glück sieht er das ähnlich und hebt etwa heraus, wie die Gegebenheiten vorrangig durch Gespräche und die Handlung selbst eingeführt werden, anstatt sie dem Leser via Infodump vor den Latz zu knallen. Der Fairness halber muss man sagen, dass einem nach den ersten Seiten des nach heutigen Verhältnissen kurzen Romans trotzdem erst mal der Kopf vor lauter Namen und Begriffen brummt, aber nun, Schwamm drüber. Lässt man sich darauf ein, erwartet einen nämlich eine vielschichtige, manchmal etwas zu metaphorische Handlung, die nicht nur Selbstzweck ist. Ich könnte meine eigene Rezension zum Buch verlinken, aber die ist glücklicherweise in den good old times des Internetspielplatzes unter Pseudonym erschienen, also begnügt euch mit den paar Sätzen hier bzw. Sörens Besprechung und steuert das nächste Antiquariat an. Als ich zuletzt im Berliner Otherland war, hatten sie doch tatsächlich noch ein Exemplar von Der Träumer in der Zitadelle herumstehen, dessen optional lesbare Fortsetzungen leider Französischkenntnisse erfordern.
Übrigens bittet Heim weiterhin explizit um Literaturempfehlungen. Also, textet seine Posts zu.

Beste Reste

So weit, so verhältnismäßig kurz zum Januar. Es gäbe noch viel mehr zu erwähnen, beispielsweise das Interview der Mainpost mit Oliver Jahn zu dessen (ebenfalls unterschätzter) Sterntagebücher-Serie. Oder ich könnte Werbung für schöne Rezensionen oder weitere Interviews machen. Die Shannara-Serie ist ja auch gestartet. Aber … reicht. Ich mach mir jetzt Tee und schmachte Halsbonbons an. Einen schönen Februar euch allen.

 

P.S.: Das drückt irgendwie alles aus, was ich zu d i e s e m Thema derzeit zu sagen weiß. :/

* Ja, ich weiß, ich sollte die Klappe halten, so oft, wie ich mir die Hand darüber fusselig geschrieben habe.