Septemberansichten 2015
Wieder mal Zugzeit (noch ist Sonntag). Die Frau neben mir liest ein Buch mit dem vielversprechenden Titel „Wie Männer ticken“, der Kerl gegenüber schreibt Mails und ich versuche, die Monatsansichten für den September einzutippen. Erscheint als guter Übergang vom GfF-Tagungseskapismus (siehe unten) zum Real Life :p
Erstmal aber ein Blick zurück in den August. Am 31. ist nämlich in der Onlineausgabe des Guardian ein Artikel über Terry Pratchett erschienen, der hierzulande wenig Beachtung erfahren, in englischsprachigen Gruppen und Foren dafür umso hitzigere Diskussionen nach sich gezogen hat. Wobei der Artikel eigentlich nicht mal diskutierenswert ist. Es ist nicht so, dass es für mich unter Majestätsbeleidigung oder Gotteslästerung fiele, Terry Pratchett zu kritisieren. Das Ding ist nur, dass Verfasser Jonathan Jones keine Zeit für Argumentationen verschwendet. Pratchett ist halt, so Jones, „light“ literature. Oder warte – es ist ja nicht mal Literatur, sondern nur „trash“.
Warum das so ist? Keine Ahnung. Wer braucht Argumente, wenn er sich dieser putzigen 90er-Rhetorik bedienen kann?!
Das Schöne daran ist, dass man sich auch nicht mit Gegenargumenten aufzuhalten braucht. Aber eins sei doch gesagt: Die implizite Behauptung, Pratchetts Bücher seien – anders als jene von Günther Grass oder Gabriel García Márquez – nicht in der Lage „to change your life, your beliefs, your perceptions“, lässt sich leicht widerlegen. Zumindest mein Leben hat Pratchett definitiv mehr beeinflusst („verändert“ wäre vielleicht etwas hochgegiffen) als Grass.
Begründung? C’mon, ich bin so eine wichtige Bloggerin, ich brauche so etwas nicht! (Der Guardian hat sich mit einer Gegendarstellung rehabilitiert. In der gibt es sogar Argumente. Verdammte Kommunisten.)
Terry Pratchett
(Foto von Robin Zebrowski CC BY 2.0)
Wo wir gerade beim Verhältnis von hegemonialen Medien und Phantastik sind (sorry, ich bin noch im Tagungs-Duktus): Die Feststellung, dass ein bislang relativ braves Kind des Realismus plötzlich auf die dunkle Seite der Fantasy gewechselt ist, sorgt auch im September noch für Fassungslosigkeit und Erklärungsnot unter den Vertretern der außerszenischen Medienwelt. Also hat Die Welt Kazuo Ishiguro ein paar Fragen zu seinem unverschämten Wandel gestellt. Als Teilzeitoptmisitin sehe ich in den gestelltem Fragen ein bewusstes, selbstironisches Aufgreifen von Klischees und halte das Interview daher und dank Ishiguros intelligenter Antworten für gelungen.
Kazuo Ishiguro(Foto von Mariusz Kubik, gdfl)
Endzeitlicher ging es Ende des Monats mal wieder in der Online-Ausgabe der Süddeutschen zu, die dem Wasteland Weekend eine Bilderstrecke gewidmet hat. Die Kommentare sind eher so lala, aber die Fotos definitiv einen oder auch mehrere Blicke wert.
Nun aber zurück in szenische Gefilde. Nachdem es zwischenzeitlich mal hieß, es erscheine keine Ausgabe des PHANTAST (ein Gerücht, das ich munter weiterverbreitet habe), ist im September doch Nr. 13 zum Thema „Magie“ erschienen. Auf den interessierten Leser warten fünf Artikel, zwei Interviews und sieben Rezensionen.
Umfangreicher präsentiert sich die neueste Ausgabe der phantastisch!, in der beispielsweise Artikel zur dänischen Science Fiction (zur dänischen Fantasy geht’s hier lang) oder zum weißen Wal in der Phantastik sowie eine Kurzgeschichte von Oliver Plaschka zu finden sind (Edit: Die Ausgabe ist erst Anfang Oktober erschienen).
(Edit 2: Ich war mal wieder zu früh mit dem Monatsrückblick. Heute ist nämlich auch noch eine neue Ausgabe vom Visionarium erschienen. Dass ihr es wisst.]
Vom 24. bis 27. September fand außerdem, wie eingangs angedeutet, die 6. Jahrestagung der Gesellschaft für Fantastikforschung statt, dieses Mal in Tübingen. Die ganze Veranstaltung war in diesem Jahr deutlich schlanker und anders als 2013 in Wetzlar haben mir die Aha-Momente etwas gefehlt. Trotzdem waren es vier wunderhübsche und interessante Tage und ich danke noch einmal allen, die sie dazu gemacht haben =) (Ein paar Fotos gibt’s z.B. hier.)
Na, das war jetzt aber mal ein kitschiger Abschluss.
Auf das Buch von Ishiguro bin ich schon gespannt. Durch „Alles, was wir geben mussten“ hab ich mich, ehrlich gesagt, gequält. Er hat damals alles gemacht, um zu verhindern, einen guten Thriller zu kreieren. Rezis zu seinem neuen Roman hab ich noch nicht gelesen, ich lass mich lieber überraschen.
„Alles, was wir geben mussten“ habe ich nicht gelesen, nur „Was vom Tage übrig blieb“. Den fand ich aber überraschend gelungen. Überraschend deshalb, weil es eine Schullektüre war und sie vom Inhalt her nicht so spannend klang 😉